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Drohende Militärintervention in Haiti?

Aktuell verstärken sich die Diskussionen um eine ausländische Intervention in Haiti. Bereits im letzten Jahr waren US-amerikanische und kanadische Soldat:innen zur Bekämpfung von Protesten in das Land gekommen.

Haiti – das Land in der Karibik – wird in westlichen Medien als „Staat im permanenten Kriegszustand“ beschrieben. Immer wieder ist von gewalttätigen Drogenbanden die Rede, die bis zu 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren sollen.

Erst vor ungefähr zwei Wochen teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit, dass zwischen Jahresbeginn und Mitte August bereits 2.439 Menschen der Bandengewalt zum Opfer gefallen, 902 verletzt und 951 gekidnappt worden seien.

Droht eine Militärintervention?

Vor diesem Hintergrund verstärken sich die Diskussionen unter führenden Militärs und Politiker:innen mächtiger Länder über einen Einmarsch ausländischer Soldat:innen in das Land, vorgeblich um die „Bandenkriminalität“ zu bekämpfen.

So forderte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Österreicher Volker Türk, die Entsendung einer multinationalen Truppe nach Haiti, allerdings nicht im Rahmen der UN. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die russische Vertretung im UN-Sicherheitsrat eine Intervention nicht so entschieden befürwortet. Der Vertreter des betroffenen Landes in diesem Gremium, Dmitry Polyanskiy, startete deshalb im Juli eine Befragung von Haitianer:innen über deren Meinung zu einer möglichen Intervention.

Zudem soll die Lage im Land auch Gegenstand einer Konferenz der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) am Mittwoch sein. Dort werde es unter anderem um bisherige Gespräche mit den USA und Kanada über die Frage einer Intervention gehen, so Roosevelt Skerrit, aktueller Präsident der CARICOM, bei einer Pressekonferenz. Auch Kenia hat die Entsendung von Polizeikräften zugesagt.

Momentan möchten die USA jedoch nicht direkt als Besatzungsmacht in Erscheinung treten, und ihre Stellvertreter warten auf grünes Licht aus dem UN-Sicherheitsrat.

Militärinterventionen der letzten Jahre haben Spuren hinterlassen

Schon allein die jüngere Erfahrung Haitis mit ausländischen Truppen lässt Zweifel daran aufkommen, dass der aktuell diskutierte Einsatz die „Bandenkriminalität“ eindämmen könnte – oder ob er nicht vielmehr weitere bewaffnete Banden ins Land lassen würde.

Erst im letzten Jahr hatte es einen Cholera-Ausbruch in Haiti gegeben, nachdem bei Massenprotesten gegen die Teuerungen ein zentrales Öl-Terminal durch eine bewaffnete Gruppe besetzt worden war, woraufhin unter anderem die Wasseraufbereitung eingestellt werden musste. Daraufhin bat die haitianische Regierung um Militärhilfen aus den USA und Kanada, um ein „Sicherheitsklima“ zu schaffen, in dem die Krankheit bekämpft werden könne – also um die Proteste niederzuschlagen.

Humanitäre Krise in Haiti: Massenproteste gegen imperialistische Militärintervention

Zuvor hatte es schon zwischen 2004 und 2017 eine Blauhelm-Mission der UN gegeben, nachdem der linksgerichtete und gewählte Präsident Jean-Bertrand Aristide von der Partei „Fanmi Lavalas“ mit Unterstützung der USA weggeputscht worden war. Den Blauhelmtruppen wurden sexualisierte Gewalt und die Unterstützung paramilitärischer Einheiten vorgeworfen, die 8.000 „Fanmi Lavalas“-Aktivist:innen umgebracht haben sollen. Auch die Cholera brachten die Besatzungstruppen ins Land.

Worum geht es wirklich?

Worum geht es also dieses Mal, wenn eine Militärintervention in das Land erneut möglich scheint. Vorgeblich ist es die Bekämpfung der Bandenkriminalität. An Begründungen dieser Art sind ohnehin Zweifel angebracht. Umso unglaubwürdiger werden sie dadurch, das laut eines Berichts des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNDOC) ein Großteil der Waffen und Munition solcher bewaffneten Banden in Haiti aus den USA stammen sollen.

Realistisch ist eher, dass die USA fürchten, dass ein Land vor ihrer Haustür in den Einflussbereich des Konkurrenten Russland übergeht. So ist der aktuelle Präsident Ariel Henry, der sich nach der Ermordung seines Vorgängers Moïse nicht hat wählen lassen, ein Verbündeter der USA, der allerdings kaum Rückhalt in der Bevölkerung zu genießen scheint.

Gleichzeitig wurden bereits bei den Massenprotesten im letzten Jahr Fahnen der russischen Föderation geschwenkt. Während Henry sein Glück noch in einem Bündnis mit den USA sucht, appellieren nun auch bürgerliche Oppositionelle, die an Rückhalt zu gewinnen scheinen, eher an den russischen Staat. So richtet sich ein aktueller Aufruf gegen ein Besatzungsregime in Haiti explizit an den russischen Vertreter Polyanskiy im UN-Sicherheitsrat.

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