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Donnerstag, April 25, 2024
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    74 Jahre organisierter Antifaschismus im VVN-BdA: Wie steht es um die Gemeinnützigkeit?

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    „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ – noch immer proklamiert die “Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten” (VVN-BdA) den Schwur von Buchenwald als gemeinnütziges Motto. Im November 2019 jedoch wurde der Verfolgten-Organisation vom Berliner Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt. Der SPD-Finanzsenator schweigt gegenüber den Argumenten der Organisation.

    Heute, vor 74 Jahren, begann der Gründungskongress der Verfolgten-Organisation VVN-BdA. In ihr sammelten sich damals bis heute antifaschistische Widerstandskämpfer, unabhängig von ihrer politischen Gesinnung. Immer wieder wurde jedoch von staatlicher Seite aus versucht, gegen die Organisation vorzugehen.

    Teilweise durften Parteimitglieder nicht gleichzeitig in der VVN-BdA und in einer Partei sein. Auf Nachdruck der Alliierten und unter Führung von Konrad Adenauer (CDU) wurde 1950 eine Mitgliedschaft von Staatsbediensteten in der VVN-BdA ausgeschlossen. Dabei war Konrad Adenauer zuvor selbst Mitglied in der VVN-BdA gewesen.

    Es gab auch Verbotsversuche gegen die Organisation: 1962 wurden die Verhandlungen zu einem Verbot der VVN-BdA jedoch nach zwei Tagen abgebrochen. Grund war, dass dem Vorsitzenden Richter, Fritz Werner, eine Mitgliedschaft in der NSDAP, SA und später als SA-Führer nachgewiesen werden konnte. Aufgrund des medialen Aufschreis im In- und Ausland wurde das Verfahren eingestellt.

    Als Grund für die staatliche Repression wurde häufig angeführt, dass der VVN-BdA  Kommunist:innen in den eigenen Reihen habe. Auschwitz-Überlebende und Ehrenmitglied Esther Bejarano erklärte dazu 2019: „Ja, warum sind denn Kommunisten in diesem Verein? Weil sie die Ersten waren, die von der NSDAP verfolgt worden sind! Viele sind in Gefängnissen und Konzentrationslagern umgebracht worden. Sie gehörten zu den wenigen, die gegen die Nazis gekämpft haben. Natürlich sind Kommunisten im VVN, doch das darf doch nicht der Grund sein, uns die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Was kann gemeinnütziger sein als Antifaschismus? Es ist eine Arbeit für die Gesellschaft.“

    Nicht gemeinnützig?

    Im November 2019 geriet die Organisation erneut unter Beschuss der Politik. Ihr wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt, weswegen immense Steuernachzahlungen seit 2016 drohen.

    Hintergrund ist, dass sie im bayerischen Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch beeinflusste“ Organisation bezeichnet wird. Warum sie allerdings als „linksextremistisch“ gelistet wird, bleibt weiterhin unklar. Ebenso ungeklärt bleibt, ob der bayerische Verfassungsschutz die bundesweite oder die bayerische Landesvereinigung meint.

    Nichtsdestotrotz sind diese Unklarheiten kein Hindernis für das Berliner Finanzamt, die Körperschafts- und Gewerbesteuer bei der VVN-BdA eintreiben zu wollen. Explizit geht es um die Jahre 2016-2019. Das Berliner Finanzamt wird von Matthias Kollatz (SPD) geführt.

    Die VVN-BdA legte Einspruch ein. Obwohl mehrere Politiker:innen sich für die Gemeinnützigkeit einsetzten und die VVN-BdA in einem Gespräch mit der Finanzverwaltung auf die historische und soziale Bedeutsamkeit der Organisation aufmerksam machte, kam bis heute keine Antwort.

    Neben den Steuernachzahlungen ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ein „katastrophales Signal gegen den organisierten Antifaschismus“, wie die Organisation in einer Pressemitteilung schreibt. Außerdem wird es für sie schwieriger werden, öffentliche Räume anzumieten.

    Starke Solidarität

    Häufig führen Nennungen von Organisationen im Verfassungsschutzbericht zu einer massenhaften Austrittswelle aus den Organisation, Gruppen und Parteien. Jüngstes Beispiel ist hierfür die Beobachtung der Partei AfD. Die VVN-BdA kann sich allerdings auf die Solidarität ihrer Genoss:innen verlassen und hat seit der Nennung im bayerischen Verfassungsschutzbericht sogar eine regelrechte Eintrittswelle zu verzeichnen.

    8.000 neue Mitglieder konnten gewonnen werden. Die Organisation ist somit um ein Drittel gewachsen. Viele Landesvereinigungen veranstalteten aufgrund der hohen Nachfragen erstmalig Veranstaltungen, um die neuen Mitglieder willkommen zu heißen.

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