Das Gaming-Monopol Nintendo hat kürzlich Klage gegen einen Spiele-Entwickler eingereicht, der Videospiele auf mehr Geräten spielbar gemacht hatte und diesen damit gezielt ruiniert. Was der Fall „Yuzu“ über Kapitalismus in der Videospiel-Industrie aussagt. – Ein Kommentar von Michael Koberstein.
Wer gerne Videospiele, beispielsweise für die Playstation 4 oder die Nintendo Wii, spielen möchte, aber nicht die Konsolen dafür besitzt, der wird wahrscheinlich auf einen Emulator zurückgreifen. Emulatoren sind Hardware- oder Software-Programme, mit deren Hilfe ein System ein anderes „nachahmen“ kann. Damit können z.B. ältere Betriebssystem auf neueren laufen oder Gameboy-Spiele auf dem Handy, dem PC oder einer anderen Spielekonsole. Auch bei Druckern wird Emulation genutzt, weil viel Software ausschließlich für HP-Drucker geschrieben wird.
Für Videospiel-Emulatoren haben sich große Online-Communities gebildet: Der Dolphin-Emulator für die Nintendo-Wii und Gamecube hatte mehr als 50.000 tägliche Nutzer (Stand 2017). Gleichzeitig sind Emulatoren den Gaming-Giganten der Videospiel-Industrie ein Dorn im Auge, da es so möglich ist, ihre Spiele zu spielen, ohne sie nochmals zu kaufen. Es werden immer wieder Debatten darüber geführt, ob es sich um Software-Piraterie handle. Nun ist das Thema wieder relevant geworden beim Nintendo-Switch-Emulator Yuzu, welcher bis jetzt der einzige Nintendo–Switch-Emulator war.
Videospiel-„Piraterie“ unbedeutend – Das Monopol setzt sich trotzdem durch
Am 4. März haben Tropic Haze, die Entwickler von Yuzu und Citra, bekanntgegeben, dass sie die Entwicklung des Projekts mit sofortiger Wirkung stoppen. In dem Statement erklären sie, dass das Team „schon immer gegen Piraterie gewesen“ und enttäuscht darüber sei, dass manche Nutzer mithilfe von Yuzu Piraterie betrieben hätten.
Auch der Citra-Emulator, der vom selben Team entwickelt wurde, wird eingestellt. Hintergrund ist, dass der Nintendo-Konzern Klage gegen die Entwickler eingereicht hat, da auch dieser bestimmte Softwareverschlüsselungen übergehe und so Piraterie von Nintendo-Switch-Spielen erleichtere. Die Yuzu-Entwickler haben der Klage zugestimmt, bevor es zu einem gerichtlichen Prozess kommen konnte. Darin enthalten ist eine Zahlung von 2,4 Millionen US-Dollar an Nintendo.
Emulatoren sind grundsätzlich legal, solange sie nicht den originalen Code von der ursprünglichen Spielkonsolen-Software zur Erstellung des Emulators benutzen. Es sollen allerdings Nachrichten auf dem Discord-Server von Yuzu existieren, die nahelegen, dass sie Nintendo-Switch-Software gespeichert und benutzt haben.
Das macht eine Verteidigung gegen Nintendos Top-Anwälte schwieriger. Dabei ging aus einer EU-Studie aus dem Jahre 2015 hervor, dass Piraterie im Allgemeinen Verkaufszahlen nicht beeinflusst. Diese Studie wurde von der EU allerdings ursprünglich nicht veröffentlicht, sondern erst 2017, von einem damaligen Mitglied der Piratenpartei.
Nintendo gegen die Gaming-Community
Es überrascht nicht, dass Nintendo so hart gegen Yuzu vorgeht. Nintendo ist berüchtigt dafür, sehr stark vom Urheberrecht Gebrauch zu machen und so Fanprojekte und Co. zu zerstören. So verteilt Nintendo oft Urheberrechtsverstöße an Menschen, die ihre Musik auf YouTube hochladen, verhindert, dass der Dolphin-Emulator auf der Plattform Steam erhältlich ist, oder veröffentlicht ein Update für den Nintendo-3DS, das nur dazu dient, Modifizierungen zu verhindern.
2015 versuchte Nintendo außerdem, an Gaming-Videos ihrer Spiele auf YouTube mitzuverdienen, indem das Monopol selbst einen Anteil der Werbeeinnahmen erhalten wollte. Das war allerdings sehr unbeliebt und wurde 2018 wieder eingestellt. Seitdem geht Nintendo in diesem Bereich nicht mehr so stark vor.
Innovation durch Open-Source statt Konzerngeheimnisse
Emulatoren zeigen, dass Innovation auch ohne kapitalistische Konkurrenz möglich ist. Viele Emulatoren sind Open-Source, d.h. der Code ist offen verfügbar und man kann die Emulatoren kostenlos herunterladen. Oft sind Emulatoren die einzige Möglichkeit, Videospiele zu spielen, ohne dafür Unsummen auszugeben. Denn besonders gefragte Spiele wie alte Pokémon-Titel werden für Hunderte Euro auf Ebay und Co. angeboten.
An alten Spielen, die nicht mehr im Handel erhältlich sind, verdienen Videospiel-Konzerne nichts mehr, außer wenn sie selbst kostenpflichtige Emulator-Service anbieten. Meistens haben die kostenlosen Emulatoren allerdings vielfältigere Features als die „offiziellen“ von Nintendo, Sony, Microsoft und Co. Das gilt auch für Emulatoren von aktuellen Konsolen wie Yuzu.
Zudem ist Emulation die einzige Möglichkeit, langfristig Videospiele zu erhalten, da irgendwann alte Spielkonsolen nicht mehr vom Hersteller unterstützt werden (schließlich ist das dauerhaft unprofitabel) und Datenträger wie CD-ROMs irgendwann nicht mehr funktionieren.
Freie Software erst in einer freien Gesellschaft
Im Kapitalismus können marktbeherrschende Konzerne wie Nintendo nach wie vor das Urheberrecht für sich nutzen, um Entwickler:innen auszustechen, die ihrem Profit auch nur minimal schaden könnten. Dabei ist auch wichtig zu beachten, dass es letztlich Arbeiter:innen sind, die die Videospiele entwickeln. Obwohl die Löhne in der Videospiel-Branche noch relativ hoch sind, werden dort Gewerkschaftskämpfe wie zuletzt bei dem „Sonic“-Spielentwickler Sega ebenfalls immer relevanter.
In einer sozialistischen Gesellschaft, wo nicht mehr nach den Profitinteressen einiger weniger gearbeitet wird, sondern im Kollektiv für das Kollektiv, wäre sämtliche Software gleich Gesellschaftseigentum. Damit könnten die Fähigkeiten derer, die jetzt schon faszinierende Projekte zustande bringen, noch viel besser genutzt, weiterentwickelt und für alle zugänglich gemacht werden. Wie die Kommentare vieler User:innen zeigen, werden viele weiterhin Wege suchen, genau dies möglich zu machen und sich nicht von Monopolen wie Nintendo kleinkriegen zu lassen.