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Donnerstag, April 25, 2024
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    Unsere Interessen mit Streiks durchsetzen

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    Der Streik ist die stärkste Waffe, die wir Arbeiter:innen haben, um unsere Interessen gegenüber unseren direkten Chef:innen, und mit dem politischen Streik bzw. Generalstreik auch gegenüber dem Staat, der Regierung oder der gesamten herrschenden Klasse durchzusetzen. – Ein Kommentar von Kevin Hoffmann

    Oft fühlen wir uns einsam und hilflos gegenüber unseren Chef:innen und ihren neusten Schweinereien, gegenüber neuen Gesetzen, die uns das Leben schwer machen, oder wir haben einfach eine grundlegend andere Vision einer wirklich gerechten und solidarischen Gesellschaft. Für all diese Fälle kann ein erfolgreicher Streik ein wichtiges Mittel sein, um Situationen zu ändern und die Durchsetzung unserer Interessen selbst in die Hand zu nehmen.

    Bereits in der Hymne des “Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins” von 1863 heißt es: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ An dieser so einfachen wie wirksamen Feststellung hat sich bis heute nichts geändert. Mit dem Kampfmittel des Streiks können wir alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens stilllegen und die Interessen von uns Arbeiter:innen auch gegen die noch so mächtigen und reichen Konzerne oder die aktuell herrschende bürgerliche Regierung durchsetzen. Oft dürfte so ein Streik als nicht legal angesehen werden, legitim ist er aber allemal!

    Wer darf wann streiken?

    Zunächst einmal gibt es in Deutschland kein gesetzlich festgeschriebenes Streikrecht. Der Artikel 9 des Grundgesetzes garantiert jedoch das Recht, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“. Aus dieser sogenannten Koalitionsfreiheit leitet sich auch das grundsätzliche Recht auf Streiks ab. Ansonsten ist das Streikrecht sogenanntes „Richter-Recht“ – das heißt, es setzt sich aus den Gerichtsurteilen zusammen, die im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen bereits getroffen wurden.

    Ein Streik ist demnach nur dann rechtlich zulässig, wenn er von einer Gewerkschaft im Rahmen laufender Tarifverhandlungen geführt wird. Gestreikt werden darf also nur für „tariffähige“ Anliegen wie Löhne, Alterssicherung usw., im Grundsatz aber nicht etwa gegen eine Betriebsschließung, aus Solidarität mit anderen Streikenden oder für ein politisches Anliegen. Während der Laufzeit eines Tarifvertrags gilt die sogenannte „Friedenspflicht“, in der grundsätzlich nicht gestreikt werden darf. Darüber hinaus müssen Streiks „verhältnismäßig“ sein und dürfen in Arbeitskämpfen nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Alles in allem gibt es in Deutschland also real nur ein sehr stark eingeschränktes Streikrecht.

    Dann halt „wilde Streiks“!

    Unter „wilden Streiks“ versteht man alle Arbeitsniederlegungen, die sich nicht an die oben beschriebene, enge Eingrenzung halten, die von den Gerichten bisher zugelassen wird. Immer wieder zeigen die Arbeiter:innen jedoch auch, dass diese engen Grenzen sehr einfach gesprengt werden können. Beispiele gibt es dafür zahlreiche, von über zig Tage anhaltenden Betriebsversammlungen, während derer nicht gearbeitet wird, bis hin zu den spontanen Arbeitsverweigerungen und Blockaden der Auslieferung von Waren durch die Gorillas-Arbeiter:innen in den vergangenen Wochen in Berlin.

    Das Einfache, was schwer zu machen ist

    Überall dort, wo die Belegschaften kleiner und großer Betriebe gut vernetzt sind, zusammenstehen und die gemeinsamen Interessen, für die gekämpft wird, fest im Auge behalten, kann der Streik sich zu der mächtigen Waffe entwickeln, die er ist. Er kann von uns im Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, ja, als politischer Streik auch für die grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft eingesetzt werden.

    Voraussetzung für eine starke Streikbewegung ist und bleibt die Einbindung und Beteiligung möglichst vieler Arbeiter:innen. Denn gegen eine geschlossen streikende Belegschaft und erst recht gegen eine gemeinsam kämpfende Arbeiter:innenklasse kann kein bürgerliches Gericht, keine Polizei und kein Konzern etwas Wirksames entgegensetzen. Dann können wir unsere Interessen durchsetzen und so unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.

    • Autor bei Perspektive seit 2017 und Teil der Print-Redaktion. Freier Autor u.a. bei „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“

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