Eine parlamentarische Untersuchungskommission bewertet den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr als „strategisch gescheitert”. Was bedeutet das für die Zukunft der deutschen Kriegspolitik?
Ein über 300-seitiger Bericht über den 19jährigen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von 2002 bis 2021 fällt ein hartes Urteil: Der „größte, teuerste, opferreichste Kriseneinsatz der – vor allem westlichen – Staatengemeinschaft“ habe seine Ziele nicht erreicht und müsse insgesamt als gescheitert gewertet werden. Die westlichen Truppen waren 2021 sukzessive aus Afghanistan abgezogen, woraufhin die Taliban das Land übernahmen und wieder das Islamische Emirat ausriefen.
Die Rückkehr der Taliban 2021 ist wohl eines der offensichtlichsten Zeichen des Scheiterns, immerhin rückte die Koalition westlicher Staaten mit dem Ziel ein, die islamistische Miliz zu vertreiben. Darüber hinaus äußert der Bericht Kritik am gesamten Verlauf des Einsatzes und an allen daran beteiligten Bundesregierungen. So seien die Absprachen zwischen verschiedenen beteiligten Ministerien sehr mangelhaft gewesen. Auch wird der Umgang mit Soldat:innen und Veteran:innen aus Afghanistan, die oftmals psychische und körperliche Schäden davontrugen und danach wenig Unterstützung erfuhren, bemängelt. Überhaupt geben viele Soldat:innen an, dass ihnen der Zweck des Einsatzes unklar geblieben sei.
Afghanistan: Die Besatzer haben ein verhungerndes Land zurückgelassen
In Afghanistan selbst – so die Bewertung – hätte die Bundeswehr die Kräfte der Taliban generell unterschätzt. Kritisiert wird auch die Strategie, lokale Warlords durch Bestechung von den Taliban weg zu führen. Dadurch sei die Korruption vor Ort befördert und die lokale Bevölkerung der Willkür und Unterdrückung dieser Warlords ausgeliefert worden. Hingegen sei der Aufbau einer zivilen Infrastruktur stark vernachlässigt worden, ebenso das Projekt des Aufbaus von Strukturen afghanischer Polizeikräfte.
Konsequenzen für die deutsche Kriegspolitik
Dem ehemaligen ARD-Afghanistan-Korrespondenten Kai Küstner zufolge findet der Bericht dennoch auch einige wenige lobende Worte über den Einsatz: Vor allem habe sich Deutschland gegenüber den USA als verlässlicher Bündnispartner erwiesen und eines der größten Truppenkontingente nach Afghanistan geschickt. Das legt die Deutung nahe, dass der Einsatz primär als ein politisches Signal an die USA und die NATO angelegt war. Da die Bundeswehr aber letztlich wegen der klaren Abhängigkeit von den USA auch deren übereilten Abzug 2021 mittragen musste, könnte der deutsche Imperialismus im Anschluss an den Afghanistaneinsatz die Konsequenz ziehen, mehr militärische Autonomie anzustreben.
Ein weiterer ausführlicher Abschlussbericht der Kommission wird zum Frühjahr diesen Jahres erwartet. Allgemein wird jedoch unter deutschen Militärs vor allem dahingehend diskutiert, künftig weniger auf kostspielige Auslandseinsätze in Westasien zu setzen. Stattdessen möchte man sich vor allem auf Europa und einen möglichen Krieg mit Russland konzentrieren.