Seit Wochen wird in NRW über das ehemalige „Dynamit Nobel“-Gelände und dessen Verkauf berichtet. Sowohl der Rüstungskonzern „Diehl Defence“ als auch die Stadt Troisdorf haben ein Interesse daran, dieses 55 Hektar große Gelände zu erwerben. Auch der Verteidigungsminister Pistorius interessiert sich für den Fall. Derweil protestieren Anwohner:innen gegen die Kriegswirtschaft des Unternehmens.
Seit Jahrzehnten werden in Troisdorf, einer mittelgroßen Stadt bei Bonn, Waffen produziert. Erst durch die Sprengstofffabrik von “Dynamit Nobel” und nun durch “dyniTEC”, ein Tochterunternehmen des Rüstungsgiganten Diehl Defence. Dieses stellt heute Waffenteile für Kriege in aller Welt her und gilt als wichtiger Partner der Bundeswehr. Nun will es seine Produktion in Troisdorf ausweiten und wird dabei vom Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstützt.
Wer ist Diehl Defence?
Unter seinem Namen Diehl richtete bereits Heinrich Diehl 1915 seine Produktion im Zuge der Kriegsmobilisierung hauptsächlich auf die Herstellung von Waffen aus. Das Familienerbe wurde danach von Karl Diehl, einem damaligen NSDAPler und KZ-Betreiber weitergeführt, womit auch der Zweite Weltkrieg befördert wurde.
Nun liefert der 2004 in “Diehl Defence” umbenannte Konzern unter anderem Waffensysteme an Erdogan, der mit diesen Mitteln seinen Vernichtungskrieg gegen das kurdische Volk führt. Auch Israel versorgt Diehl Defence mit Waffen und unterstützt damit den Völkermord am palästinensischen Volk. Überdies verdient der Konzern darüber hinaus am Krieg in der Ukraine mit.
Diehl Defence breitet sich mit zahlreichen Tochterunternehmen überall in Deutschland und anderen Teilen der Welt aus, um von Krieg und Krise zu profitieren. 2022 verzeichnete der Konzern 810 Millionen Euro Gewinn. Nun möchte sich das Unternehmen in Nordrhein-Westfalen vergrößern und setzt derzeit auf den Standort Troisdorf. Die Tochterfirma dyniTEC produziert bereits seit Jahren auf dem Dynamit Nobel-Grundstück – inmitten von Wohngebäuden, Fußgängerzonen und Kindergärten.
Stadt Troisdorf soll Gelände kaufen
Bereits im Vorfeld wurde heftig über die Zukunft des Geländes gestritten. In einem Interview mit dem WDR und einer Pressemitteilung spricht sich nun auch der Troisdorfer CDU Bürgermeister Alexander Biber erstmals für den Kauf des Geländes durch die Stadt aus. Dort heißt es: „Ich halte es für höchst sinnvoll, wenn die Stadt die restlichen Flächen des ehemaligen Dynamit Nobel-Geländes kauft.“
Er begründete dies mit einer nicht mehr zeitgemäßen Verwendung des Geländes und warb mit Wohnungs- sowie Gewerbebauplänen. Auch die Troisdorfer Grünen sprachen sich anfangs für den Kauf des Geländes aus. Die SPD und FDP hingegen machten in jeweils eigenen Stellungsnahmen auf den rüstungspolitischen Wert von Diehl Defence aufmerksam und sprachen sich für eine Ausweitung der Waffenproduktion in Troisdorf aus.
Stadtrat will Waffenproduktion fördern – Anwohner:innen und Gewerkschafter:innen protestieren
In der Stadtratssitzung am 28. November sprachen sich schließlich sowohl die CDU als auch die Grünen dafür aus, die Waffenproduktion auf dem Gelände nicht zu unterbinden – trotz des Kaufs des Geländes durch die Stadt. Stattdessen wollen sie die Produktion weiter fördern und lediglich die Randgebiete bebauen. Am Ende der Sitzung sicherte sich die Stadt mit den Stimmen von CDU und Grünen zunächst ein Vorkaufsrecht auf das Gelände. Im März 2024 soll dann endgültig über das Gelände und seine Nutzung entschieden werden.
Die gesamte Stadtratssitzung wurde von Demonstrant:innen der “Linksjugend Rhein-Sieg” sowie dem “Solidaritätsnetzwerk Köln” kritisch begleitet. Mehrmals unterbrachen sie mit Parolen wie „Raus mit dem Kriegstreiber – Wohnraum für Arbeiter!“ die Reden der SPD. Daneben machten vor dem Rathaus in Troisdorf auch einige Bürger:innen auf die Verbrechen des Konzerns Diehl Defence aufmerksam.
Ebenfalls die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) war mit einigen Arbeiter:innen des Betriebs dyniTEC vor Ort. Von den Gewerkschafter:innen sprachen jedoch nur die höheren Vertreter:innen von der Wichtigkeit, die Aufrüstung Deutschlands voranzutreiben, und von der Bedeutung von Diehl Defence für die Ausstattung der Bundeswehr.
Verteidigungsminister Boris Pistorius schaltet sich ein
Die Debatte über die Rüstungsfirma schwappte im Anschluss aus der Troisdorfer Stadtratssitzung in den Bundestag und wurde dort von Agnes Strack-Zimmermann (FDP) aufgegriffen. Dort fragte sie, ob nicht „gesetzmäßig dagegen vorgegangen werden kann“, dass sich die Stadt Troisdorf in ihren Augen querstelle.
Der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kommentierte das Vorgehen ähnlich. Er sei im Gespräch mit NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst (CDU) und betonte die nach seiner Auffassung hohe Bedeutung für die Bundesrepublik, Munition und Explosivstoffe zu produzieren. Er forderte Länder und Kommunen dazu auf, die Realisierung dessen nicht zu behindern, sondern zu beschleunigen und die Aufrüstung Deutschlands aktiv voranzutreiben.
Damit stellt sich der Verteidigungsminister an die Spitze der Hetzkampagnen von Zeitungen wie der Rheinischen Post oder dem Kölner Stadtanzeiger, die dem Widerstand der Troisdorfer Bürger:innen gegen den Ausbau der Kriegsindustrie keinen Platz einräumen wollten.