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Mittwoch, April 24, 2024
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    Mit mehr Glauben ans „Vaterland”- gegen den „Fachkräftemangel“ in der Bundeswehr

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    Die Bundeswehr hat mehr und mehr mit einem „Fachkräftemangel“ zu kämpfen. Die Wehrpflicht wird bereits ideologisch vorbereitet, doch ist sie noch nicht umsetzbar. Ein Bundeswehr-General plädiert dafür, dass der Glaube an ein “höheres Ziel” notwendig sei, um den Jugendlichen die nötige Motivation zu geben, sich freiwillig zu melden. Doch dieses „höhere Ziel“ ist nicht im Interesse der Jugend. – Ein Kommentar von Gillian Norman

    183.000 Soldat:innen leisten zur Zeit ihren Dienst bei der Bundeswehr. Doch die Bundeswehr hat in den letzten zwei Jahren mehr Rekruten verloren als dazu gewonnen. Im Jahr 2022 lag die Abbrecherquote bei 21%. Spätestens seit der angekündigten „Zeitenwende“ durch Bundeskanzler Scholz und der Notwendigkeit einer kriegsfähigen Armee des deutschen Imperialismus stellt dies ein großes Problem dar. Den Rekrutierungsbemühungen muss also wieder eine höhere Priorität eingeräumt werden.

    Wehrpflicht noch keine Option, doch die ideologischen Vorbereitungen laufen

    Im Juni letzten Jahres wurde nach einem Interview von Bundespräsident Steinmeier mit der Bild am Sonntag die Debatte um eine Reaktivierung der Wehrpflicht ins Rollen gebracht. Steinmeier forderte zwar nur eine soziale Pflichtzeit einzuführen, die man unter anderem bei der Bundeswehr absolvieren könne, doch die Diskussionen in den Medien gingen durch die Decke.

    Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung und SPD-Politikerin Eva Högl lehnte daraufhin im August eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wegen des Zustands der Bundeswehr zwar ab, fügte aber gleich hinzu, dass bei einer Reaktivierung natürlich auch Frauen verpflichtet werden müssten. – Ein Zeichen der „feministischen“ Politik der Bundesregierung?

    Im Februar dieses Jahres sprach sie sich jedenfalls immer noch dagegen aus, doch man müsse „auch über die Frage nachdenken, wie viel Zwang, wie viel Freiwilligkeit nötig ist“, um den Personalmangel zu bekämpfen,. Im April erklärte sie jetzt in einem Interview mit der Berliner Morgenpost, dass die Reaktivierung der Wehrpflicht das langfristige Ziel sei und die Vorbereitungen daher jetzt beginnen müssten.

    Auch Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz und der neue Kriegsminister Boris Pistorius äußerten sich ähnlich. So bezeichneten beide die Aussetzung der Wehrpflicht als Fehler, der nun leider nicht so schnell rückgängig gemacht werden könne, da die Bundeswehr zu einer Berufsarmee umgebaut wurde.

    Aber was ist dann die Strategie der Bundeswehr, um sich für kommende Kriege zu rüsten?

    So perfide winken Panzer-Kanzler und der Kriegsminister mit der Wehrpflicht

    Es braucht ein “höheres Ziel” zur erfolgreichen Rekrutierung

    Vor bald einem Jahr wurde das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr beschlossen. Die Bundeswehr kritisiert seitdem immer wieder, dass das Geld nicht ankomme und die Ausrüstung weiterhin mangelhaft sei.

    Doch nach Bundeswehr-General Markus Kurczyk seien standhafte Soldat:innen sowieso das Wichtigste. In einem ausführlichen Spiegel-Interview erklärte er: „Es geht nicht darum, welche Waffensysteme wir haben. Es geht darum, ob wir Menschen haben, die bereit sind, für Deutschland in den Krieg zu ziehen, die bereit sind, für ihre Überzeugung, für unsere Werteordnung bis ans Ende der Welt zu gehen.“

    Doch die heutigen jungen Menschen würden seiner Meinung nach so erzogen, dass ihnen Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung wichtig seien. Damit seien sie zwar nicht verloren für das Militär, aber diese Einstellung sei eine große Herausforderung. Die Verteidigung der deutschen Werteordnung ist für ihn deshalb ein entscheidender Punkt, um die angeblich antiautoritär erzogene Jugend zu gewinnen. Denn die junge Generation suche nach einem übergeordneten Sinn: „sie wollen für ein höheres Ziel leben.“

    Neben dem „Sinn des Lebens“ komme dann noch das Versprechen von einer bestärkenden Kameradschaft dazu: „Wir machen den Einzelnen oder die Einzelne stärker, wir haben eine starke Gruppe, mit Kameradschaft, Loyalität, mit Vertrauen und Zusammengehörigkeit durch dick und dünn“, sagt Kurczyk.

    Was Kameradschaft bei der Bundeswehr bedeuten kann, wird hingegen immer wieder durch ans Licht kommende Aufnahmerituale bei verschiedensten Einheiten klar. In verschiedenen Berichten ist von Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung die Rede, und auch sexualisierte Gewalt ist Alltag bei der Bundeswehr.

    https://perspektive-online.net/2023/04/todesfall-ana-basaldua-ruiz-sexualisierte-gewalt-in-der-armee-keine-seltenheit/

    Der Kampf der Jugend für ihre Freiheit

    Die Bundeswehr tritt zur Rekrutierung regelmäßig öffentlich auf. Die meisten Aufritte finden auf Jobmessen und ähnlichen Veranstaltungen statt. Doch auch an Schulen sind ihre „Jugendoffiziere“ und „Karriereberater“ öfter zu finden und halten Vorträge oder veranstalten Seminare für Schüler:innen und/oder Lehrer:innen.

    Während es für sozialistische Jugendliche fast unmöglich ist, politische Veranstaltungen in ihren Schulen zu organisieren, da immer wieder die „Neutralität“ der Schulen betont wird, darf die Bundeswehr ihre eigene Propaganda unkommentiert zur Schau stellen. Zwar stellt sie sich oft als modernen Arbeitgeber mit flexiblen Arbeitszeiten und einem Faible für Diversität und Inklusion dar, doch eigentlich geht es um andere Dinge, wie der General Kurczyk ganz offen äußert:

    „Sie brauchen in der Bundeswehr einen bestimmten Anteil sehr robuster, sehr resilienter Menschen, die bereit sind, zu töten und notfalls auch getötet zu werden.“

    Diese Scheinheiligkeit versucht derzeit die Jugendorganisation “Internationale Jugend” mit ihrer Kampagne „Jugend gegen Aufrüstung – Wir kämpfen für den Sozialismus, nicht für die Bundeswehr“ aufzuzeigen. Anfang Mai beginnt die Kampagne, die sich auch gegen die Rekrutierungsversuche an Schulen richtet.

    Paul Lange (18) von der Internationalen Jugend erklärte dazu gegenüber Perspektive Online: „Die Bundeswehr versucht, uns junge Menschen mit gut bezahlten Ausbildungs- und Studienplätzen zu locken und will uns verkaufen, dass es in unserem Interesse sei, für das deutsche Vaterland in den Krieg zu ziehen. Aber die ‘demokratischen’ Werte und die ‘Freiheit’, für die wir kämpfen sollen, sind nicht unsere Freiheit. Es ist die Freiheit der Milliardäre, uns auszubeuten. Es ist die Freiheit der Milliardäre, unsere Lebensgrundlage mit dem Raubbau an der Natur und in imperialistischen Kriegen zu zerstören. Es ist die Freiheit der Milliardäre, ihre Profitinteressen auf der ganzen Welt durchzusetzen, auch mit brutaler militärischer Gewalt. Deswegen kämpfen wir gegen die Versuche der Bundeswehr, uns gegen unsere Interessen einzuspannen, und für den Sozialismus – ein System, in dem unsere Interessen wirklich eine Rolle spielen.“

    • Schreibt seit 2022 für Perspektive und ist seit Ende 2023 Teil der Redaktion. Studiert Grundschullehramt in Baden-Württemberg und geht früh morgens gerne eine Runde laufen.

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