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Sonntag, April 28, 2024
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    Urteil zu transfeindlicher Gewalt: „Brianna war kein Einzelfall – Widerstand überall“

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    Vor einem Jahr, im Februar 2023 wurde die junge, transgeschlechtliche Frau, Brianna Ghey, in Warrington / England ermordet. In Reaktion darauf kam es international zu heftigen Protesten. Fast ein Jahr später wurde nun am Freitag das Urteil gegen ihre Mörder:innen verkündet.

    Am 11. Februar 2023 ermordeten zwei Jugendliche die 16-jährige Brianna Ghey. Sie planten die Tat minutiös, gaben sich als Freund:innen aus, die sich mit ihr treffen wollten und stellten ihr eine Falle in einem Park. Der Fall führte zu einem internationalen Aufschrei von LGBTI+-Personen und vielen anderen: Eine weitere Schwester wurde brutal aus dem Leben gerissen.

    England: Mord an junger transgeschlechtlicher Frau

    Im Dezember wurden die Mörder:innen vor Gericht schuldig gesprochen, nun erfolgte die Urteilsverkündigung mit Bekanntgabe des Strafmaßes: Beide wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Erstmalig wurden die Identität der Mörder:innen veröffentlicht, die aufgrund ihres Alters zuvor im Verfahren anonymisiert waren.

    Im Zusammenhang mit dem Femizid (Mord an einer Frau, aufgrund ihres Geschlechts) an Brianna wurden sowohl vor Gericht, als auch in den Medien besonders das junge Alter der Mörder:innen betont, ihre Gewaltfantasien, die sie per Chat austauschten, und ihre psychischen Erkrankungen.

    Die Berichterstattung konzentrierte sich darauf, erschreckende Details zu verbreiten und von vornherein hervorzuheben, das es sich nicht um einen transfeindlichen Femizid handele, obwohl der Hass beider Möder:innen auf Brianna unzweifelhaft mit transfeindlichen Chatnachrichten belegt wurde. Auf einer Liste hatten die Jugendlichen mögliche Zielpersonen ihres Mordes notiert, wovon Brianna die einzige transgeschlechtliche Frau war. Die Ursache des Mords an Brianna Ghey wurde mystifiziert und der gesamte Fall zu einem Medienspektaktel über sadistische Jugendliche gemacht.

    Wieso die Jugendlichen gerade Brianna auswählten und nicht andere, und auch den gesellschaftliche Rahmen, in dem der Femizid stattfand, beleuchteten die Medienberichte kaum. Jedoch kam auch die Richterin beim Urteilsspruch nicht umhin, die „Feindseligkeit gegenüber Brianna wegen ihrer Transgender-Identität“ als weiteres Motiv anzuerkennen.

    Transfeindliche Hetze – In Großbritannien und der Welt

    Der Femizid an Brianna erreichte eine so große Bekanntheit, dass sich auch der britische Premierminister Rishi Sunak (Tories) gezwungen sah, sich über seinen Pressesprecher zum Fall zu äußern. Seine Gedanken seien mit Briannas Familie. Außerdem teile er „das Entsetzen des Landes über diesen verabscheuungswürdigen und feigen Mord“ und betonte, wie „schockierend und außergewöhnlich“ der Fall sei.

    Wieder unterstrich ein Politiker die Brutalität, aber auch angebliche Einzigartigkeit des Falls. Mit Blick auf vorherige Äußerungen des Premiers wirkt das ausgedrückte Mitgefühl wie ein Versuch, die eigene transfeindliche Politik von diesem Fall abzugrenzen, um nicht damit in Verbindung gebracht zu werden. Die Hetzkampagnen konservativer bis faschistischer Parteien und Medien gegenüber trans Personen wurden weitgehend ausgeblendet.

    Auf dem Parteitag der Tories im Oktober 2023 beispielsweise hetzte Premier Sunak unter lautem Applaus weiter gegen die trans Community: Man dürfe nicht glauben, das man das Geschlecht haben kann, das man haben möchte. „Ein Mann ist ein Mann und eine Frau ist eine Frau. Das ist einfach gesunder Menschenverstand.“

    Kurz vor dem Femizid an Brianna Ghey nutzte die britische Regierung im Januar 2023 sogar ihr Veto-Recht im schottischen Parlament gegen die beschlossene Reform des „Gender Recognition Act“. Die Reform sollte die Hürden zur Änderung des Geschlechtseintrags verkleinern. Das war der erste Angriff dieser Art auf das 1999 geschaffene Regionalparlament. Auch vor dem Hintergrund der Unabhängigkeitsbestrebungen von Schottland sorgte der transfeindliche Eingriff der britischen Regierung für noch stärkere Konflikte.

    „Widerstand wie noch nie – LGBTI“

    Die Mittäterschaft des Staats im Fall von Brianna Ghey zeigen die Aktivist:innen der Jugendorganisationen Young Struggle, Zora und Pride Rebellion deutlich auf: Mit Unterstützung vom Studierendenkollektiv bringen sie ihre Wut über den Femizid am Tag der Urteilsverkündung vor dem britischen Botschaft in Berlin auf die Straße.

    In ihren Reden wird deutlich: LGBTI+ Personen werden im Patriarchat, der Herrschaft des Mannes über die Frau, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und unterdrückt. Ein System, das auf der doppelten Ausbeutung der Frau in Lohnarbeit und unbezahlter Hausarbeit aufbaue, kenne keinen Platz für LGBTI+:

    „LGBTI+ Personen erfahren schon von früh an Gewalt. […] Letztendlich steht der Femizid an Brianna in einer Reihe mit Femiziden, auch hier in Deutschland. Er steht in einer Reihe mit transfeindlicher Gewalt und Morden.“

    „Mit unseren Parolen zeigen wir auf, dass es notwendig ist, sich zu organisieren und den Kampf aufzunehmen. […] Wir rufen alle LGBTI+, alle Arbeiter:innen zum Widerstand auf: Gegen Unterdrückung von LGBTI+ und das Patriarchat allgemein!“

    Der Aufschwung der faschistischen Bewegungen und ihrer Parteien in Europa führt derzeit zu einer deutlichen Verschärfung der Situation vieler Menschen – ob Migrant:innen, Geflüchtete und LGBTI+, besonders trans Personen sind verstärkt medialer Hetze und Gewalt ausgesetzt.

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