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Freitag, April 26, 2024
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    Corona-Pandemie: Afrika kommt nicht an Impfstoffe

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    In den großen imperialistischen Staaten befinden sich die Impfkampagnen gegen Corona im vollen Gang. Währenddessen sind die meisten afrikanischen Länder noch von jeglicher Versorgung mit Impfstoffen abgeschnitten. Ein Kommentator der Deutschen Welle rügt die westlichen Staaten derweil, dass sie die Impffrage nicht genutzt haben, um „mehr Einfluss auf Afrika“ zu gewinnen. Ein Kommentar von Thomas Stark.

    Die Zahl, die der Epidemiologe Maximilian Gertler Ende Januar in einem Meinungsbeitrag auf welt.de anführte, sprach Bände: 25 Menschen. So viele hatten zu diesem Zeitpunkt in den ärmsten Ländern der Welt eine Impfung gegen Corona erhalten – gegenüber 40 Millionen in den „wohlhabenderen“ Nationen. Die Zahlen stammten von der Weltgesundheitsorganisation WHO, und alle 25 Impfungen hatten im westafrikanischen Guinea stattgefunden. Dort war nämlich kurz zuvor eine Lieferung des russischen Sputnik-Impfstoffs eingetroffen. Das bedeutet, dass die allermeisten Staaten Afrikas noch gar keinen Zugang zu irgendwelchen Corona-Impfstoffen hatten.

    AstraZeneca-Impfstoff dort, wo er nicht wirkt?

    Auch die Regionalmacht Südafrika kommt kaum an die begehrten Seren. Dort nahm Präsident Ramaphosa in der vergangenen Woche die erste Lieferung von einer Million Impfdosen in Empfang. Weitere 500.000 sollten folgen, was gerade dazu ausreichen würde, die Hälfte des medizinischen Personals im Land zu impfen. Bei dem Impfstoff handelt es sich um das Serum des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca, das deutlich günstiger ist als die Konkurrenzprodukte von BioNTech und Moderna, und dessen Wirksamkeit wohl niedriger liegt. Und zwar ausgerechnet vor allem bei der in Südafrika entdeckten Mutation des Coronavirus. In dem 58-Millionen-Einwohner:innen-Land haben sich nach offiziellen Statistiken bislang 1,5 Millionen Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert. 44.000 sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

    Das Monopol über die Impfstoffversorgung

    Zusammen mit Indien und einer Reihe anderer Staaten verlangt Südafrika, den Patentschutz bei Corona-Impfstoffen aufzuheben. Die Patente liegen nämlich bei den großen Bio- und Pharmakonzernen aus den imperialistischen Staaten. Dass diese freiwillig auf ihr Monopol über die globale Impfstoffversorgung verzichten, dürfte wohl ausgeschlossen sein.

    Impfung als Menschenrecht und kapitalistische Ware

    Erst kürzlich hatten BioNTech und Pfizer angekündigt, dass sie weniger Ampullen ihres Serums an die Besteller-Länder liefern werden, weil aus einem Fläschchen sechs statt fünf Impfungen gezogen werden könnten – ein cleverer Weg, die eigenen Profite noch einmal kräftig zu steigern. Ohne Aufhebung des Patenschutzes haben afrikanische und andere abhängige Länder aber kaum eine Möglichkeit, selbst Impfstoffe herzustellen.

    Ausgefeiltes Finanzierungssystem für Pharmakonzerne

    Dass „ärmere Staaten einen verzögerten Zugang zu Impfungen haben“, musste im Dezember auch die Deutsche Welle in einem Faktencheck einräumen: „Aktuelle Modelle sagen voraus, dass es bis 2023 oder 2024 nicht genügend Impfstoffe geben wird, um die Weltbevölkerung zu versorgen“, zitiert sie das Duke Global Health Innovation Center. Bestätigt wurde die Aussage von einer Managerin der Nichtregierungsorganisation Oxfam.

    Der imperialistische „Ausweg“ aus dieser Lage ist ein eingespieltes System, bei dem „philanthropische“ Stiftungen und Staaten große Geldmengen an Pharmamonopole verschieben, zu denen sie selbst in Verbindung stehen, z.B. als Investoren und Kooperationspartner, oder weil die Firmen in den jeweiligen Staaten sitzen. Ein aktuelles Beispiel ist das Programm COVAX, das von der globalen Impfallianz Gavi, der WHO und der Koalition für Innovationen zur Vorbereitung auf Epidemien (CEPI) geleitet wird.

    COVAX bietet 92 Staaten finanzielle Unterstützung bei der Bestellung von Corona-Impfstoffdosen bestimmter Hersteller an. Diese werden durch Privatspender:innen, Stiftungen sowie 94 „reichere Nationen“ finanziert. Konkret gehört zu den Spender:innen z.B. die vieldiskutierte Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die seit 2019 bei BioNTech investiert hat, und ebenso enge geschäftliche Kooperationen mit Pfizer, CureVac , Bayer und Sanofi unterhält.

    Die EU hat 500 Millionen Euro für COVAX zugesagt, die Bundesrepublik Deutschland 675 Millionen. Das Geld fließt über die armen Länder, die sich erfolgreich um eine Förderung bewerben konnten, zurück an die Konzerne. Das Monopol über die Impfstoffversorgung macht es möglich. Bislang läuft die Finanzierung jedoch noch schleppend. Von den geplanten 7 Milliarden US-Dollar hat COVAX bislang erst 2,1 Milliarden eingesammelt. Deshalb könne es sein, „dass manche armen Länder erst 2024 mit dem Impfen beginnen können“.

    Nicht kolonialistisch genug?

    Ein Kommentator der Deutschen Welle wirft „dem Westen“ angesichts der dramatischen Unterversorgung Afrikas mit Impfstoffen Versagen vor – zieht jedoch bemerkenswerte Schlussfolgerungen. Das Problem scheint Cai Nebe nämlich vor allem darin zu sehen, dass Russland und China die Situation geostrategisch ausnutzen und die Impfstoffe ihrer eigenen Monopole bereits teilweise an Länder Afrikas und Lateinamerikas liefern. Während Guinea das russische Serum Sputnik V nutzt, liefert China seinen Impfstoff Sinopharm bereits an die Seychellen und verhandelt mit zahlreichen weiteren Ländern, wie z.B. Kenia.

    Zum ersten Mal seit dem Fall der Berliner Mauer, so Nebe, konkurriere der Westen „mit anderen Mächten um die Vorherrschaft des politischen und wirtschaftlichen Kurses“ der Welt. Die schnelle Entwicklung von Corona-Impfstoffen hätte dem Westen helfen können, „mehr Einfluss auf Afrika zu gewinnen“. Doch diese Chance sei „komplett vergeigt“ worden.

    Nebes Lageeinschätzung ist richtig und zeigt zugleich die kolonialistische Logik der globalen Corona-Politik auf. Es geht im Imperialismus nicht darum, Menschen vor einer schweren Erkrankung zu schützen oder Ländern zu helfen, in denen Corona-Lockdowns einen kompletten Zusammenbruch der Versorgung mit dem Notwendigsten bedeuten. Es geht stattdessen darum, dass kapitalistische Monopole in diesem System einen Kampf um maximale Profite und den Ausbau ihrer globalen Machtstellung führen. Dazu gehört auch, dass die Stabilisierung der Pandemie-Lage in den imperialistischen Zentren, dem Herz des Systems, absoluten Vorrang hat.

    Ist der Impfstoff knapp, können die abhängigen Staaten sehen, wo sie bleiben. Der „Weg der Solidarität“, den der Epidemiologe Gertler in seinem Welt-Beitrag zurecht einfordert, ist unter diesen Bedingungen versperrt: „Während der Ebola-Epidemie in Westafrika wusste ich in jeder Sekunde, ob entkräftet in der Behandlungsstation oder frustriert angesichts des täglichen Sterbens um mich herum, dass meine mutigen guineischen Kolleginnen und Kollegen im Notfall alles Menschenmögliche unternommen hätten, damit ich sicher nach Hause komme.“. Dieser Weg der Solidarität kann letztlich nur gemeinsam durch die Arbeiter:innen und unterdrückten Völker im Kampf gegen das imperialistische System und durch die revolutionäre Schaffung einer sozialistischen Weltordnung durchgesetzt werden.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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