Während die Bahn die Forderungen der Lokführer:innen nicht erfüllt, wird ein millionenschwerer Bonus an die Chefetage ausgeschüttet.
Der öffentliche Nah- und Fernverkehr war in den letzten Wochen begleitet von mehreren Warnstreiks der Gewerkschaft der Lokführer:innen (GDL). Seitdem der Tarifvertrag im Oktober ausgelaufen ist, finden als Antwort auf nicht zufriedenstellende Verhandlungsrunden zwischen den Konzernen und den Gewerkschaften immer wieder Streiks statt. Laut der GDL gebe es momentan keine Bereitschaft der Konzerne, Hauptforderungen entgegen zu kommen. Martin Seiler, das Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn für Personal und Recht, bezeichnete die GDL-Streiks als „völlig unnötig“. Derweilen erhalten er und seine Kolleg:innen in naher Zukunft eine Zusatzzahlung von rund fünf Millionen Euro.
Am Montag berichteten unter anderem NDR und WDR von einem Einblick in das Berechnungsmodell der Deutschen Bahn, um die anstehenden Bonuszahlungen einsehen zu können. Anfang kommenden Jahres wird die Deutsche Bahn ihre Vorstände den entsprechenden Berichten zufolge mit einer Prämie von fünf Millionen Euro versehen können. Die Summe komme durch das Erreichen einiger Zielpunkte des Konzerns zustande, wobei auch mehrere Vorsätze missglückt seien. Die Zahlungen kommen erst jetzt zustande, da die Deutsche Bahn – wie viele andere Unternehmen auch – die Strompreisbremse in Anspruch genommen hatte, die Ende diesen Jahres ausläuft. Dann können zurückgehaltene Bonuszahlungen wieder ausgeschüttet werden.
Bahnstreik: „Die DB soll zurück an den Verhandlungstisch kommen!“
Knapp erfüllte Ziele des Konzerns bringen Geld ein
Zu verdanken haben die Chefs der Deutschen Bahn ihre Sonderzahlungen den eigenen Zielformulierungen ihres Unternehmens. Unter den Punkten „Qualität“, „Ökologie“ und „Soziales“ fasst die DB einige Punkte zusammen, nach denen sie sich ausrichten möchte. Das übergeordnete Ziel der Nachhaltigkeit sei hierfür ausschlaggebend.
Unter dem Thema der Qualität werden die Kundenzufriedenheit sowie die Pünktlichkeit genannt – zwei Ziele, welche die Deutsche Bahn bisher maßgeblich verfehlt hat. Laut Zielkriterium soll die Pünktlichkeit der Züge bei über 80% liegen, im Jahr 2022 waren es im Fernverkehr gerade einmal 65,2%. Auch die Kundenzufriedenheit im Fernverkehr lag anstatt den gewünschten 80% nur bei 74,8%, was eine Abnahme von 3% zum Vorjahr bedeutet – ein Tiefstwert wie lange nicht mehr.
Trotz dieser und weiterer nicht erfüllter Ziele konnten große Bonussummen generiert werden. Dies vor allem durch einige knapp oder „überdurchschnittlich erreichte“ Ziele. Unter dem Aspekt „Soziales“ geht es um Frauen in Führungspositionen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Das Ziel der DB ist es hier, bis Ende 2024 einen 30-prozentigen Anteil von Frauen in der ersten und zweiten Führungsebene zählen zu können. Für das Jahr 2022 wurde das Zwischenziel von 26% mit einer Quote von 27% knapp übertroffen. Dieses 1 Prozent brachte den Vorstandsmitgliedern 200% der Prämie für diesen Bereich ein.
Beispielhaft für die Selbstbedienung ist auch der Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit: Ziel des Vorstands war es, dass diese nicht weiter sinkt. Da jedoch im Jahr 2022 ein minimaler Anstieg der Zufriedenheit zu verzeichnen war, konnte dieses Ziel als übererfüllt gewertet und der anteilige Bonus für den Vorstand der Bahn somit auf 175% erhöht werden.
Allein der Vorsitzende des DB-Vorstands, Richard Lutz, soll rund 1,3 Millionen Euro aus der Sonderprämie ziehen können. Der Rest des Geldes wird auf die weiteren sechs Mitglieder des Vorstands und den nun nicht mehr im Vorstand tätigen Roland Pofalla aufgeteilt werden. Letzterer habe das Ziel für eine gute Bestandsnetz-Qualität übererfüllt und soll dafür im Nachhinein ebenfalls einen Bonusbetrag erhalten. Von vielerlei Expert:innen wird derweil sein Bahnnetz als sanierungsbedürftig und überhaupt nicht gut intakt beschrieben.
Kritik hagelt es ebenfalls von Gewerkschaftsseite: „Seit Jahren müssen wir zusehen, wie der Bahnvorstand ein System der skrupellosen Selbstbedienung immer weiter pervertiert und perfektioniert“, kommentiert denn auch der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky.