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Mittwoch, Oktober 16, 2024
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    Was bringt uns das 49€-Ticket?

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    Bei der Verkehrsministerkonferenz haben sich Bund und Länder auf einen Nachfolger für das beliebte 9€-Ticket geeinigt. Gültig werden soll diese neue „Entlastung“ voraussichtlich Anfang 2023. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen Tropfen auf den heißen Stein. Allein ein kostenloser ÖPNV könnte die Arbeiter:innen fühlbar entlasten. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko

    Zuallererst: Auch das 49€-Ticket ist noch nicht unter Dach und Fach. Die Ministerpräsidentenkonferenz, bestehend aus den Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung, wird sich darüber bei einer Konferenz vom 19. -21. Oktober beraten. Anschließend muss der Gesetzesvorschlag noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

    Besonders heikel ist bisher noch die Frage der Finanzierung. Da es sich dabei um eine bundesweit einheitliche Preissenkung handeln würde, wäre diese aus Sicht der Verkehrsbetriebe eine Profit-Minderung. Sie sind also nur dazu bereit, wenn Bund und Länder sie mit Steuergeld gegenfinanzieren.

    Dafür hat der Bund bisher 1,5 Milliarden Euro versprochen, sofern die Bundesländer ihrerseits jeweils die gleiche Summe beisteuern. Diese wollen das auch tun, verlangen aber im Gegenzug eine weitere Erhöhung der Bundesmittel für die allgemeine Finanzierung des ÖPNV.

    Was dabei herauskommt, ist einerseits, dass private Profite weiterhin mit Steuergeld (also indirekt) von den Arbeiter:innen, Rentner:innen und Studierenden subventioniert werden sollen. Und andererseits, dass – wie bereits gesagt – das Zustandekommen des 49€-Tickets noch gar nicht sicher ist. Was jedoch schon einmal sicher ist: sollte das Ticket kommen, gilt es nur für den lokalen und regionalen Personenverkehr (Bahn, Bus, S-Bahn, Regionalbahn) und nicht für den Fernverkehr (ICE).

    Interessant ist, dass davon gesprochen wird, dass das Ticket keine zeitliche Bindung haben solle. Hiermit würde es sich um eine bundesweite Vereinheitlichung des ÖPNV-Tarifs handeln. Ein großer Fortschritt, sollte er wirklich zustande kommen. Keinen von uns freut es, wenn jeder Landkreis gefühlt seine eigene Tarifzone hat, bei der wir extra draufzahlen müssen. Der Haken ist aber folgender: Zwar soll das Ticket langfristig gelten, der Preis von 49€ hingegen soll (aktuell nach 2 Jahren) nach oben korrigiert werden dürfen. Eine dauerhafte Entlastung scheint also eher fragwürdig.

    Uns die Verantwortung für unsere Armut zuschieben

    Eine Erleichterung stellt die Einführung eines einheitlichen 49€-Tickets sicherlich für viele Menschen dar, die ohnehin auf den ÖPNV angewiesen sind. Ärgerlich dabei ist jedoch, dass die Regierung sich rühmt, hier eine Entlastungsmaßnahme einzuführen, weil alle Preise um uns herum durch die Decke gehen.

    Statt das 49€-Ticket zu bejubeln, sollten wir uns vielmehr fragen, was der Staat und die Unternehmen nicht bereit sind, zu tun. Beispielsweise liegen die Lohnerhöhungen (wenn es sie überhaupt gibt) praktisch überall weit unter der Teuerungsrate. Wenn es uns unter diesen Bedingungen zukünftig einfach zu teuer wird, täglich über 80 km mit dem Auto zur Arbeit zu pendeln, dann können wir nach der Logik der Regierung ja einfach auf den ÖPNV umsteigen, oder? Und wenn der ÖPNV an unserem Wohnort quasi nicht vorhanden ist, weil wir auf einem Land leben? Dann müssen wir eben mal ein bisschen früher aufstehen.

    Hinter der Strategie, das 49€-Ticket als “Entlastungsmaßnahme” zu verkaufen, steht also die Haltung, dass wer Geldprobleme hat, sich ja in überfüllte Züge, die ständig ausfallen oder unregelmäßig fahren, zwängen kann. Klar, dabei geht ein bisschen Lebenszeit und Lebensqualität flöten, aber sicherlich ist es immer noch billiger, als die explodierenden Spritkosten zu zahlen.

    Wie sieht eine echte Entlastung im ÖPNV aus?

    Diese Problematik stellt sich vielen Arbeiter:innen: Mit den steigenden Benzinpreisen werden immer mehr Menschen beim Weg zur Arbeit auf den ÖPNV angewiesen sein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser in den meisten ländlichen Regionen sehr zu wünschen übrig lässt. Doch auch in den Groß- und Kleinstädten sind Bus und Bahn alles andere als gut in Schuss.

    Wie bei jeder ökonomischen Frage muss geklärt werden, wer davon profitiert. Wem nützt was? Wir können klar sagen, ein Verkehrsnetzwerk (ob nun staatlich oder privat), das zersplittert ist, also in dem jeder Ortskreis seinen eigenen Tarif hat, ist schlecht für uns Arbeiter:innen. Insoweit ist eine bundesweite Vereinheitlichung zu begrüßen.

    Gleichzeitig müssen wir sehen, dass die Verkehrsunternehmen des ÖPNV massig Profite mit unserem Grundbedürfnis an Mobilität schachern. In unserem Sinne kann also nur ein kostenloser Öffentlicher Personennahverkehr sein. Profite und Vermögen gibt es in Milliardenhöhe, bei Krisengewinnlern und Monopolkonzernen, die von unserer Arbeit und Subventionen aus unserem Steuergeld leben. Sinnvoll wäre es, den Spieß einfach mal umzudrehen: Für den kostenlosen ÖPNV die Krisengewinnler zur Kasse bitten!

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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