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Warum gilt für Minderjährige der Mindestlohn nicht?

Minderjährige haben in Deutschland keinen Anspruch auf Mindestlohn. Kapitalist:innen können ihnen zahlen, was sie wollen. Wir sehen: Jugendliche werden besonders ausgebeutet in diesem System. – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig

Dein Chef muss dir keinen Mindestlohn zahlen, wenn du unter 18 Jahre alt bist. Das ist in Deutschland normal. Die SPD hat seit Jahren den Vorschlag im Programm stehen, das zu ändern. Aber, dass es schon seit Jahren immer mal wieder eine Forderung der SPD war und trotz ihrer Beteiligung an der Regierung nie durchgesetzt wurde, zeigt, wie ernst sie es damit meint. Nämlich überhaupt nicht.

Dass Kevin Kühnert dieses Ansinnen jetzt mal wieder einbringt, ist keine große Überraschung: Als junges Gesicht der SPD war er mal der linke Vorzeige-Juso und hat sich mit Kritiken an der Parteispitze auch eine komfortable Stellung im Parteiapparat sichern können. Anscheinend möchte er aber doch noch irgendwie einen linken Anschein bewahren.

Das Mindestlohngesetz

Das 2014 verabschiedete Gesetz regelt die untere Grenze des Lohns, der uns Arbeiter:innen gezahlt werden muss. Zur Zeit beträgt der Mindestlohn 12 Euro pro Stunde. Das war schon wenig, als dieser Betrag von der Ampel-Regierung beschlossen wurde, aber seit den großen Inflations- und Teuerungswellen der letzten Jahre ist dieser Lohn ein Witz geworden.

Richtig frech wird es dann, wenn wir uns den Paragraphen 22 des Gesetzes anschauen. Denn hier werden Fälle beschrieben, bei denen selbst dieser mickrige Lohn nicht greift. Kapitalist:innen haben beispielsweise das Recht darauf, ehemalige Langzeitarbeitslose besonders stark auszubeuten. Die haben nämlich 6 Monate nach Einstellung schlichtweg nicht das Recht auf irgendeinen Lohn.

Warum Minderjährige besonders stark ausgebeutet werden

Auch ein großer Teil der Praktikant:innen fällt nicht unter diese Mindestlohnregelung. Genauso wie – ausnahmslos – alle 13- bis 18-Jährigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Sogar laut den deutschen Ausbeutungs-Richtlinien sind 13- bis 14-Jährige noch Kinder. Minderjährige Arbeiter:innen haben nicht einmal einen Anspruch auf den Mindestlohn. Für Auszubildende gibt es eine Sonderregelung, die sicherstellt, dass eine 40-Stunden-Ausbildung mindestens wie ein Minijob vergütet wird, also mit momentan 520 Euro.

All dies alles mit der Begründung, dass Jugendliche noch nicht alle Kosten des Lebens selber tragen müssten. Wir müssten keine Miete zahlen oder Lebensmittel einkaufen gehen. Das würden unsere Eltern nämlich übernehmen. Schon Karl Marx hat herausgearbeitet, dass der Gradmesser dafür, wieviel Arbeiter:innen für ihre Arbeit bekommen, nicht ist, wie viel sie leisten, sondern wie viel sie zum Überleben brauchen.

Warum wir mehr verdienen sollten

Solche Argumentationen werden vorgeschoben, um hart arbeitenden jungen Teilen unserer Klasse ab dem 13. Lebensjahr einfach weniger Lohn zahlen zu müssen. Unsere Arbeit produziert oft genauso viel, wie die von älteren Arbeiter:innen. Wie zum Beispiel in der Gastronomie, deren Kapitalverband (DEHOGA) sich kürzlich über eine mögliche Lohnerhöhung für Ferienjobber:innen aufregte.

Sie haben Angst um ihre Profite. Selbst der Vorsitzende der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) musste nochmal klarstellen, dass man das „nicht mit einer ausgelernten Arbeitskraft gleichstellen“ dürfe. Die besondere Ausbeutung von uns jungen Arbeiter:innen hier in Deutschland bringt einigen Produktionszweigen saftige Profite. Aber auch hier können wir unseren Blick weiten.

Denn es sind nicht nur wir jungen Arbeiter:innen in Deutschland, die von den deutschen Kapitalist:innen besonders ausgebeutet werden. In abhängigen Ländern verhindern die gleichen Leute ebenso Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, damit dort noch größere Profite erbeutet werden können – insbesondere durch die Ausbeutung der Arbeitskraft von Minderjährigen.

Fridolin Tschernig
Fridolin Tschernig
Seit 2022 Autor bei Perspektive. Schreibt als Studierender aus Sachsen insbesondere internationalistisch über die Jugend, Antimilitarismus und das tagespolitische Geschehen. Vorliebe für Gesellschaftsspiele aller Art.

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