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Dienstag, April 23, 2024
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    Der Freizeitlockdown geht in die nächste, verschärfte Runde

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    Gestern tagten die Bundeskanzlerin und Regierungschef:innen der Länder gemeinsam, um über die Verlängerungen der pandemiebedingten Maßnahmen zu beraten. Am Abend folgten dann die Beschlüsse: Die Verbote werden verlängert und verschärft. Erneut appellieren diese vor allem an die Bevölkerung als Individuen, dringend notwendige Maßnahmen wie verpflichtende Schließungen von Betrieben bei vollem Lohnausgleich bleiben hingegen aus. Warum dieses Vorgehen nicht nur problematisch sondern auch gefährlich ist, dazu ein Kommentar von Tabea Karlo.

    Am Dienstag, den 05. Januar tagte die Bundeskanzlerin gemeinsam mit den Regierungschef:innen per Videokonferenz. Erneut wurden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie diskutiert und teilweise deren Verschärfung beschlossen. Nicht alle dieser Verschärfungen versprechen wirklich eine Eindämmung des Virus und wichtige Maßnahmen, zum Beispiel die Zwangsschließung großer Betriebe bei gleichzeitiger Sicherung des Einkommens der Arbeiter:innen, sucht man im Papier vergebens.

    Alle bisherigen Maßnahmen, die auf gemeinsamen Beschlüssen der Konferenz im Dezember beruhen, bleiben nun statt bis zum 10. mindestens bis zum 31. Januar bestehen. Am 25. Januar werden sich die Bundeskanzlerin und Regierungschef:innen erneut beraten, um das weitere Vorgehen ab dem 1. Februar zu beschließen.

    Private Treffen noch weiter eingeschränkt

    Private Zusammenkünfte werden weiter eingeschränkt: zusätzlich zu Angehörigen des eigenen Hausstands darf nun maximal eine weitere, nicht im Haushalt lebende, Person an einem Treffen teilnehmen. In Landkreisen mit einem 7-Tage-Inzidenzwert über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen können weitere lokale Maßnahmen beschlossen werden, darunter fällt insbesondere die Einschränkung des Bewegungsradius’ auf 15 Kilometer um den Wohnort.

    Maßnahmen wie diese werden seit Beginn der Pandemie kritisiert, denn ihr Fokus liegt vollkommen falsch. Ein Großteil der Menschen steckt sich an seinem Arbeitsplatz an. Ihnen bleibt allerdings nicht die Wahl, zu Hause zu bleiben um ihre Gesundheit zu schützen: selbst nicht notwendige Unternehmen möchten weiter Profit erwirtschaften und halten deshalb die Betriebe offen. Dem wird weiterhin kein Riegel vorgeschoben, sondern das höchste der Gefühle ist eine „dringende Bitte“ der Bundesregierung, großzügige Home-Office-Möglichkeiten zu schaffen. Statt anzuerkennen und umsetzen, dass die Pandemie nur effektiv eingedämmt werden kann, wenn man die Ansammlungen vieler Menschen am Arbeitsplatz verhindert, wird die Verantwortung auf die individuellen Arbeiter:innen verschoben. Plötzlich liegt das Schicksal der Pandemie in ihren Händen.

    In Konsequenz dieser absoluten Fixierung auf individuelles Freizeitverhalten werden private Zusammenkünfte aufs Minimalste herunter geschraubt, ohne jedoch Infektionsherde wie Großraumbüros, Fabrikhallen oder den überfüllten Öffentlichen Nahverkehr einzudämmen. Es entsteht der Widerspruch, dass man Arbeitskolleg:innen genau acht Stunden am Tag auf engstem Raum sehen darf, dann aber ab Verlassen des Arbeitsplatzes bereits auf dem Weg zum Bus vermeiden muss, mit ihnen gemeinsam zu gehen um kein Bußgeld zu riskieren. Infektionsschutztechnisch würde genau das keinen Unterschied machen, dabei allerdings die Psyche der Arbeiter:innen enorm entlasten, die sonst kaum die Möglichkeit haben jemanden zu treffen und sich auszutauschen.

    Zusätzlich dazu wird eine Pflege oder Entlastung älter Menschen durch Privatpersonen durch die 15-Kilometer-Regelung enorm erschwert, diese müssen sich dann wieder vermehrt selbst Risiken aussetzen um einkaufen oder zur Apotheke gehen zu können. Zu begrüßen sind in diesem Zusammenhang zumindest die Beschlüsse in Bezug auf Pflege- und Altenheime. Bis zum 1. Februar sollen in etwa vier Millionen Impfdosen in Deutschland ausgeliefert werden können, was bedeutet, dass man bis spätestens Mitte Februar allen Bewohner:innen stationärer Pflegeeinrichtungen ein Impfangebot machen kann. Zusätzlich soll es in Pflege- und Altenheimen vermehrt Schnelltests für Personal und Besucher:innen aus Regionen mit erhöhtem Inzidenzwert geben. Bedauerlich ist daran, dass bei der Durchführung der Tests auf Grund von mangelndem Personal vor allem auf Hilfsorganisationen und Freiwillige gesetzt werden muss. An dieser Stelle müsste eigentlich ein höherer Pflegeschlüssel, so wie eine höhere Vergütung für Pflegekräfte beschlossen werden.

    Betriebe als Infektionsherde werden ignoriert

    In den neuen Maßnahmen wird darüber hinaus festgelegt, dass Betriebskantinen geschlossen werden sollen, wo auch immer Arbeitsabläufe dies zulassen. Zulässig bleibt allein der Verkauf von mitnahmefähigen Speisen und Getränken. Das kann – bei aller Liebe – nur noch als Pseudomaßnahme bezeichnet werden. Es wird indirekt eingestanden, dass Betriebe große Infektionsherde sind. Anstatt die Konzerne jedoch zur Schließung zu zwingen, entscheidet man sich dann lieber, einfach den Arbeiter:innen das gemeinsame Mittagessen zu streichen, und damit soll das Problem gelöst sein.

    Zur Forderung von Betriebsschließungen bleibt zu sagen, dass diese sich natürlich nur auf nicht relevante Betriebe bezieht und niemals auf Kosten der Arbeiter:innen gehen darf. Sollte sie sich durchsetzen, dann darf dies also nur in Verbindung mit einem vollen Lohnausgleich geschehen. Für viele Großkonzerne dürfte dies auf Grund der ohnehin ausgezahlten staatlichen Subventionierung zusammen mit dem Privatvermögen ihrer Inhaber:innen kein Problem sein.

    Ein weiterer Beschluss steht im Zusammenhang mit der Fortsetzung der bereits im Dezember beschlossenen Schulmaßnahmen. Das führt dazu, dass das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 für 10 zusätzliche Tage pro Elternteil bzw. 20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende gewährt wird. Dieser Anspruch soll nämlich auch für den Fall gelten, dass auf Grund der Pandemie Schulen und Kindergärten, bzw. Klassen oder Gruppen, geschlossen werden und deshalb Kinder zu Hause betreut werden müssen. Diese Maßnahme wird Eltern das Leben objektiv ein wenig erleichtern, ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn sollten Schulen oder Kitas während des gesamten Pandemie-Verlaufs 2021 länger als insgesamt 20 Tage geschlossen werden, dann sind Eltern wieder auf sich allein gestellt.

    Für Einreisende oder Rückkehrer:innen aus Risikogebieten wurde zusätzlich zur zehntägigen Quarantäne-Pflicht, die bei einem negativen Testergebnis – frühestens am fünften Tag der Quarantäne erhoben –  verkürzt werden kann, außerdem eine Testpflicht bei Einreise eingeführt. Dieser Test muss entweder binnen 48 Stunden vor der Anreise oder unmittelbar nach Einreise stattfinden. Um eine Verbreitung der neuen Mutationen zu vermeiden, soll bei nicht vermeidbaren Einreisen aus Gebieten, in denen diese nachgewiesen wurden, die Einhaltung der besonderen Einreisebeschränkung durch die Bundespolizei kontrolliert werden. Die Länder sollen sicher stellen, dass in solchen Fällen die Kontrolle der Quarantäne mit besonderer Priorität vorgenommen wird.

    Zusammengefasst führen die zusätzlich beschlossenen Maßnahmen die Politik fort, die seit Monaten gemacht wird – eine Politik, die den Konzernen möglichst wenige bis keine Beschränkungen zumutet, der Bevölkerung hingegen dafür umso mehr. Die Bundesregierung setzt somit gemeinsam mit den Unternehmen alles auf eine Karte und gefährdet dadurch die Gesundheit ihrer Gesamtbevölkerung. Um die Pandemie schnellstmöglich einzudämmen und Menschenleben zu retten, müssen jedoch endlich effektive Maßnahmen ergriffen werden, die nicht die Arbeiter:innen belasten, sondern die einer Marktwirtschaft, die Profite vor die Gesundheit stellt, einen Riegel vorschieben.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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