“Make amazon pay!” Unter dieser energischen Forderung versammelten sich am frühen Abend des 10. Juli am Veddeler Bahnhof ca. 250 streikende Amazon-Beschäftigte und Unterstützer:innen. Die Demonstration führte lautstark durch das Hamburger Wohnviertel Veddel mit dem Ziel des Logistik- und Verteilungsstandorts DHH1 von Amazon in der Peutestraße.
Anlass dazu war der gewerkschaftliche Aufruf von ver.di im Rahmen der umsatzstarken Amazon-Rabattaktion „Prime Day“, einen 3-tägigen Warnstreik in 10 Verteilerzentren durchzuführen.
Dabei geht es der streikenden Belegschaft vordergründig um die niedrigen Löhne, der Forderung von Flächentarifverträgen für den Einzel- und Versandhandel, den Protest gegen die systematische Bekämpfung gewerkschaftlicher Organisation und Gründung von Betriebsräten seitens Amazon. Auch die unzumutbaren Arbeitsabläufe in den Logistikzentren sind Teil der Kritik.
Beschäftigte berichten von den automatisierten und zeitlich eng getakteten Prozessen, die mit einer strengen Kontrolle der einzelnen Arbeiter:innen einhergehen, um die Versandmethoden und Liefertermine des Unternehmens immer weiter zu optimieren. Sogar Toilettengänge oder Trinkpausen der Arbeitenden werden streng überwacht, dokumentiert und als versäumte Arbeitszeit gewertet und notiert.
Viele Beschäftigte schilderten die alltägliche schwere psychische und auch physische Belastungssituation für die Arbeiterschaft an den Amazon-Standorten, die sich zu einem Großteil aus migrantischen oder marginalisierten Bevölkerungsteilen zusammensetzt.
Ein Mitarbeiter beschreibt den weltweiten „Prime Day” als “crime day“, da an diesen Verkaufsaktionen sich der ohnehin schon intensive Effizienzdruck auf die Belegschaft noch einmal massiv erhöht. „Euer Reichtum ist unsere Arbeit. Solidarität statt Profit“ und „Als Klasse aus der Krise“ prangte deshalb auf den Transparenten der Demonstrant:innen und unterstrich die klassenkämpferische und energische Atmosphäre des Demo-Zugs.
Die Amazon-Streikenden konnten sich auch auf einen großen solidarischen Zuspruch von Arbeitenden aus anderen Sektoren verlassen, wie beispielsweise von Beschäftigten des Hamburger Hafens oder der Gesundheits- und Pflegeberufe. In einem kurzen Redebeitrag eines solidarischen und gewerkschaftlich organisierten Hafenarbeiters hieß es: „Ihr arbeitet genauso wie wir an einem empfindlichen Punkt der Lieferkette und Logistik und das was wir wollen, ist nicht viel. Einen angemessenen Tarifvertrag, einen vernünftigen Lohn, gute Lebens- und Arbeitsbedingungen am Unternehmen, dessen Kopf sich dumm und dämlich verdient… deswegen ist euer Kampf auch nicht nur euer Kampf, sondern auch unser Kampf und ihr steht nicht alleine. Wir stehen an eurer Seite, Schulter an Schulter gegen das Kapital.“
Amazon argumentiert und verteidigt sein Lohnsystem mit dem Verweis auf die bereits getätigten Stundenlohnerhöhungen, die jedoch durch das Fehlen von Sonderzahlungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, in Zeiten von Inflation und gestiegen Lebenserhaltungskosten jedoch der Arbeiterschaft keinerlei Entlastung oder Vorteil verschaffen. Ganz im Gegenteil sind sie durch längere betriebliche Arbeitszeiten und die fehlende Tarifbindung des Unternehmens im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern drastisch unterbezahlt. Die Streikenden machten ebenfalls auf die schlechten Arbeitsbedingungen, den mangelnden Arbeitsschutz und die geringen Gehälter der Beschäftigten von Subunternehmen aufmerksam, die für die Abwicklung des Paketversands von Amazon zuständig sind.
Der kämpferische und entschlossene Streik der Amazon-Beschäftigten geht bis Donnerstag und soll im Tarifkonflikt den solidarischen und unnachgiebigen Protest auf die Unternehmensführung symbolisieren.