Im vergangenen Jahr gab es 103 körperliche Attacken auf Journalist:innen. Das ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 2013. Gleichzeitig muss sich das Radio Dreyeckland als ältester freier Sender gegen Repressionen wehren.
Laut dem von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) veröffentlichten Bericht anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit fand die Mehrheit der Attacken in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten statt. Verschlechtert hat sich Deutschland auch in der Kategorie „sozialer Kontext“. Grund sind Queerfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus, die Reporter:innen immer öfter erleben, wenn sie darüber berichten. Die Betroffenen der Attacken beklagten dabei auch die Straflosigkeit der Täter und ärgerten sich über die Arbeit von Polizei und Justiz.
In der Gesetzeslage in Deutschland und Europa bewertet der Bericht den Entwurf des „European Media Freedom Act“ zum Schutz vor Desinformationen positiv. Als problematisch hingegen wird allerdings die – von der EU geplante – Chatkontrolle gesehen, die eine fast vollständige Überwachung von privaten Chats ermöglichen würde – und damit auch journalistischen. Zudem gibt es Kritik am BND-Gesetz. Hier sind Journalist:innen nach wie vor nicht ausreichend geschützt vor Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND), besonders bei vertraulicher Kommunikation mit ihren Quellen.
Der Bericht bezieht sich neben Deutschland auch auf die Situationen weltweit. Insgesamt ist das Fazit: Im vergangenen Jahr führten Krisen, Krieg und die anhaltende Ausbreitung von Autoritarismus zu einer zunehmenden Lage-Verschlechterung der Pressefreiheit.
Repression gegen das älteste freie Radio
Dass oppositionelle Medien und Journalist:innen auch hier in Deutschland Opfer von Schikane durch den deutschen Staat werden können, zeigt die kürzliche Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen einen Journalisten des Radio Dreyeckland„, wie der Sender heute bekannt gab. Der Vorwurf lautet: „Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot“. Anlass ist das Verfassen einer Kurzmeldung über die Einstellung des Verfahrens gegen die Internetplattform linksunten.indymedia wegen der vermeintlichen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“.
Die Ermittlungen gegen das dienstälteste freie Radio in Deutschlands führte die Staatsschutzabteilung der Karlsruher Staatsanwaltschaft. Diese wolle mit „dem Mittel des Strafrechts bestimmen, wie über dieses Verfahren zu berichten sei – das ist ein skandalöser Eingriff in die Pressefreiheit“, erklärt der betroffene Journalist Fabian Kienert.
Im konkreten Fall wirft die Staatsanwaltschaft dem Sender „Einseitigkeit“ vor. „Wieviel Sendezeit müssen wir denn dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft zukünftig einräumen, damit ein Beitrag durch die Zensur kommt?“ fragt Kienert daraufhin rhetorisch.
Bereits im Januar 2023 hatte es Hausdurchsuchungen in den Redaktionsräumen wie auch bei zwei Radiomitarbeitern gegeben. Die Klage gegen den Verantwortlichen im Sinne des Presserechts wurde hingegen inzwischen eingestellt. Außerdem gehe aus der Anklageschrift hervor, dass die Durchsuchungen keinerlei neue Erkenntnisse zu dem Sachverhalt erbracht hätten, kritisiert der Radiosender. „Das unterstreicht die völlige Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme“. Gegen die Untersuchungsbeschlüsse wurde Beschwerde eingereicht.