Das 60. Jubiläum der Münchner Sicherheitskonferenz wirft seine Schatten voraus. Ein Überblick über die Geschichte, diesjährige Themen und berechtigte Protestaktionen. – Ein Kommentar von Vinzent Kassel.
Vom 16. bis 18. Februar findet traditionell im Münchner Bonzen-Etablissement „Hotel Bayerischer Hof“ die 60. Auflage der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) statt. Seit über 60 Jahren verhandeln hier vorwiegend NATO-affine Politiker, Wirtschafts- und Rüstungslobbyisten über den „Frieden“ in der Welt. Angefangen im Herbst 1963 unter dem Namen „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ debattierten ausschließlich Verbündete der BRD und USA über die Verteidigung des westlichen Kapitalismus gegenüber den Staaten des Warschauer Pakts.
Mit Ende des kalten Kriegs öffnete sich die Konferenz. Das Kapital sah seine Chance gekommen, nun auch mit – aus ihrer Sicht – ehemaligen „Schurkenstaaten“ Geld durch Waffendeals zu verdienen. Zuerst wurden Vertreter:innen aus Mittel- und Osteuropa geladen, ehe wirtschaftlich prosperierende Staaten, aus beispielsweise Westasien, in den Fokus der Waffenschieber gelangten. Der Großteil der Verhandlungen findet damals wie heutzutage hinter verschlossenen Türen statt und darauf ist die Militärszene auch noch ziemlich stolz.
„Fernab der Bühne und der Kameras nutzen Diplomaten bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Gelegenheit auch für informelle und diskrete Gespräche, um mögliche Lösungen für Konflikte auszuloten – auf Fluren, in Konferenzsälen oder an der Hotelbar“, schreibt das Verteidigungsministerium über die diesjährige MSC.
„Frieden durch Dialog“
So lautet die Devise der Münchner Sicherheitskonferenz. Eigentlich ein löblicher Leitspruch, der auch von einer Antikriegsdemonstration stammen könnte. Doch wie viel Frieden und Dialog ist wirklich gewollt? Ein Blick auf die aktuellsten reißerischen Äußerungen lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Friedensbekundungen.
Wenn Katarina Barley – Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl – eigene EU-Atombomben ins Spiel bringt, oder aber der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter von einer Verdreifachung des Sonderkriegsbudget auf 300 Milliarden schwadroniert, bestätigt das die momentane Kriegshysterie.
Außerdem sind Friedensverhandlungen bei der MSC24 zumindest im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt nicht möglich. Gesandte des russischen Staates sind nicht eingeladen, da sie die Regierung der Ukraine nicht anerkennen würden.
Auch an anderer Stelle sind die Erfolgsaussichten auf eine friedliche Einigung gering. Neben dem israelischen Präsidenten Herzog, wird auch der palästinensische Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete, Mohammad Schtajjeh, erwartet. Doch sowohl der Einfluss von Schtajjeh auf den Gazastreifen, als auch die Gesprächsbereitschaft der israelischen Fraktion müssen hierbei in Frage gestellt werden.
Dabei ist es natürlich schwierig, zwei verfeindete Parteien an einen Tisch zu kriegen. Aber wie kann sich eine Sicherheitskonferenz den Slogan „Frieden durch Dialog“ auf die Fahne schreiben, wenn wirklicher Dialog offenbar nicht gewünscht ist?
Lose-Lose-Win
Mehr Dialogbereitschaft kann allerdings von der Rüstungslobby erwartet werden. „Lose-Lose?“ lautet die Überschrift des „Munich Security Report 2024“, der jährlich zur MSC erscheint. Ähnlich wie beim Motto der Konferenz, kann auch diese Aussage aus kriegsgegnerischer Sicht unterschrieben werden.
Doch bei der MSC ist das anders gemeint: Sowohl der Ukraine-Krieg, als auch der Krieg im Gaza-Streifen seien ein Verlustgeschäft für die beteiligten Staaten. Nur leider wird dabei „vergessen“, dass an jeder kriegerischen Auseinandersetzung die auf der MSC breit vertretene Rüstungsindustrie mächtig verdient. Rheinmetall-Chef Armin Theodor Papperger sagte dem Handelsblatt am 11.02.24, dass sie ihre Produktionskapazitäten an manchen Standorten verdoppeln oder sogar verdreifachen möchten, um Europa mit Artilleriegeschossen versorgen zu können.
Was sich aus seinem Mund wie eine Hilfeleistung anhört, ist im Endeffekt nichts anderes, als ein profitables Geschäft. Mit dem Leid der Menschen, werden hier Milliarden gescheffelt. Bezeichnend, wenn Verteidigungsminister Pistorius oder der bereits erwähnte Kiesewetter hierfür auch noch die Werbetrommel rühren, um somit die Kriegsausgaben in die Höhe zu treiben.
Breitgefächerter Gegenwind
Eine vielschichtige Vereinigung verschiedenster Organisationen wird sich auch dieses Jahr dem jährlichen Waffenmarkt entgegenstellen. Das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz ruft für Samstag, 17.02.24, zu einer Kundgebung, Demonstration und Protestkette auf. Unter dem Slogan „Kriegstreiber unerwünscht!“ soll der Veranstaltungsort umzingelt werden, um den Unmut möglichst nahe an die Beteiligten heranzutragen.
Auch abseits der Straße wird es Gegenveranstaltungen geben: Die 22. Internationale Münchner Friedenskonferenz findet zeitgleich zur MSC statt. Teilnehmer:innen erwartet ein bunter Mix aus Vorträgen, Filmvorführungen und Workshops – alle im Zeichen von Pazifismus und/oder Antikapitalismus. Als Referent:innen haben sich u.a. der ehemalige deutsche Diplomat Michael von der Schulenburg oder die irische Europaabgeordnete Clare Daly angekündigt.
Die dreitägige Veranstaltung soll dabei rund 28.000 € kosten. Die letzten Jahre erhielt das Orga-Team einen Zuschuss von 6.000 € von der Stadt München. Geht es nach der SPD/Volt-Fraktion und Grünen-Rosa-Liste, wäre damit in Zukunft Schluss. Ende Februar wird über einen Antrag abgestimmt, um die Förderung einzustellen. Laut der Grünen-Stadträtin Mona Fuchs sei die Veranstaltung „nicht im Sinne der Förderung von Frieden und Solidarität“. Was bleibt ist die Feststellung, dass vermeintliche „Mitte-Links Parteien“ sich eher mit der Waffenlobby als mit Pazifist:innen solidarisieren.