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Dienstag, März 19, 2024
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    Arbeitskampf im Betrieb: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft

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    Gerade in Zeiten von explodierenden Preisen und einer seit Jahrzehnten nicht mehr dagewesenen Teuerungsrate von bald 10% sind Arbeitskämpfe in den Betrieben die effektivste Maßnahme, um eine dramatische Absenkung des Lebensstandards zu verhindern. Doch wie müssen solche Arbeitskämpfe aussehen? – Ein Kommentar von Kevin Hoffmann

    Die Tarifverhandlungen des Frühjahrs im Sozial- und Erziehungsdienst und auch die am 1. Mai gestarteten Tarifauseinandersetzungen an den Unikliniken in NRW zeigen, dass die Kapitalverbände ohne Streiks gar nicht erst zu Verhandlungen bereit waren. Auch legten sie so gar keine eigenen Angebote für die geforderten Verbesserungen vor, sondern lehnten diese komplett ab.

    Nicht umsonst hat selbst das Bundesarbeitsgericht, das sicher nicht für seine Freundlichkeit gegenüber Arbeiter:innen bekannt ist, bereits 1980 festgestellt: „Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik wären nicht mehr als kollektives Betteln“.

    Genau das mussten auch die Arbeiter:innen im Sozial- und Erziehungdienst und an den Unikliniken feststellen. Alle Appelle und Ultimaten wurden ignoriert, bis die Beschäftigten die Arbeit niederlegten und für ihre berechtigten Forderungen streikten.

    Wessen Forderungen? Welche Ergebnisse?

    Doch wer entscheidet eigentlich über die Forderungen, für die gestreikt wird und ob die Zugeständnisse der Kapitalverbände angenommen werden? In der Regel sind dies leider nicht die betroffenen Beschäftigten, die diese Ergebnisse durch ihren ökonomischen Druck erstreiken, sondern hauptamtliche Gewerkschaftssekretär:innen, die sich als „Sozialpartner“ der Kapitalisten verstehen und es sich mit ihnen am liebsten nicht zu sehr verscherzen wollen.

    Besonders deutlich konnte man dies bei den aktuellen Verhandlungen der Stahlindustrie sehen. Nach einer einzigen Runde von Warnstreiks stimmten die hauptamtlichen Verhandler:innen der IG Metall einem faulen Kompromiss bzw. „Interessenausgleich“ zu, der für deutliche Reallohnsenkungen sorgt.

    Stolz pries der IG Metall-Bezirksleiter in NRW, Knut Giesler, das Ergebnis als die „höchste prozentuale Erhöhung in der Stahlindustrie seit 30 Jahren“. Was er verschweigt: die Inflation ist derzeit auf dem höchsten Stand seit 50 Jahren und der verhandelte „Erfolg“ damit real eine herbe Niederlage ist.

    Mithilfe sogenannter „Vertrauensmänner“ oder „Tarifbotschafter“ sollen die von den Gewerkschaften als „realistisch“ eingeschätzten Forderungen und Verhandlungsergebnisse den Beschäftigten vermittelt und als deren eigene verkauft werden. Diese Forderungen berücksichtigen aber eben nicht allein die Interessen der Arbeiter:innen, sondern die beider „Tarifpartner“.

    Arbeitskampf statt ritualisierte Tarifrunden

    Der Arbeitskampf gehört jedoch nicht in die Hände von irgendwelchen Gewerkschaftsfunktionär:innen, die diese stellvertretend für die Arbeiter:innen führen, sondern muss von Anfang bis Ende durch die Arbeiter:innen selbst geführt werden.

    Von der Aufstellung der Forderungen, über die Streikleitung bis hin zu den Verhandlungen müssen die betroffenen Arbeiter:innen diese selbst führen. Dazu gehört die größtmögliche Einbindung der Belegschaften durch Streikkonferenzen in allen Phasen des Arbeitskampfes.

    Die breite Beteiligung von hunderten Kolleg:innen an den Verhandlungskommissionen und an den Streikdelegiertenkonferenzen im Tarifkampf an den Unikliniken in NRW ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit die Streiks aber nicht immer wieder zu faulen Kompromissen und Nullrunden führen, müssen sie direkt durch die Arbeiter:innen verhandelt werden. Nur so kann die vorherrschende Sozialpartnerschaft durch Klassenkampf ersetzt werden.

    • Autor bei Perspektive seit 2017 und Teil der Print-Redaktion. Freier Autor u.a. bei „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“

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