Tausende protestieren derzeit gegen die neoliberalen Reformen Mileis. Dabei sind den Straßenverkehr blockierende Demonstrationen sind untersagt und sollen künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Diese Repressionen sind Teil eines neuen großen Gesetzesentwurfs, über den der Kongress bald entscheiden soll.
Am 20.12. hat der Präsident Argentiniens Javier Milei den ersten Teil seines ultrarechten, wirtschaftslibertären „Schockprogramms“ bekannt gegeben: ein 86-seitiges Dekret mit 366 Artikeln. In einer im landesweiten Fernsehen übertragenen Rede gab Milei als Ziel an, „den Weg des Wiederaufbaus unseres Landes zu beginnen, dem Einzelnen Freiheit und Autonomie zurückzugeben und mit dem Abbau der enormen Menge an Vorschriften zu beginnen, die das Wirtschaftswachstum behindert, erschwert und gestoppt haben“. Während der Kongress zwar noch über das Gesetz abstimmen muss, ist jetzt schon jeder Artikel „unter Vermutung der Gültigkeit“ gesetzeskräftig.
Dekret enthält Deregulierung, Privatisierung, Einschränkung des Arbeitsrechts
Die im Dekret genannten Reformen dienen letztlich dazu, Profite für große Unternehmen zu sichern und durch Privatisierungen neue Anlagemöglichkeiten für sie zu schaffen. Um dies zu gewährleisten, sollen etliche erkämpfte Rechte der Arbeiter:innen abgeschafft werden. So sollen Entlassungen erleichtert und arbeitsrechtliche Klagen gegen sie eingeschränkt werden.
Darüber hinaus sollen alle staatlichen Unternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt und anschließend privatisiert werden. Hierzu hebt das Dekret auch ein Gesetz auf, das Privatisierungen ohne die Zustimmung des Kongresses verbot und eine 180 Tage lange Warteperiode verhängte, bis die Privatisierungen in Kraft treten durften.
Darüber hinaus wurden etliche Regulierungen aufgehoben, was den Weg für weitere Preiserhöhungen ebnet. So sollen Kreditkartenunternehmen bald keine Begrenzungen mehr für die Erhöhung der Zinsraten haben. Auch für private Gesundheitsunternehmen und die Supermarktindustrie wurden Preisschranken aufgehoben.
Das Streikrecht wurde durch das Gesetzespaket ebenfalls eingeschränkt. Arbeitsbereiche wie Bildung vom Kindergarten bis zur weiterbildenden Schule und die Transportindustrie sollen als „essentiell“ eingestuft werden. Diese essenziellen Dienstleistungsbereiche müssen nun immer bis mindestens 75% der Kapazität operieren. Jeder Streik, der hiermit nicht vereinbar ist, ist demnach verboten. Unternehmen wiederum erhalten das Recht, Arbeiter:innen aufgrund ihrer Teilnahme an Streiks zu entlassen.
Tausende protestieren, Ruf nach Streik wird lauter
Am Abend des 20.12. riefen deshalb linke Parteien und Gewerkschaften zu Protesten gegen Mileis Reformen auf. Über 10.000 Menschen versammelten sich in der Innenstadt Buenos Aires, der Hauptstadt des Landes. Begrüßt wurden sie von einem großen Polizeiaufgebot, das Blockaden auf der Straße verhindern sollte. Diese Auflage konnte aufgrund der riesigen Anzahl an Demonstrant:innen, die sich kämpferisch die Straßen nahmen, nicht durchgesetzt werden.
Der Protest am darauffolgenden Tag fand in Vereinbarung mit der Regierung lediglich auf dem Bürgersteig statt. Viele der Demonstrant:innen forderten, dass die Gewerkschaften einen Generalstreik ausrufen. Linke Kleinparteien, wie z.B. die trotzkistische Partido Obrero (Partei der Arbeiter), kritisierten dabei die Inaktivität der Confederación General del Trabajo de la República Argentina (CGT). Diese habe als eine der Hauptgewerkschaften des Landes seit nun mehr als vier Jahren keinen Streik mehr organisiert.
Gesetzesentwurf soll Notstand verhängen sowie Repressionen gegen Demonstrant:innen verstärken
Die Justiz erhielt bereits etliche Anträge auf einstweilige Verfügungen gegen diverse Artikel des umfangreichen Dekrets. Doch am 27.12. verstärkten sich die Angriffe auf demokratische Rechte erneut durch einen beispiellosen Gesetzesentwurf, mit dem 664 Artikel abgeändert, eliminiert, oder ergänzt werden sollen.
Demonstrant:innen, die das reibungslose Funktionieren des Straßenverkehrs, die Lieferung von Treibstoff oder die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen verhindern oder behindern, können künftig mit ein bis drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Ebenfalls soll der Präsident 41 Unternehmen – z.B. die Erdölgesellschaft YPF oder die Staatsbank Banco de la Nación – in eigener Kompetenz völlig privatisieren können.
Um Milei die notwendige Autorität für die schnelle Umsetzung der tiefgreifenden Reformen zu garantieren, sieht der jüngste Gesetzesentwurf vor, dass für zwei Jahre der nationale Notstand ausgerufen wird. Daüber hinaus ist die Möglichkeit vorgesehen, diesen Ausnahmezustand Ende 2025 um weitere zwei Jahre zu verlängern. Sollte Milei hiermit Erfolg haben, würde der Notstand seine gesamte Amtszeit umfassen.
Noch erhält Milei viel Unterstützung in der Bevölkerung – auch für seine Repressionen gegen Aktivist:innen. Bei seinem Wahlsieg am 19. November erreichte er einen so hohen Stimmenanteil wie keiner anderer der seit der Rückkehr der bürgerlichen Demokratie 1983 gewählten Präsident:innen in Argentinien.
Allerdings belegt Mileis Partei nur eine Minderheit der Sitze im Kongress und benötigt für seine Reformen deshalb auch die Zustimmung aus den Oppositionsparteien. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die erheblichen Angriffe auf das Arbeits- und Demonstrationsrecht sowie die weiterhin steigende Inflation Mileis Popularität in der Bevölkerung noch schmälern werden.