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Samstag, April 20, 2024
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    Happy Birthday Friedrich Engels!

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    Vor 200 Jahren wurde der Revolutionär und Mitbegründer des Marxismus geboren. Namensgeber der neuen politischen Strömung war jedoch sein Freund und Genosse Karl Marx. Warum Friedrich Engels dennoch als vorbildlicher Revolutionär, leicht verständlicher Autor und immer noch aktueller Denker gewürdigt werden sollte – und was seine wichtigsten Werke waren. – Ein Kommentar von Pa Shan.

    Friedrich Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen (heute Wuppertal) geboren. Heute wäre er 200 Jahre alt geworden. Ein Grund zum Feiern! Denn Engels war neben Marx der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus.

    Dass ausgerechnet der Sohn eines Textilfabrikanten sich auf die Seite der Fabrikarbeiter:innen schlug, mag verwundern. Aber tatsächlich zeigt Engels‘ Leben beispielhaft, wie die Einsicht in die Notwendigkeit einen Revolutionär formen kann.

    Rebellion in der Jugend

    Engels war bereits als junger Mann Kirchen- und Kapitalismuskritiker sowie Freund der verelendeten Arbeiter und Arbeiterinnen. In seiner Kindheit und Jugend in Wuppertal wächst er neben den bettelarmen Kindern des Proletariats auf.

    Durch die wohlhabende Familie behütet, bleibt er aber – anders als seine Spielgefährten – von Kinderarbeit verschont. Dennoch prägt ihn diese Ungerechtigkeit nachhaltig. Bereits mit 18 Jahren berichtet der junge Rebell über die kapitalistische Ausbeutung in Wuppertal:

    Aber es herrscht ein schreckliches Elend unter den niedern Klassen, besonders den Fabrikarbeitern im Wuppertal; syphilitische und Brustkrankheiten herrschen in einer Ausdehnung, die kaum zu glauben ist; in Elberfeld allein werden von 2.500 schulpflichtigen Kindern 1.200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt. Die reichen Fabrikanten aber haben ein weites Gewissen, und ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt keine Pietistenseele in die Hölle, besonders wenn sie alle Sonntage zweimal in die Kirche geht.“

    Zwischen dem aufsässigen Friedrich und seinem konservativen Vater kommt es zu Reibereien. Als sein Vater ihn in die Hansestadt Bremen zur kaufmännischen Lehre verdonnert, erzielt er gerade das Gegenteil dessen, was er erreichen wollte: Friedrich lernt auf praktische Weise, wie die Ausbeutung der Arbeiter:innen organisiert wird und lernt die Klasse seines Vaters, die Kapitalbesitzer:innen, erst recht zu verachten.

    Seither widmet er sein Leben dem Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung. Das hält ihn nicht davon ab, weiterhin Fabriken zu betreiben. Unter anderem finanziert er dadurch die gesamte Familie von Karl Marx.

    Marx und Engels

    1844 treffen Engels und Marx in Paris aufeinander. Dort stellen sie fest, dass sie nahezu die selben Auffassungen haben.

    • Beide begreifen sich als Schüler des idealistischen Philosophen Hegel, der ihnen das kritische Denken beigebracht hat.
    • Beide sind Kritiker undemokratischer Zustände im kapitalistischen England und Frankreich und feudaler Rückständigkeit in Deutschland.
    • Beide sind revolutionäre Demokraten und Vordenker der gerade erst entstehenden Arbeiter:innenbewegung in Europa.

    Ende 1844 verfassen sie die erste gemeinsame Schrift: „Die heilige Familie“, in der sie die deutschen Republikaner und Demokraten als utopisch und planlos kritisieren. Viele weitere gemeinsame Texte folgen in den nächsten Jahrzehnten.

    Im Jahr der demokratischen Revolutionen 1848 verfassen sie für den „Bund der Kommunisten“, dem sie sich anschließen, das berühmte „Manifest der kommunistischen Partei“, in dem es heißt:

    „Die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände […] In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.“

    Obwohl sie die gleichen Ideen vertreten, entwickelt sich zwischen den beiden Kommunisten eine produktive Arbeitsteilung: Während Marx für Jahrzehnte in das Studium der politischen Ökonomie abtaucht und sich vor allem dem Schreiben seines Hauptwerks „Das Kapital“ widmet, ist es vor allem Engels‘ Aufgabe, leicht verständliche Texte für die Massen zu veröffentlichen. Und gerade hier glänzt Engels als origineller Denker und Autor.

    Die wichtigsten Werke von Engels

    Fragt man nach dem Hauptwerk von Marx, ist die Antwort immer „Das Kapital“. Bei Engels ist die Sache nicht so einfach.

    Denn erstens muss er Marx immer wieder dazu motivieren, sein Mammutwerk nicht aufzugeben und ist nach dem Tod des Freundes sogar jahrelang gezwungen, „Das Kapital“ für Marx fertig zu stellen.

    Zweitens schrieb Engels viele bedeutende, aber kleinere Werke, von denen keines die anderen so überragt wie es bei Marx der Fall ist. Engels‘ Werke fassen häufig zusammen, was die beiden gemeinsam erarbeitet haben.

    Wenn man sich zum ersten Mal mit Marxismus beschäftigen will, lassen sich etliche Texte von Engels empfehlen: Die „Grundsätze des Kommunismus“ (1847) stellen wohl die einfachste Erklärung der marxistischen Grundideen dar. In diesem Text finden sich auch heute noch gestellte Fragen an die Marxist:innen und einfache, klare Antworten.

    Karl Marx“ (1878) und „Das Begräbnis von Karl Marx“ (1883) führen kurz und knapp in die größten wissenschaftlichen Entdeckungen und Leistungen von Marx ein. Beachtlich ist besonders, dass Engels seinen langjährigen Freund nicht nur als Wissenschaftler begreift, sondern als bewussten und engagierten Menschen: „Marx war vor allem Revolutionär“.

    Ein Text von 1882 stellt, wie der Titel schon sagt, „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ dar. Dieser Text ist besonders aktuell, da er das immer wieder neu aufkommende utopische Denken kritisiert und zeigt, wie Sozialist:innen ihre Gesellschaftskritik und politische Strategie auf eine wissenschaftliche bzw. „materialistische“ Grundlage stellen können. Engels erklärt unter anderem:

    Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; […] Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen […]; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche.“

    Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ (1886) ist ein mehr philosophisches Werk. Hier kritisiert Engels die Philosophen, die sich selbst zu ernst nehmen, aber von den wirklichen Verhältnissen der breiten Masse der Bevölkerung nichts hören wollen. Engels stellt die Frage, „welche geschichtlichen Ursachen“ Ehrgeiz, “Begeisterung für Wahrheit und Recht”, persönlichen Hass oder auch rein individuelle Schrullen aller Art hervorrufen. „Diese Frage hat sich der alte Materialismus nie vorgelegt“, erklärt er. Im Gegensatz dazu erklärt der Marxist die Welt mit Verweis auf Ursachen in der Geschichte.

    Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1845) ist vielleicht die berühmteste Monographie von Engels. Seine Beschreibung des Elends sucht bis heute ihresgleichen. Die selben Phänomene lassen sich noch immer beobachten – am eindrücklichsten vielleicht in halb-industrialisierten Dritte-Welt-Ländern wie Indien oder Bangladesch. Engels‘ Erläuterungen sind aber nicht nur erschreckend, sondern erklären vor allem, warum dieses Elend im Kapitalismus nicht dauerhaft beseitigt werden kann.

    Zur Wohnungsfrage“ (1872) ist eine brandaktuelle Analyse, die uns auch heute noch aufzeigen kann, warum die Wohnungnot in den großen Städten sich immer wieder verschärft. Ausbeutung, die Niederhaltung von Arbeiter:innen, Elendslöhne, Massenentlassungen, Mietwucher etc. sind in der kapitalistischen Gesellschaft normal. Engels erklärt: „In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen auf die Gesundheit usw. nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird.“

    Herrn Eugen Dühring’s Umwälzung der Wissenschaft“ (1877/78) ist eine systematische Zusammenfassung der wichtigsten philosophischen Erkenntnisse von Marx und Engels. „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ (1884) ist die Grundlage für viele Theorien und Kritiken am Patriarchat, das seinen Ursprung im Privateigentum hat.

    Die Rolle der Gewalt in der Geschichte“ (1895/96) erklärt die geschichtliche Rolle von Gewalt als Mittel verschiedener Klassen und Organisationen, um ihre Interessen durchzusetzen. Mitunter wurden auch die Freiheiten und Rechte, die wir heute genießen, mit Gewalt erkämpft. „Von der Autorität“ (1873) ist ein genialer Kurztext, der die Position einiger „Antiautoritärer“ kritisiert, die von der Utopie eines sofortigen herrschaftsfreien Zustands nach der sozialen Revolution ausgehen.

    Von Engels lernen!

    Natürlich sind beim ersten Marxisten überhaupt viele weitere – historische, philosophische und ökonomische – Schriften zu finden, die absolut lesenswert sind. Aber die obige Auswahl bietet bereits Stoff für mehrere Lesekreise oder monate- und jahrelanges Studium.

    Die periodisch wiederkehrenden Marx-Lesekreise haben gezeigt, dass ein großes Interesse an Marx und am Marxismus besteht. Oft fokussiert man sich auf „Das Kapital“, meist sogar nur auf den ersten Band. Bei Engels sieht es anders aus. Es gibt kaum Engels-Lesekreise, und Engels wird viel weniger diskutiert. Zu Unrecht.

    Arbeiter:innen, Schüler:innen und Student:innen sollten auch Engels lesen, denn er hat viele der Probleme, mit denen sie bis heute alltäglich zu kämpfen haben, auf populäre und zugleich radikale Weise ausgedrückt. Er ist wesentlich leichter zu lesen als Marx und daher weit zugänglicher. Auch bietet er eine optimale Einführung in den Marxismus.

    Nicht zuletzt soll betont werden, dass Engels nicht nur lesenswerte Texte verfasst, sondern auch eine bemerkenswerte Solidarität mit den Arbeiter:innen und auch mit seinem ständig in Geldnot befindlichen Freund Marx bewiesen hat. Auch heute noch kann man viel von Engels lernen. Und solange der Kapitalismus besteht, werden seine Lehren aktuell bleiben.

    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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