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Dienstag, April 16, 2024
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    Bahn will Lohnverzicht mit Tarifeinheitsgesetz durchsetzen

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    Der Konflikt zwischen der Deutschen Bahn (DB) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GdL) schaukelt sich zunehmend hoch. Mithilfe des Tarifeinheitsgesetzes will die Bahn auch bei den Mitgliedern der GdL Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen. Die DB gibt sich öffentlich kompromissbereit, die GdL sieht sich hingegen in ihrer Existenz bedroht.

    Nach dem Willen der Bahn soll ab März erstmalig das Tarifeinheitsgesetz in 71 ihrer Teilbetriebe, in denen bisher konkurrierende Tarifverträge Anwendung fanden, umgesetzt werden. Das Tarifeinheitsgesetz war schon 2015 beschlossen worden. Es sieht vor, dass in einem Betrieb zukünftig nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gültig ist.

    In vielen Betrieben stellt dies auf den ersten Blick kein besonderes Problem dar, da sowieso eine Gewerkschaft die überwältigende Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten vertritt. Die DB aber gehört zu den Betrieben, wo es anders ist, denn neben der mitgliederstärkeren EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) ist dort die GdL aktiv, die sich ursprünglich vor allem auf die Organisierung von Lokführer:innen konzentriert hatte und in den letzten Jahren ihre Zielgruppe Schritt für Schritt ausgeweitet hat.

    Dennoch konnte die GdL 2015 das Tarifeinheitsgesetz nicht verhindern, sondern lediglich einen Kompromiss aushandeln, der die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes bis zum 28. Februar 2021 ausschloss. Genau diese Regelung läuft also demnächst aus.

    Die Bahn strebt nun an, dass ein unabhängiger Notar Mitgliederlisten beider Gewerkschaften sichtet und dann mitteilt, in welcher Unternehmensgliederung jeweils welche Gewerkschaft mehr Mitglieder vertritt.

    Zwar lässt die GdL-Führung immer wieder ihre Muskeln spielen und verweist darauf, dass man in den letzten Jahren massiv an Mitgliedern gewonnen habe – selbst in Bereichen, die vorher nicht zum eigenen Kernklientel gehörten. Sollte jedoch die EVG weiterhin in vielen Teilen des Unternehmens mehr Mitglieder haben als die GdL, wären die Folgen für die GdL gravierend.

    Wenig überraschend werten die Funktionäre der GdL dies als existenzielle Bedrohung für sich selbst, aber auch für ihre Gewerkschaft. Es sei z.B. rechtlich unklar, ob die GdL überhaupt weiter zu Streiks aufrufen dürfte, wenn dadurch kein gültiger Tarifvertrag zustande kommen würde. Ein wichtiges Argument bei der Mitgliederwerbung – nämlich ein anderer Tarifvertrag als der der EVG – würde auf jeden Fall wegfallen.

    Die Deutsche Bahn wäscht dabei in der Öffentlichkeit ihre Hände in Unschuld und behauptet, man sei weiterhin zu Verhandlungen über ein Nebeneinander-Bestehen beider Gewerkschaften bereit. Nur die Konkurrenzgewerkschaft EVG fordert offensiv die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes ein.

    Liest man allerdings eine Hausmitteilung der DB, die Perspektive vorliegt, setzt sich schnell der Eindruck durch, dass auch die Bahn selbst ein starkes Interesse daran hat, sich die GdL als Verhandlungspartner vom Leib zu schaffen. Ihr wird ebenso eine Blockadehaltung vorgeworfen wie eine Verweigerungshaltung, dem sogenannten „Bündnis für unsere Bahn“ beizutreten. Letzteres hatte die EVG getan und damit eine enorm schwaches Lohnergebnis von 1,5% über zwei Jahre – also eine Reallohnsenkung – akzeptiert.

    Dieser Abschluss würde in allen Teilbetrieben der Bahn, in denen das Tarifeinheitsgesetz zugunsten der EVG angewendet würde, dann für alle Beschäftigten zur Anwendung kommen. Trilaterale Verhandlungen mit DB und GdL lehnt die EVG offen ab und fordert die Umsetzung des Tarifeinheitsgesetzes.

    Auch wenn die Deutsche Bahn tatsächlich zu Verhandlungen mit der GdL bereit wäre, macht sie offenbar ein inhaltliches Abrücken von ernsthaften Forderungen zur Vorbedingung hierfür, andernfalls droht sie mit der Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes.

    Perspektivisch zieht durch die Anwendung und Festigung des Tarifeinheitsgesetzes eine Einschränkung des Grundrechts auf gewerkschaftliche Organisierung herauf: durch dieses Gesetz wird es massiv erschwert, eine neue Gewerkschaft zu gründen und erfolgreiche Kämpfe zu führen, gerade in solchen Betrieben, in denen es schon etablierte große Gewerkschaften gibt.

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