Der „Revolutionäre 1. Mai“ in Berlin hat eine lange Tradition. Um diese zu durchkreuzen, wurden in diesem Jahr alle Register gezogen, wirft das organisierende Bündnis dem Bezirksamt Neukölln vor. Das Bezirksamt hatte kurzfristig mehrere Straßenfeste organsiert, die genau die Route des Bündnisses blockieren.
„Das Bezirksamt Neukölln hat kurzfristig mehrere Straßenfeste organisiert, um die geplante Route der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration zu blockieren. Die Veranstaltungen des Bezirks sind nicht in der Bevölkerung Neuköllns verankert. Sie wurden an der BVV vorbei, maßgeblich von Bezirksbürgermeister Martin Hikel, organisiert. Sie behindern eine traditionsreiche, große und politisch vielfältige Demonstration und schränken damit das Versammlungsrecht ein.“, erklärt das Bündnis Revolutionärer 1. Mai Berlin in einer Pressemitteilung.
Die erste Veranstaltung ist ein öffentliches Fastenbrechen auf der Sonnenallee. Das Bündnis widerspricht Hikel, der erklärt: „Die Idee wird mit Organisationen unserer muslimischen Bevölkerung gemeinsam vorbereitet und umgesetzt und erfährt großen Zuspruch.“. Tatsächlich aber geht die Veranstaltung vom Deutsch-Arabischen Zentrum in evangelischer Trägerschaft aus.
Instrumentalisierung des Fastenbrechens
Die Bündnissprecherin der Demonstration, Aicha Jamal, nimmt Stellung: „Es ist ein Skandal und eine Unverschämtheit, wie von staatlichen Behörden das Fastenbrechen instrumentalisiert und unsere Demonstration dadurch eingeschränkt wird. Es ist lächerlich, dass ausgerechnet Martin Hikel, der mit seiner Politik der Razzien gegen migrantisches Gewerbe für Rassismus und Stigmatisierung von Migrant:innen verantwortlich ist, sich am 1. Mai als weltoffen und tolerant inszenieren will. Die tatsächliche Ignoranz gegenüber muslimischen Communities auf der Sonnenallee und dass es sich bei der Veranstaltung ausschließlich um einen Versuch handelt, die Durchführung der Demonstration zu behindern, zeigen sich ebenfalls daran, dass das Fastenbrechen bereits um 19 Uhr und nicht zum Sonnenuntergang um 20:33 Uhr angesetzt worden ist.“
Eine weitere Veranstaltung vom Bezirk ist der Flohmarkt und das Konzert am Hermannplatz, die vom Verein Spotlight organisiert werden. Laut Bezirksbürgermeister Hikel werden: „(…) sich Neuköllner Akteure der Öffentlichkeit präsentieren, die seit Jahren mit Herzblut und Kraft dem Personenkreis zur Seite stehen, der seine Heimat wegen Krieg und Verfolgung verlassen musste.“ Spotlight ist Partner von Immobilienunternehmen wie Signa und Ziegert.
Dazu Bündnissprecher Martin Suchanek: „René Benko ist nicht nur ein milliardenschwerer Immobilienmogul mit Verbindungen in extrem rechte Kreise, ihm gehört auch die Signa Firma, die sich mit Herzblut für die Verdrängung armer Bevölkerungsteile aus Neukölln einsetzt. Sie planen Luxusbauten am Hermannplatz, gegen die verschiedene Initiativen in Neukölln seit langem protestieren. Dass diese Akteure jetzt auch noch für eine Behinderung unserer Demo-Route instrumentalisiert werden, ist perfide und undemokratisch, da durch derartige Veranstaltungen unser Recht auf Versammlung beschnitten werden soll.“
Inhaltliche Seitenhiebe des Bezirksamts
Darüber hinaus sieht sich das Bündnis auch mit inhaltlichen Vorwürfen konfrontiert. Christian Berg, der Pressesprecher des Bezirksamts stellte die Feste als Alternative zu den Demonstrationen vor und erklärte, dass „mit den Veranstaltungen am 1. Mai gezeigt werden soll, dass Neukölln gerade kein Ort für Gewalt und Antisemitismus ist.“.
Diesem impliziten Vorwurf des Antisemitismus setzt das Bündnis einen Verweis auf die eigene politische Praxis entgegen: „Das beste Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus war die Spitze der letztjährigen Revolutionären 1.-Mai-Demonstration, in der palästinensische und jüdische Aktivist:innen Seite an Seite gegen Diskriminierung und Unterdrückung protestierten. Es waren im Besonderen diese Aktivist:innen, die von Polizeigewalt betroffen waren. Herrn Bergs Verleumdung der Demonstration und seine Rechtfertigung der letztjährigen Polizeigewalt ist zynisch. Es ist auch der Versuch, progressive Jüd:innen und Palästinenser:innen in Berlin mundtot zu machen.“, erklärt Aicha Jamal.
Organisator:innen rechnen mit Behinderung seitens der Polizei
Mit Blick auf die gezwungenermaßen geänderte Route äußern die Organisator:innen Bedenken: „Im vergangenen Jahr ging die Gewalt am 1. Mai von der Berliner Polizei aus, die unsere Demonstration brutal angegriffen und aufgelöst hat. Ähnliches ist auch in diesem Jahr zu befürchten; es werden für Sonntag über 5000 gewaltbereite Polizist:innen in der Stadt zusammengezogen, um gemeinsam mit dem Bezirksamt einen als Straßenfest getarnten Polizeikessel aufzubauen. Wir sehen insbesondere in der Verlegung der Route durch kleinere Straßen, wie beispielsweise die Weserstraße, die Gefahr, dass die Polizei die Demonstration an dieser Stelle – vorsätzlicherweise – angreifen und auflösen könnte.“
Doch ebenso, wie das Bündnis die Demonstration den Bedingungen der Corona-Pandemie angepasst hat, wollen die Organisator:innen auch in diesem Jahr zeigen: „Unser Ziel in diesem Jahr ist es, gemeinsam vom Hertzbergplatz zum Oranienplatz zu ziehen. Wir werden uns nicht spalten lassen.“ Die Demonstration soll mit einer Auftaktkundgebung um 16:30 Uhr am Hertzbergplatz starten.
Eine Übersicht über weitere revolutionäre Aktionen zum 1. Mai findet sich hier: