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Sonntag, April 28, 2024
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    Sommermärchen ausgeträumt? DFB-Spitze von 2006 wegen Steuerhinterziehung wieder vor Gericht

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    Fast 18 Jahre nach dem sogenannten Sommermärchen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 stehen drei der damaligen Strippenzieher wieder vor Gericht: die ehemaligen DFB-Präsidenten Zwanziger und Niersbach sowie der frühere Generalsekretär Schmidt. Dabei geht es weniger um den Kauf der WM an sich als um die 13,7 Millionen Euro Steuern, die im Zuge dessen wohl hinterzogen wurden.

    Seit dem 4. März müssen sich die drei Ex-Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Es geht wieder um den Vorwurf der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der WM 2006. Bereits in der Vergangenheit hatte es dazu gerichtliche Untersuchungen gegeben.

    Das jetzt gestartete Verfahren dreht sich hauptsächlich um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die der DFB im April 2005 an die FIFA überwiesen hatte. In seinem Jahresabschluss wies der DFB diese Zahlung als Betriebsausgabe für eine „WM-Gala“ aus – wobei die Gala nie stattfand.

    Das steht auf dem Spiel

    Alle Anwälte streiten die Anklagepunkte ab und werfen der Staatsanwaltschaft vor, es gehe ihr um „eine Prominenten-Verfolgung“ und Ähnliches. Den Ermittlungsakten fehle es an Beweisen. „Spekulationen“ nennen sie den Fall, obgleich bereits klar ist, dass 6,7 Millionen Euro über die Schweiz nach Katar flossen. Der Emir hatte dem DFB bei der Kandidatur für die WM 2006 dabei geholfen, die Stimmen der asiatischen Verbände für Deutschland zu gewinnen.

    Franz Beckenbauer – Kaiser der Fußball-Korruption?!

    Der Kommentar von Herbert Scholle legt auch nahe, dass es sich hierbei zwar nicht direkt um einen politischen Prozess handelt, sondern einen technischen, das Drumherum allerdings von großem politischen Interesse ist. Dabei geht es sowohl um den deutschen Nationalismus, der auch mit der WM 2006 wieder aufflammte, als auch um das Selbstverständnis und das Image Deutschlands als „vorbildliches Land” mit scheinbar niedriger Korruptionsrate.

    Dass es jetzt laut Metz, Zwanzigers Anwalt, an den „Voraussetzungen und Tätern für eine Steuerhinterziehung” fehle, steht im Widerspruch dazu. Einzig unklar ist, wofür genau das Geld letztlich verwendet wurde. Denn eine „WM-Gala“, wie vom DFB steuerlich angegeben, fand nicht statt. Dabei ist es für die Straftat der Steuerhinterziehung irrelevant, wo genau das Geld am Ende gelandet ist, solange es zweckentfremdet wurde, meint auch der ARD-Journalist Joscha Bartlitz.

    Steuerhinterziehung in Höhe von 13,7 Millionen Euro

    In der Anklage heißt es daher, dass der Zahlung „tatsächlich ein anderer Zweck zugrunde gelegen” habe und die Zahlung daher nicht steuermindernd hätte verbucht werden dürfen. Im Raum steht, dass das Geld im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen stehen könnte.

    Die Staatsanwaltschaft wirft den Ex-Funktionären laut Anklageschrift zudem vor, „im Rahmen ihrer damaligen Verantwortlichkeiten die Einreichung inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen veranlasst und hierdurch Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern sowie Solidaritätszuschlag für das Jahr 2006 in Höhe von insgesamt über 13,7 Millionen Euro zugunsten des DFB verkürzt” zu haben.

    Gerichtliches Hin und Her trotz klarer Faktenlage

    Dem DFB war infolge der Vorwürfe rückwirkend für das betreffende Jahr die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Verband musste 2017 rund 22,5 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Eine Klage des DFB beim Finanzgericht Kassel liegt aber vorerst auf Eis – bis zum Abschluss des „Sommermärchen”-Prozesses, für den zunächst 16 Verhandlungstage angesetzt sind. In einem Freispruch wittert der DFB die Chance, die Gemeinnützigkeit und damit Steuererleichterungen wiederzuerlangen.

    Den Geldregen könnte der Verband gut gebrauchen, denn die Finanzlage ist angespannt. 2022 betrug der Verlust gut vier Millionen Euro, die freie Rücklage sank von fast 75 Millionen Euro auf knapp 41,5 Millionen Euro. Die Verantwortlichen des DFB dürften daher aufgeatmet haben, dass alle drei Angeklagten vor Gericht erscheinen müssen.

    Die Staatsanwaltschaft hatte rund um den Jahreswechsel mit Niersbach und Schmidt eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage ausgehandelt. Niersbach sollte 58.000 Euro zahlen, Schmidt sogar 100.000 Euro. „Die Zustimmung zu einer solchen Einstellung erteilte Herr Niersbach, um die Belastungen einer sich über Monate hinziehenden öffentlichen Hauptverhandlung zu vermeiden“ und „nicht etwa, weil er eine Verurteilung fürchtet”, teilten Niersbachs Anwälte mit.

    Weil die Staatsanwaltschaft ihr Angebot nicht auch Zwanziger unterbreitet und diesen nicht einmal darüber informiert hatte, wertete das Gericht den Deal jedoch als Verstoß gegen das Gebot der Fairness und lehnte diesen wegen Ungleichbehandlung ab. Möglicherweise wird diese Angelegenheit sogar noch ein juristisches Nachspiel haben.

    Einer der Anwälte fordert derweil, das Verfahren komplett einzustellen. Wegen des Verbots der Doppelverfolgung und Doppelbestrafung liege ein „Verfahrenshindernis” vor. Ein Prozess in der Schweiz war nämlich 2022 wegen „Verjährung“ eingestellt worden.

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