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Montag, April 29, 2024
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    Wohnungsbau in der Krise

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    Etwa 70 Prozent der geplanten Bauvorhaben stehen vor dem Aus. Grund dafür sind steigende Preise, Zinsen und die geringe Förderung für den sozialen Wohnungsbau. Die Mietpreisexplosion könnte weitergehen.

    Nicht nur in Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München sind hohe Mietpreise ein Problem. Die Bundesregierung gab an, mit jährlich 400.000 neu gebauten Wohnungen gegen die Mietexplosion kämpfen zu wollen, doch nun droht das Vorhaben schon auf der Startlinie zu platzen.

    Grund für die angespannte Lage sind unter anderem die Teuerungen bei Baumaterialien und Energie. Der “Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen” (GdW) rechnet damit, dass zehntausende neue Mietwohnungen nicht wie geplant gebaut werden könnten.

    Im GdW sind öffentliche, genossenschaftliche und kirchliche sowie private Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen. Sie verfügen über einen Bestand von etwa 6 Millionen Wohnungen in Deutschland, was etwa 30% aller Mietwohnungen entspricht.

    Bei einer internen Umfrage des GdW stellte der Verband fest, dass etwa 70% aller geplanten Projekte entweder komplett abgesagt oder zumindest für längere Zeit auf Eis gelegt würden. Das berichtete der GdW-Präsident Axel Gedaschko der Augsburger Allgemeinen. Das sei ein „brutaler Stopp, aber mit Ansage“.

    Der Stopp würde sich erst nach einer Verzögerung bemerkbar machen. Zunächst werde noch gebaut, was in der Pipeline sei. „Und dann wird es immer weniger werden. Es geht einfach nicht mehr.“ Bis 2024 stünden allein im Mietwohnungsbau 60.000 Neubauwohnungen auf der Kippe.

    Staatsausgaben: Geld für Krieg und Steuergeschenke an Konzerne statt für den Wohnungsbau

    Sozialwohnungen: Krise trifft die Ärmsten am schwersten

    Besonders der Sozialwohnungsbau ist von den Projektstopps bedroht. (https://www.heise.de/tp/features/Kommunen-und-Wirtschaft-warnen-vor-drastischem-Einbruch-beim-sozialen-Wohnungsbau-7358797.html) Dabei sorgen Sozialwohnungen allgemein für günstigere Mieten auf dem gesamten Markt. Seit den neunziger Jahren sank die Zahl der Sozialwohnungen von vier Millionen allein in Westdeutschland auf etwas über eine Million in der gesamten Bundesrepublik.

    Dabei fallen immer mehr Wohnungen aus der Preisbindung, also aus den Verträgen, die günstige Mietpreise vorschreiben, oder werden privatisiert. Während im Jahr 1987 auf 100 Mietwohnungen 25 Sozialwohnungen kamen, sind es heute gerade noch 5, wie die Gewerkschaft IG Bau vorrechnet.

    Jährlich fallen etwa 60.000 weitere Wohnungen aus der sozialen Bindung. Das hat einen Effekt auf die allgemeinen Mietpreise, die besonders in den vergangenen Jahren immer schneller gestiegen sind – besonders arme Menschen und Familien geraten so in Not.

    Die Entwicklung lässt sich auch an dem Rückgang der Aufträge für Bauunternehmen ablesen. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sank die Anzahl der Aufträge im September 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat September 2021 um 22,6%. Das war der stärkste Rückgang im Vorjahresvergleich seit Februar 2005.

    Das Ziel der Ampel-Koalition, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen zu wollen, sei eine Wunschvorstellung, kritisiert Gedaschko. „Mit der bisherigen Fördersumme von gerade einmal einer Milliarde Euro im Jahr für ganz Deutschland kann dieses Neubauziel nicht ansatzweise erreicht werden.“ Nötig sei mindestens die fünffache Summe für die Neubauförderung bezahlbaren Wohnens. „Marktmieten von künftig 16 bis 18 Euro netto kalt pro Quadratmeter sind für die breite Mittelschicht schlicht unbezahlbar.“

    Gegen die steigenden Mietpreise haben sich in vielen Städten bereits Proteste gebildet. Besonders in Berlin sticht die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ heraus. Bei einem Volksbegehren stimmten 60% der Wahlberechtigten für eine Enteignung der großen Wohnkonzerne.

    Bisher scheint die amtierende Koalition aus SPD, Grünen und Linken die ernsthafte Umsetzung des Volkswillens mittels Kommissionen und vorgeblichen rechtlichen Bedenken auf die lange Bank zu schieben. Da die Initiative aber nur den Rückkauf ehemals staatlicher Wohnungen von großen Konzernen fordert, bleibt fraglich, inwiefern die Umsetzung ihrer Ziele die Situation verbessern würde.

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