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Korruption im EU-Parlament: Keine Überraschung

Mal wieder wird das EU-Parlament in Brüssel von einem Korruptionsskandal erschüttert. Ein offenes Geheimnis ist dabei, dass die korrupte Truppe um Eva Kaili nur die Spitze des Eisbergs ist.

Es ist nun schon gut eine Woche her, dass mit Eva Kaili eine der vierzehn Vizepräsidentinnen des Europäischen Parlaments von den belgischen Justizbehörden festgenommen wurde. Sie ist nicht die einzige Beschuldigte. Auch ihrem Lebensgefährten und weiteren prominenten Europapolitiker:innen wird vorgeworfen, ein undurchsichtiges Netz aus NGOs aufgebaut zu haben, um Bestechungsgelder entgegenzunehmen und im Interesse Katars auf EU-Abgeordnete Einfluss zu nehmen.

Die belgischen Behörden ließen es sich nicht nehmen, ausgerechnet am 9. Dezember, dem Welt-Antikorruptionstag die Wohnung der griechischen, sozialdemokratischen Abgeordneten Kaili und dem Mitarbeiter ihrer Fraktion Francesco Giorgi zu durchsuchen. Stolz wurden danach Köffer und Säcke voller Bargeld präsentiert.

Insgesamt wurden bei den 16 Razzien an diesem Tag 1,5 Mio. Euro Bargeld in Brüssel sichergestellt. Genauso wie das Datum scheint aber der ganze Vorgang vor allem Symbolcharakter zu haben.

Mit insgesamt gut 30.000 Lobbyist:innen, die in Brüssel aktiv sind, ist Einflussnahme auf die Parlamentarier:innen dort gut gepflegte Kultur. Es liegt nahe, dass der Fall um Kaili und ihre Komplizen daher nur die Spitze des Eisbergs ist.

Der Satiriker Nico Semsrott, der selbst ursprünglich für „Die Partei“ ins Europaparlament eingezogen war, kommentiere jedenfalls im Interview mit dem Focus, er sei wenig überrascht von diesen Vorfällen.

Seiner Bewertung nach ist Korruption in Brüssel jedoch derart normalisiert, dass er zum Schluss kommt, Kaili und Co. hätten sich einfach zu sehr in Sicherheit gewogen: „Dieser Fall ist für mich ein Beleg dafür, dass es eine Kultur für politische Korruption gibt, eine Kultur, in der Korruption normalerweise keine Konsequenzen hat, in der so ein Verhalten normalisiert wurde. Eva Kaili hat sicher nicht gedacht: Jetzt habe ich hier aber etwas komplett Verrücktes gemacht.“

Kaili und andere EU-Politiker wie der CSU-Mann Ramsauer waren in den letzten Monaten dafür in die Kritik geraten, Katar in der öffentlichen Debatte um die Korruption und die Arbeitsmorde im Zuge der WM-Vorbereitung verteidigt zu haben.

Politiker:innen wie die EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) reagierten auf den Skandal hingegen mit Forderungen nach mehr Transparenz und der Einrichtung einer Ethikkomission.

Satiriker Semsrott hat wenig Hoffnungen in solche Schritte: „Ich halte das für Taktik: Man tut so, als würde man etwas unternehmen, sorgt im Prozess aber dafür, dass die Kommission zahnlos bleibt. Wissen Sie was wirklich sehr rasch Wirkung erzielen könnte? Ein generelles Verbot von Nebenverdiensten.“

Alles spricht dafür, dass der aktuelle Skandal um die Korruptionsbemühungen von Katar unter anderem wegen einer besonderen Leichtsinnigkeit der Akteure aufgeflogen ist. Vor allem aber könnten die einzelnen EU-Staaten mit derart dreisten Bestechungsversuchen aus einem Drittland ein Problem haben, während die „Einflussnahme“ europäischer Unternehmen auf die Politik in Brüssel und in den nationalen Parlamenten eine feste Größe im politischen System ist.

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