Beim Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg kam es zu einem Angriff der Polizei auf Demonstrierende. Von über 400 Menschen wurden die Personalien aufgenommen. Nun will das Polizeipräsidium Offenburg alle Demonstrationsteilnehmer:innen anzeigen. Gegen die Polizisten die Nazi-Vokabular in internen Dokumenten verwendeten gibt es derweil keine bekannten Untersuchungen.
Am 3. März 2023 fand in Offenburg der Landesparteitag der baden-württembergischen AfD statt. Von einem breiten Bündnis antifaschistischer Organisationen und bürgerlicher Parteien wurde zu einem Gegenprotest aufgerufen.
Nach der ersten Hälfte der Demonstration und einer Zwischenkundgebung vor der Halle, in der der Parteitag stattfand, kam es zu einem Angriff der Polizei auf die Demonstrierenden, die unter anderem mit dem Einsatz eines Feuerlöschers antworteten.
Danach nahm die Polizei einen Großteil der Demonstrierenden in einen sogenannten Kessel, um von über 400 Menschen die Personalien aufzunehmen. Der Ort auf der Kinzigbrücke war für die Taktik der Polizei optimal gewählt. Kurz vor dem Ende der vierspurigen Fahrbahn war genug Platz, um die mobile Polizeiwache – die aus einem dutzend Polizeiwagen bestand – für die erkennungsdienstliche Behandlung (ED) aufzubauen. Zwischen zwei Kreuzungen platziert konnte der Verkehr außerdem unproblematisch umgeleitet werden.
Über viele Stunden und bei niedrigen einstelligen Temperaturen hielt die Polizei auch etliche Minderjährige fest. Erst nach fast sieben Stunden ließ sie die letzte Person aus dem Kessel und der ED-Behandlung frei. Dabei sprach sie den antifaschistischen Aktivist:innen bereits ein Platzverweis für große Teile der Innenstadt aus und teilte den Vorwurf des Landfriedensbruchs mit.
Polizei will alle 400 Menschen anzeigen
Alle 400 im Kessel eingeschlossenen Demonstrationsteilnehmer:innen müssen „sich nun einem juristischen Nachspiel stellen“, wie das Polizeipräsidium Offenburg und LKA Baden-Württemberg in einer gemeinsamen Pressemeldung mitteilten. „Die Tatvorwürfe sind vielfältig und reichen von Verstößen gegen das Versammlungs- und Waffengesetz über Sachbeschädigungen und Beleidigungen bis hin zu Landfriedensbruch und tätlichem Angriff auf Polizeibeamte“, schreiben sie weiter. Außerdem versuchte die Polizei Menschen mit anderen Straftaten in Verbindung zu bringen. 20 Menschen, die auf der Demonstration waren, sollen Monate zuvor Wände der JVA Offenburg besprüht haben.
Die Polizei verlor bei ihrem Angriff auf die Demonstration außerdem eine Mappe mit internen Informationen, die ein Demonstrant danach im Internet veröffentlichte. Darin waren unter anderem die Begriffe „Barbarossa“ – der Name des Vernichtungsfeldzugs der Nazis gegen die Sowjetunion – und „Sturmgewitter“ für bestimmte Polizeitaktiken zu finden.
Zumindest für „Barbarossa“ hatte die Polizei eine kreative Erklärung: Auf das kritisierte Kennwort sei man gekommen, weil an einem 4. März Herzog Friedrich III. von Schwaben, besser bekannt als Barbarossa, zum deutschen König gekrönt wurde. Auf keinen Fall sei die Wahl im „Zusammenhang mit irgendwelchen dunklen Seiten der Geschichte“ gestanden oder „böse Absicht“ gewesen, so Polizeisprecher Ansgar Gernsbeck.
Polizeitaktik „Barbarossa“ bei linker Demonstration endet mit Hausdurchsuchung
Diese Mappe konnte laut Polizeiangaben ausfindig gemacht werden, woraufhin es zu einer Hausdurchsuchung in Karlsruhe kam. Dort konnten die Dokumente allerdings nicht gefunden werden. Auch bei dem Beschuldigten, der angeblich einen Feuerlöscher eingesetzt haben soll, kam es bereits am 6. März zu einer Hausdurchsuchung.
Wie es in den verschiedenen Ermittlungsverfahren weitergeht bleibt erst einmal offen. Gegen die Polizist:innen, die mit Schlagstöcken auf die Demonstrierenden einschlugen, wird derweil nicht wegen unverhältnismäßigem Gewalteinsatz ermittelt. Auch die Verwendung von Nazi-Vokabular in internen Dokumenten hat bisher kein „juristisches Nachspiel“ nach sich gezogen.