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Freitag, April 26, 2024
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    Ist eine Welt ohne Polizei möglich?

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    Nicht enden wollende Skandale und Berichte über Polizeigewalt werfen die Frage auf, wie Deutschland sein #Polizeiproblem lösen kann. In den USA wird bereits über die Abschaffung der Polizei diskutiert. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Die Presse wird momentan von einer Lawine aus Polizei-Skandalmeldungen geflutet: Nationalsozialistische Propaganda in Chatgruppen, rassistische Polizeigewalt, bei Polizeieinsätzen erschossene Menschen und nicht zuletzt die Tatsache, dass offenbar genug Polizist:innen nebenberuflich Nazis sind, um die Szene verlässlich mit persönlichen Daten ihrer politischen Gegner, Munition und Waffen zu versorgen.

    Für Menschen, die schon in den letzten Jahren (zum Beispiel aufgrund ihres Aussehens) regelmäßig Opfer von Polizeigewalt wurden, ist das alles nicht überraschend. Die politische Diskussion um Konsequenzen bewegt sich hingegen in sehr engen Grenzen. Es geht darum, ob bei einer Untersuchung die Polizist:innen lediglich gefragt werden, ob sie rassistisch seien, oder ob auch ihre Arbeit konkret untersucht wird – ja, es geht letztlich darum, ob man im ganzen Staat oder speziell in der Polizei nach Faschist:innen suchen muss.

    Polizei abschaffen – geht das?

    In anderen Ländern ist die Debatte deutlich weiter voran geschritten. Zum Beispiel in den USA, wo Polizist:innen schon seit Jahren machen, wovon ihre rassistischen Kolleg:innen in Deutschland oft noch träumen – nämlich täglich Menschen zu erschießen und dann häufig ungeschoren davon zu kommen.

    Dort wird über ernsthafte Reformen der Polizei bis hin zu ihrer Auflösung diskutiert: In Parlamenten, Talkshows, Zeitungen und – am wichtigsten – auf der Straße. Die Proteste der Black Lives Matter-Bewegung haben dieser Diskussion eine enorme Dringlichkeit verliehen und sie in die ganze Gesellschaft getragen. Auf den Demonstrationen der letzten Monate war „Defund the Police!“ ( dt. Kürzt den Polizeihaushalt!) eine der häufigsten Parolen.

    Es gibt eine ziemlich breite Masse von Aktivist:innen, Journalist:innen und Akademiker:innen, die sich dafür einsetzen, dass die oft enorm hohen Mittel für die Einsätze der Polizei stattdessen in andere Einrichtungen wie zum Beispiel die Sozialarbeit gesteckt werden. Sie argumentieren, Polizeirepression und -gewalt seien letztlich nur eine Form der Symptombekämpfung für tiefer liegende gesellschaftliche Widersprüche.

    Radikalere Teile der Bewegung in den USA gehen noch weiter: Sie fordern die Abschaffung der Polizei. Hierfür kursieren eine Vielzahl von Konzepten. Teilweise wird argumentiert, die Gesellschaft müsse ihre Probleme ganz ohne Polizei lösen. Teilweise wird der Ersatz durch lokal von den Bürger:innen gebildeten Einheiten gefordert.

    Keine Abschaffung der Polizei im Kapitalismus

    Viele derjenigen, die sich für die Abschaffung der Polizei einsetzen, verstehen die Polizei als ein Instrument, um rassistische und sozial ungerechte Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Oft fehlt aber die Erkenntnis, dass dieses Verhältnis auch andersherum besteht. Die Verhältnisse im Kapitalismus bringen die Polizei ihrerseits hervor und machen sie erforderlich – samt ihrer Gewaltorgien, samt ihres Rassismus’, ja selbst samt der Faschist:innen, die sich in ihr sammeln.

    Solange wir im Kapitalismus leben, werden die in diesem System herrschenden Menschen nicht auf die Institutionen verzichten können, die Ruhe und Ordnung in ihrem Sinne bewahren. Abhängige Länder in Südamerika oder Asien, in denen weniger staatliche Mittel in die Sicherheitsbehörden investiert werden, sind genau deshalb dann oft dadurch geprägt, dass Unternehmer:innen sich Privatarmeen aus Söldner:innen oder Sicherheitsdiensten zusammen stellen.

    Von heute auf morgen auf jede Art von Gesetzen zu verzichten, ist ohnehin eine nicht umsetzbare Utopie, unter der als erstes wir Arbeiter:innen selbst leiden würden: Armut, Rassismus und Unterdrückung aufgrund des Geschlechts werden selbst nach der Überwindung des Kapitalismus noch lange in unseren Köpfen fortleben. An die Stelle von Polizei, die ein Unterdrückungsinstrument ist, könnte dann aber eine Institution treten, mit der die Menschen die Einhaltung ihrer eigenen Regeln sicherstellen und die demokratisch kontrolliert wird.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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