Laut einer Studie des “EU Tax Observatory” zahlen Milliardäre und Superreiche fast keine Steuern. Doch nicht nur das: auch die in den letzten Jahren eingeführten Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung zeigen kaum eine Wirkung. – Ein Kommentar von Herbert Scholle
Offshore-Unternehmen, Steueroasen und so weiter – die Tricks der Superreichen, um Steuern zu hinterziehen, sind seit langem bekannt. Auch deswegen wurden in den letzten Jahren einige internationale Steuerreformen beschlossen. Allen voran einigten sich 2021 130 Staaten auf eine “globale Mindestgewinnsteuer” für Großkonzerne, die international tätig sind. Ab diesem Jahr sollen diese Unternehmen mindestens 15% ihrer Gewinne abdrücken.
Mit diesen und anderen Maßnahmen befasst sich eine Studie des EU Tax Observatory. Unter Leitung des bürgerlichen Ökonomen Gabriel Zucman betrachtete die Untersuchung, welchen Effekt diese auf Steuerhinterziehung von Superreichen haben und wie die Steuerlast im Allgemeinen verteilt ist.
Die globale Mindeststeuer ist ein totaler Reinfall
Eigentlich wäre durch die globale Mindeststeuer ein Anstieg der internationalen Steuereinnahmen von rund 10% zu erwarten gewesen, doch die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Einnahmen weltweit um nur rund 3% gestiegen sind. Das liegt wohl vor allem daran, dass mit der neuen Regelung auch eine Reihe an neuen Steuerschlupflöchern geschaffen wurden. Diese erlauben es Riesenkonzernen unter anderem, die Mindeststeuer einfach zu umgehen.
Den einzigen Erfolg konnte man der Studie zufolge in der Besteuerung reicher Privatpersonen erzielen: So ist die Steuerflucht bei Superreichen um rund zwei Drittel erheblich gesunken. Trotzdem bleibt die Steuerlast extrem ungerecht verteilt: für Milliardäre beträgt sie nämlich gerade einmal 0 bis 0,5% ihres Gesamtvermögens.
Zum Vergleich: die gesamte Steuer- und Abgabenlast einer vierköpfigen Familie liegt in Deutschland bei 40,8%, bei Singles sogar 47,8%. Natürlich beziehen sich diese Zahlen auf Einkommen und nicht das Vermögen – was aber hauptsächlich daran liegt, dass die meisten Arbeiter:innen gar kein Vermögen besitzen. Anhand dieser Zahlen wird eines schnell klar: Die Superreichen zahlen nicht, die Arbeiter:innen schon.
Dem deutschen Staat fehlen mehr Gewinnsteuern als jedem anderen Land
Neben der Studie hat das EU Tax Observatory auch den „Atlas of the Offshore World“ (deutsch: Atlas der Offshore-Welt) veröffentlicht. Hier wird unter anderem dargestellt, wie viele Steuereinnahmen jedem Staat durch Steuerflucht verloren gehen. Hier sticht Deutschland deutlich heraus, denn bis auf Steueroasen ist der deutsche Staat derjenige, dem die meisten Steuergelder durch die Lappen gehen: 26,2% aller tatsächlich eingenommenen Steuern hätte der deutsche Staat zusätzlich von Großunternehmen einsammeln sollen.
Vor dem Hintergrund wird die Aussage vieler Politiker:innen, dass „einfach kein Geld da sei“, noch einmal spannender. Denn die Misere liegt zum großen Teil einfach daran, dass Steuerhinterziehungen im großen Stil vom deutschen Staat Tag für Tag geduldet werden. Insbesondere muss das in Verbindung mit den immer krasseren Kürzungen des Sozialstaats einerseits und den zahlreichen Subventionen, die Unternehmen in letzter Zeit andererseits erhalten haben, gesehen werden: Hier wird deutlich, dass der deutsche Staat eine Politik für die Kapitalist:innen sowie Superreichen macht und eben nicht für uns Arbeiter:innen.
Fazit
Der Ökonom Zucman zieht aus der Studie einen klaren Schluss, gegenüber der taz sagte er: „Steuerflucht lässt sich effizient bekämpfen, wenn es den politischen Willen gibt.“ Diese Erkenntnis gewinnt er aus der gesunkenen Steuerflucht bei Privatpersonen. Ebenfalls schlägt er eine globale Mindeststeuer für Milliardäre vor. Wenn es nach ihm ginge, sollten Milliardäre jährlich 2% ihres Vermögens abgeben, so könne man weltweit bis zu 250 Milliarden Euro jährlich einnehmen.
Es ist äußerst fraglich, wie eine solche Mindeststeuer für Milliardäre funktionieren sollte, zeigt doch die Studie des EU Tax Observatory ganz klar, dass das gleiche Mittel bei Großunternehmen überhaupt nicht funktioniert – noch ganz abgesehen davon, dass eine Abgabe von 2% für Milliardäre wahrlich nicht die Welt bedeuten würde.
Anstatt also darüber zu diskutieren, welchen marginalen Betrag Kapitalist:innen jetzt von ihrem Reichtum abzugeben haben, müsste man vielmehr in den Fokus stellen, wie dieser Reichtum denn überhaupt zustande gekommen ist. Das gelingt nämlich nur durch das Ausbeuten der Arbeitskraft aller werktätigen Menschen. Am Ende dreht sich die Diskussion also darum, wie viel wir von dem zurückbekommen, was wir ursprünglich erarbeitet haben. – Ein offensichtlicher Widerspruch im Kapitalismus, den auch kein Gabriel Zucman oder andere „Wirtschaftsprofis“ wegphilosophieren können.