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Samstag, April 20, 2024
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    Von der Wirtschaftskrise zur Kriegswirtschaft

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    Die Warenpreise explodieren, die Energiekrise hält an und die Aussichten für die Weltwirtschaft bleiben trüb. Vier Jahre nach dem Beginn einer Überproduktionskrise und drei Jahre nach der Corona-Pandemie hat sich die kapitalistische Weltwirtschaft immer noch nicht erholt. Zugleich sollen Teile der Wirtschaft auf Kriegsvorbereitung ausgerichtet werden. – Ein Kommentar von Thomas Stark

    Teuerungen, knappe Energieträger und Stellenabbau. Die Zeichen der kapitalistischen Wirtschaftskrise sind weiter nicht zu übersehen. Begonnen hat die Krise schon im Jahr 2018/19 mit einer Überproduktionskrise, wie sie der Kapitalismus regelmäßig hervorbringt.

    Diese Krise war jedoch besonders schwer, und sie mündete 2020 direkt in die Corona-Pandemie. Das Jahr 2021 war geprägt von heftigen Engpässen in den weltweiten Lieferketten und allgemeinen Preissteigerungen. Anfang 2022 verschärfte der russische Überfall auf die Ukraine die Lage auf dem Energie- und Nahrungsmittelmarkt. In dieser Gemengelage verschärften sich die weltweiten Preissteigerungen zu einer Preisexplosion, wie wir sie seitdem auch in Deutschland erleben. Zwischen November 2020 und November 2022 lag die offizielle Inflation bei 15,2%. Für Arbeiter:innen im unteren Lohnbereich dürften die Lebenshaltungskosten sogar um das Drei- bis Vierfache gestiegen sein.

    Die aktuelle Lage in der Wirtschaftskrise ist dabei insbesondere durch folgende Punkte gekennzeichnet:

    1. Die deutsche Industrieproduktion hat ihr Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Vor allem energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie hatten im vergangenen Jahr immer wieder mit Produktionsausfällen zu kämpfen. Die Frage der Gasversorgung im nächsten Winter ist noch nicht geklärt. Deshalb bleiben die Preise perspektivisch weiter oben. Zudem dürfte der Staat neues Steuergeld in die Wirtschaft pumpen.
    2. Das deutsche Kapital lebt stark von Industrieexporten, und die weltweite Nachfrage hierfür ist eingebrochen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) beklagt wenige Bestellungen für die deutsche Industrie aus dem In- und Ausland. Damit ist eine Erholung für die deutsche Wirtschaft nicht in Sicht, die schwankende Stagnation dürfte anhalten.
    3. Die sinkende Auslandsnachfrage hängt eng mit den weltweiten Handelskonflikten zusammen. Die USA wollen in den nächsten Jahren einen dreistelligen Milliardenbetrag in die Subvention der eigenen Wirtschaft stecken und mehr Produktion zurück ins eigene Land holen. Frankreich und Deutschland verhandeln über Gegenmaßnahmen. Vor allem zwischen den USA und China eskaliert der Handelskrieg seit Jahren. Das alles führt zu einer Neuordnung der globalen Lieferketten (Entkopplung), deren Kosten auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden.
    4. Die teilweise Entkopplung der Weltwirtschaft ist eine Maßnahme zur Kriegsvorbereitung, welche die wirtschaftliche Abhängigkeit von möglichen Kriegsgegnern vermindern soll. Auch Deutschland rüstet für einen großen Krieg, was Kanzler Scholz als „Zeitenwende“ verkauft. Die Rüstungsindustrie meldet Rekordgewinne und will neue Waffenfabriken bauen. Das Ganze soll die Arbeiter:innenklasse über den Staatshaushalt jedes Jahr 2% des Bruttoinlandsprodukts kosten. Aktuell entspricht das 85 Milliarden Euro. Hinzu kommt perspektivisch die bereits lautstark geforderte Vervielfachung des Bundeswehr-Sondervermögens.
    5. Das deutsche Kapital leidet unter einem Mangel an Arbeitskräften. 2022 waren über 800.000 Stellen unbesetzt. Bis 2035 sollen bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte im Zuge der demographischen Entwicklung ausfallen. Kapital und Staat beraten über höhere Wochenarbeitszeiten und eine weitere Erhöhung des Rentenalters. Die Arbeiter:innenklasse könnte diese Lage jedoch in Lohnkämpfen hervorragend zu ihren Gunsten ausspielen.

    Die Krise des Kapitalismus bietet der Arbeiter:innenklasse zahlreiche Handlungsmöglichkeiten, ob im Kampf für höhere Löhne oder im Kampf gegen die Kriegsvorbereitung. Diese müssen jedoch erkannt und genutzt werden.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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