Im Januar wird die Pflicht für überschuldete Unternehmen, ihre Pleiten anzuzeigen, wieder eingesetzt. Damit wird eine Insolvenzwelle immer wahrscheinlicher. Gleichzeitig führt der Staat das neue Konzept der „Restrukturierung“ ein. Dieses soll vor allem insolventen Großkonzernen ermöglichen soll sich von Schulden beim Staat zu entledigen und „restrukturiert“ wieder Profite machen zu können. Ein Insolvenzexperte warnt vor Folgen für die Steuerzahlenden.
Mit Beginn der Lockdown-Maßnahmen im März wurde in Deutschland für Unternehmen die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Das bedeutet, dass Unternehmen die überschuldet oder einfach zahlungsunfähig waren, dies nicht mehr bei den Amtsgerichten melden mussten, sondern weiter wirtschaften durften.
Dies hatte einen massiven Rückgang der Insolvenzen zur Folge. Im August diesen Jahres meldeten laut statistischem Bundesamt 35,4% weniger Unternehmen Insolvenz an, als noch im August 2019.
Im Oktober lief diese Maßnahme dann für zahlungsunfähige Unternehmen aus – laut Handelsblatt betrifft das 90 Prozent aller Insolvenzen. Doch noch immer bleibt die Zahl der angemeldeten Insolvenzen niedrig. Im Oktober 2020 wurden rekordverdächtige 45,8% weniger Pleiten gemeldet als im Oktober 2019.
Was sind die Gründe?
Zum einen sind da die vielen Hilfsprogramme der Bundesregierung, die bis teilweise bis weit in das kommende Jahr hinein gelten sollen. Teil davon sind gigantische Stützungsprogramme für große Konzerne – insbesondere Kredite. Bereits 45,4 Milliarden Euro hat die bundeseigene KfW-Bank an Krediten vergeben. Einen Kredit aus dem KfW-Sonderprogramm von maximal 100 Millionen Euro haben schon zwölf Prozent der Mittelständler in Anspruch genommen.
Zum anderen halten die Unterstützungen für kleine und Kleinstunternehmen diese am Leben. Im November und Dezember gab es noch recht großzügige Hilfen in Höhe von 75% des Vorjahresumsatzes. Das soll im Januar nicht mehr so sein. Dann sollen vor allem bei Fixkosten unterstützt werden.
Zuletzt dauert es durchschnittlich bis zu 60 Tage, ehe ein Antrag auf Insolvenz tatsächlich in die Statistik einfließt.
Neue Pleitewelle wahrscheinlich
Ab Januar will Bundesjustitzministerin Christine Lambrecht (SPD) die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht mehr verlängern. Zudem zeigen sich dann die nun angelaufenen Insolvenzen stärker – und auch die Hilfen für den Gastro- und Freizeit-Bereich gehen zurück.
Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), rechnet 2021 mit einem Anstieg der Firmeninsolvenzen um 20 bis 30 Prozent.
Um möglichst viele Unternehmen am Leben zu erhalten setzt das SPD-geführte Bundesjustizministerin deshalb auf eine ein neues Instrument, welches Bereits eine EU-Richtlinie umsetzen soll, die bereits im Juli 2019 – also vor dem starken Wirtschaftseinbruch – in Kraft getreten war.
Restrukturierung auf Kosten der Steuerzahlenden
Mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) wird ein neuer Weg der „Restrukturierung“ für das Unternehmen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eingeführt. Damit soll ein Unternehmen neu aufgestellt werden, sich jedoch auch Zahlungsverpflichtungen entledigen.
„Es wird ein sehr komplexes Verfahren, das nur für große Unternehmen überhaupt infrage kommt“, meint dazu Lucas Flöther, der sich unter anderem als Insolvenzverwalter von Air Berlin einen Namen gemacht hat. „Aber für kleinere und mittlere Unternehmen ist das kaum zu gebrauchen.“
Flöther ist auch Sprecher des Gravenbrucher Kreises ist, in dem Deutschlands führende Insolvenzverwalter und Restrukturierungsexperten zusammengeschlossen sind. Er meint: das neue Instrument sei gerade aus Steuerzahlendensicht „sehr bedenklich“.
Unternehmen könnten zuerst „staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und sich dann auf Basis des neuen Gesetzes von diesen Verbindlichkeiten kurzfristig ohne die Konsequenzen einer Insolvenz wieder befreien“, so Flöther
Im Klartext: der Staat hätte nur das Geld der Steuerzahlenden verschenkt und sieht davon nichts wieder – aufgrund einer Restrukturierungsmöglichkeit, die er selbst eingeführt hat. Damit wird wahrscheinlich, dass die ursprünglich als Kredite ausgegebenen KfW-Hilfen als Steuergeschenke bei Großunternehmen landen.