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Samstag, April 27, 2024
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    Militarisierung in Israel: Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe?

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    In Jerusalem protestierten ultraorthodoxe Jüd:innen für den Erhalt einer Sonderregelung, die sie vom Wehrdienst im israelischen Militär befreit. Zuletzt hatte die israelische Regierung wieder einen Vorstoß unternommen, diese Ausnahme abzuschaffen und so tausende weitere Rekrut:innen für die Armee zu gewinnen.

    Der israelische Verteidigungsminister Joev Gallant fordert derzeit die Aufhebung der in Israel seit Staatsgründung bestehenden Regelung, nach der ultraorthodoxe Jüd:innen vom ansonsten für alle Israelis verpflichtendem Militärdienst befreit sind. Gallant begründet diesen Vorstoß mit der „unmittelbaren Notwendigkeit“ für die Ausweitung des Militärdienstes insgesamt, um die Kriegsfähigkeit des israelischen Staats weiter zu erhöhen.

    Im Laufe der Woche war es in Jerusalem rund um die geforderte Aufhebung dieser Sonderregelung zu Protesten ultraorthodoxer Jüd:innen gekommen. Die Protestierenden blockierten im Zuge dessen Straßen und eine zentrale Kreuzung, Polizeikräfte schritten ein und lösten die Versammlungen gewaltsam auf.

    Wehrdienst für einen durchmilitarisierten Staat

    Laut dem “Global Militarisation Index” des Bonner International Centre for Conflict Studies (BICC) für das Jahr 2022 liegt Israel im internationalen Vergleich auf Platz zwei. Jahrelang befand sich Israel in dem Ranking – es erfasst die Verhältnisse von staatlichen Militärausgaben zu Ausgaben im Gesundheitsbereich, die Anzahl von Militärpersonal im Vergleich zu ärztlichem Personal sowie die einer Armee zur Verfügung stehenden schweren Waffen – gar auf dem ersten Platz und wurde 2022 nur von der Ukraine überholt. Mit dem Ausbruch des Kriegs um Gaza 2023 hat die israelische Regierung außerdem einen noch radikaleren Kurs in Richtung Militarisierung der gesamten Gesellschaft eingeschlagen.

    Die Wehrpflicht in Israel ist gleichzeitig eines der wichtigsten gesellschaftlichen Elemente zur Herstellung von gemeinsamer Identität. Für alle jüdischen Frauen sind zwei Jahre Wehrdienst verpflichtend, für alle jüdischen Männer sogar 36 Monate. Von der Wehrpflicht ausgenommen sind alle arabischen Israelis und ultraorthodoxe Jüd:innen, die an religiösen Einrichtungen studieren.

    Fundamentalistische Jüd:innen in Opposition zum Zionismus

    Diese Sonderegel besteht bereits seit der Staatsgründung Israels, als nur wenige hundert ultraorthodoxe Jüd:innen in Palästina lebten. Heute umfassen alle ultraorthodoxen Gemeinden in Israel aber mehrere hunderttausend Menschen. Verschiedene ultraorthodoxe Gruppen haben in der Vergangenheit nicht nur gegen die immer wieder geforderte Einführung der Wehrpflicht für sie, sondern zum Beispiel auch gegen staatliche Corona-Maßnahmen protestiert.

    Die Gruppen bezeichnen sich selbst zum großen Teil als „Haredim“ (eingedeutscht „charedisch“, wörtlich „Zitternde“, im übertragenen Sinn „Gottesfürchtige“) und leben meist zurückgezogen und isoliert. Da sie streng auf die Einhaltung religiöser Gebote achten, lehnen einige ultraorthodoxe Gruppen den israelischen Staat und die zionistische Ideologie ab. Ihnen zufolge hätten Jüd:innen kein Recht, das heilbringende Israel selbst aufzubauen, sondern sind verpflichtet darauf zu warten, dass Gott selbst in der Endzeit der Welt ein Israel als Heimstätte der verstreuten jüdischen Völker erschafft.

    Daraus ergibt sich bei einigen Gruppen die Haltung, das israelische Militär nicht unterstützen zu dürfen. Zum Teil lehnen ultraorthodoxe Juden den Militärdienst aber auch deshalb ab, weil sie aus religiösen Gründen jeglichen Kontakt zu Frauen vermeiden und im israelischen Militär auch Frauen dienen.

    Während immer wieder und auch gegenwärtig ultraorthodoxe Parteien, die jeweils verschiedene ultraorthodoxe Strömungen vertreten, an der Regierungsbildung in Israel beteiligt sind und dort die Interessen ihrer Richtungen vertreten, arbeiten andere Gruppierungen offen mit dem iranischen Regime, der Palästinensischen Autonomiebehörde oder der Hamas zusammen.

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