Im Juni hatte die Polizei im Rahmen einer Verkehrskontrolle 34 Mal auf den 19-jährigen Bilel gefeuert. Gegen die Täter-Opfer-Umkehr und zunehmende Polizeigewalt im Allgemeinen kamen in Herford rund 450 Menschen zur Demonstration „Die Polizei lügt“ zusammen. Diese erreichte aufgrund heftigen Eingreifens der Polizei nicht ihren Abschlussort.
Anlass der Demonstration gestern in Herford war die Polizeigewalt gegen Bilel und den Tatnachgang: Denn die 13 Polizist:innen, die in Verbindung mit dem Einsatz stehen, haben bis heute keine Aussage zum Tathergang gemacht. Keine:r der Anwesenden trug eine eingeschaltete Bodycam, die die Tat hätte dokumentieren können.
Redner:innen kritisierten auch die Täter-Opfer-Umkehr in der Öffentlichkeit sowie Versuche der Lokalpresse, das Geschehen zu relativieren. Auch die Demo selbst war zuvor Gegenstand lokaler Berichterstattung gewesen: man habe „Angst und Panik“ über die Versammlung verbreitet. Schon im Vorfeld hatte die Kriminalpolizei Gefährder:innengespräche geführt und auch die Vorbereitungen der Versammlung observiert.
Schon nach wenigen Metern Demostrecke hielt die Polizei die Demonstration wegen Pyrotechnik und Vermummungen an. Auch nachdem alle Vermummungen abgelegt waren, lief die Polizei behelmt Spalier, filmte die Demonstration mit, später mit Hilfe einer Drohne.
Am Nachmittag, nachdem die Polizei ihre Präsenz noch einmal enorm erhöht hatte und es wiederholt zu Festnahmen und Auseinandersetzungen gekommen war, entschieden die Veranstalter:innen, die Demo frühzeitig aufzulösen. Wenige Minuten später berichten Demoteilnehmer:innen von einem Polizeikessel in einer Seitenstraße: rund 40 Personen waren eingekesselt, wobei die Repression sich insbesondere gegen junge Migrant:innen richtete.
In den Berichten der Polizei ist hingegen von einem Großteil friedlicher Versammlungsteilnehmer:innen zu lesen. Einige Wenige hätten durch Flaschenwürfe und Pyrotechnik die Situation zugespitzt. Versammlungsteilnehmer:innen distanzieren sich von dieser Einordnung: Die Polizei habe ihrerseits durch ihr massives Aufgebot und wiederholte Eingriffe in das Versammlungsrecht die Situation eskaliert.
Zwei Stunden später, am frühen Abend – es waren noch nicht alle Personen aus dem ersten Kessel nach erkennungsdienstlicher Behandlung frei – kesselte die Polizei erneut Demonstrant:innen in Bahnhofsnähe.