In den letzten Tagen gehen in Deutschland mehrere juristische Verfahren zu Ende, die indirekt Einfluss darauf haben dürften, welche Geschichtsauffassungen und welche Art von historischem Gedenken in Zukunft in diesem Land noch legal sind.
Ein Beispiel: Rechtsstreit um sowjetische Fahne in Augsburg
Einerseits hatte der Augsburger Suryoye-Aktivist Sami Baydar nach einem fast einjährigen Rechtsstreit Erfolg. Das politische Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, nachdem er am 9. Mai bei einer Kundgebung eine sowjetische Fahne getragen hatte.
In Augsburg wurde letztes Jahr wie in vielen anderen Städten durch die städtischen Behörden ein Verbot sowjetischer Fahnen und Symbole verhängt. Es betraf die Gedenkfeiern aus Anlass des Tags der Befreiung vom Faschismus (8. Mai), bzw. Tag des Sieges über den Nazi-Faschismus (9. Mai).
Die rote Fahne mit Hammer und Sichel könne als Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ausgelegt werden, hatte die Polizei ihren ebenso antikommunistischen wie geschichtsrevisionistischen Erlass begründet. Er verbietet das Zeigen der Fahne der UdSSR ausdrücklich. Sie sei im „aktuellen Kontext“ „ein Symbol der territorialen Expansion des russischen Staats“.
Sami Grigo Baydar, dem Sprecher des Volksrats der Suryoye in Europa, wurde vor diesem Hintergrund vorgeworfen, dennoch am 9. Mai 2022 an einer Gedenkkundgebung in der Augsburger Innenstadt teilgenommen zu haben und dort auch eine sowjetische Fahne gehalten zu haben. Hierfür verlangte die zuständige Staatsanwaltschaft ein Bußgeld von 150 Euro.
Rechtsanwalt Mathes Breuer wies in seiner schriftlichen Beschwerde vom 28. Februar 2023 an das Amtsgericht Augsburg darauf hin, dass die Versammlung inhaltlich nichts mit dem russischen Angriffskrieg, sondern dem Tag der Befreiung vom Faschismus zu tun hatte. So wurde auch betont, dass klar ersichtlich war, dass die Russische Föderation nicht die Sowjetunion ist.
Neben dem Beitrag, den Baydar auf Facebook veröffentlichte und der die sowjetische Fahne trägt, ist auch ein Zitat von Ernest Hemingway zu lesen: „Jeder Mensch, der die Freiheit liebt, verdankt der Roten Armee mehr als er ihr jemals im Leben zurückzahlen kann.“
Am 21. April 2023 wurde das Verfahren nun eingestellt.
Dürfen Kommunist:innen im ehemaligen KZ Buchenwald gedenken?
Aber nicht nur in Bayern, auch in Thüringen wird juristisch mit allen Mitteln gegen kommunistisches Gedenken gekämpft. Dort hatte der Rechtsanwalt Roland Meister im Nachhinein gerichtlich durchsetzen können, dass Versammlungsverbote für illegal erklärt wurden, die die Stadt Weimar, bzw. die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erlassen hatten, um zu verhindern, dass die MLPD auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald eine Kranzniederlegung zum 75. Todestag des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmanns im Jahr 2019 durchführen konnte.
Nach dem juristischen Schiffsbruch in Fragen des Versammlungsrechts ist nun offenbar auf Betreiben der Gedenkstätte in Thüringen ein Verfahren bei der Rechtsanwaltskammer in Hamm anhängig. Begründet wird dies damit, dass der Anwalt Roland Meister angeblich die Menschenwürde der nach dem Nazifaschismus in Buchenwald internierten Naziverbrecher in Frage gestellt habe.
Schon beim ursprünglichen Verbot der Versammlungen in Buchenwald war argumentiert worden: „Darüber hinaus verletzt ein Auftritt dieser Partei (gemeint ist die MLPD) die Menschenwürde der von stalinistischem Unrecht Betroffenen, und zwar selbst dann, wenn diese sich zuvor mit dem Nationalsozialismus gemein gemacht haben.“
Auch wenn diese Eingriffe ins Versammlungsrecht vorerst juristisch zurückgewiesen werden konnten, bleibt doch bedenklich, dass der deutsche Staat auf verschiedenen Ebenen versucht, die Möglichkeiten von Kommunist:innen, ihrer eigenen im antifaschistischen Widerstand gefallenen Genoss:innen zu gedenken, weiter einzuschränken.