In Berlin streikten am Mittwoch die Arbeiter:innen der AWO in Kitas und anderen Einrichtungen. In den Frust über den schlechten Lohn mischt sich auch die Wut über die Sparpolitik des Berliner Senats.
Rund 2.000 Beschäftigte der Berliner Arbeiterwohlfahrt (AWO) waren aufgerufen, heute in einen eintägigen Warnstreik zu treten. Eine Hauptforderung ist die Angleichung der Löhne an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Die Gewerkschaft ver.di fordert 13,5% mehr Lohn, aber mindestens 550 Euro mehr ab dem 1. Januar 2024. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen.
Die aktuelle Tarifrunde zwischen ver.di und der AWO wurde von der AWO abgebrochen, ohne ein verbindliches Angebot vorzulegen. Mit dem Warnstreik wollen die Arbeiter:innen mehr Druck auf ihren Arbeitgeber ausüben. Zur Streikkundgebung vor der Hauptgeschäftsstelle der AWO Berlin im Stadtteil Kreuzberg kamen am Morgen mehrere hundert Arbeiter:innen.
Ein Arbeiter der AWO Spree-Wuhle, der momentan zum Facherzieher weiterqualifiziert wird, sagte gegenüber Perspektive Online: „Ich bin hier, weil ich es ungerecht finde, dass bei anderen Trägern mehr verdient wird als bei uns, obwohl wir das Gleiche leisten.“. Neben der Angleichung an den TV-L geht es ihm auch um die notwendige Unterstützung während der andauernden Krise: „Einen Inflationsausgleich haben wir nicht bekommen bis jetzt“.
Sparkurs der Regierung auf dem Rücken der Arbeiter:innen
Eine Gruppe aus einer Kindertagesstätte forderte im Gespräch nicht nur von der AWO, sondern auch vom Land Berlin, endlich zu reagieren: „Wir fordern vom Land Berlin, dass alle Erzieherinnen und Erzieher das gleiche Geld bekommen“.
Dass die AWO-Arbeiter:innen nicht nach TV-L sondern nach einem eigenen Tarif bezahlt werden, liegt vor allem auch an der massiven Ausgliederung von KiTas und anderen Einrichtungen seit den 2000er-Jahren. Heute betreibt die AWO zum Beispiel 51 Kindertagesstätten in Berlin, die vormals teiweise vom Land Berlin selbst verwaltet wurden. Die Ausgliederungen sind Teil eines massiven Sparkurses des Landes, der jüngst in weiteren Kürzungen für den sozialen Bereich in einigen Bezirken gipfelte.
In den AWO-Einrichtungen ist dieser Sparkurs deutlich spürbar. Die Arbeiterinnen der Kindertagesstätte berichten aus ihrer Einrichtung: „Unsere KiTa gibt es seit dem Jahr 2014, sie wurde also erst neu eröffnet. Es fehlt aber an allen Ecken und Enden – viele Möbel, alle möglichen Gegenstände für den Alltag in einer KiTa, auch Bücher für die Kinder wurden einfach nicht angeschafft.“
Gerade während der Corona-Pandemie wurde außerdem der Mangel an ausreichenden Fachkräften mehr als offensichtlich: „Wegen dem Personalmangel mussten wir während der Corona-Pandemie immer wieder Notbetreuung machen, konnten also nicht alle Kinder betreuen. Und wenn wir als Team es gar nicht mehr schaffen, dann werden ungelernte Zeitarbeiter geschickt, die eigentlich für die Arbeit in der KiTa gar nicht ausgebildet sind – das hilft dann auch nicht weiter, vor allem nicht den Kindern.“
Letztlich helfen gegen diese Bedingungen – da sind sich die Streikenden sicher – würde nur ein weiterer Arbeitskampf. Viele der an der Kundgebung teilnehmenden Arbeiter:innen sind auch bereit, mehr als einen Tag die Arbeit niederzulegen, um für ihre Rechte und Interessen zu kämpfen. Ein Teilnehmer sagte unumwunden: „Mit einem Tag Streik wird wahrscheinlich nichts erreicht, erfahrungsgemäß muss mehr gestreikt werden“.
Ob die ver.di-Gewerkschaft diesen Wunsch der Arbeiter:innen umsetzen und zu weiteren Streiks aufrufen wird, bleibt abzuwarten. Zumindest bei den offiziellen Redebeiträgen der ver.di-Funktionäre klangen einmal mehr eher die Interessen der Arbeitgeber als die der Arbeiter:innen durch. So sagte ein ver.diRedner auf dem Lautsprecherwagen in einem der – von lauter Popmusik untermalten – kurzen Redebeiträge, dass sich die AWO selbst schade, wenn sie ihren Betrieb durch schlechte Löhne und Personalmangel nicht aufrecht erhalten könne.
Ein Vertreter der Gruppe „Betriebskampf“, die ebenfalls an der Kundgebung teilnahm, sah darin ein typisches Verhalten der Gewerkschaftsspitzen und sagte Perspektive Online: „Wir sollten uns nicht nur auf die Gewerkschaften verlassen, um dann am Ende wieder mit Nullrunden und de facto Reallohnsenkung abgespeist zu werden. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir uns als Arbeiter:innen auch über die Grenzen der Betriebe und Branchen hinweg organisieren und gemeinsam für mehr Lohn und politische Veränderung kämpfen!“