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Samstag, April 27, 2024
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    Repression statt Grundrechte

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    Am 18. März ist „Tag der politischen Gefangenen”. Seit einigen Monaten nehmen Angriffe auf Revolutionär:innen und die Meinungsfreiheit auch in Deutschland zu. Ob bei Demonstrationen, zu Hause oder in den Medien: Repressionen und Hetze stehen auf der Tagesordnung. – Ein Kommentar von Marlon Glaiß.

    Eigentlich gelten laut Gesetz für alle Bürger:innen in Deutschland die gleichen Grundrechte, und diese können auch nicht einfach ausgehebelt werden. Dazu zählen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Jüngste Ereignisse zeigen jedoch auf, dass diese Freiheiten anscheinend nur noch teilweise gewährt werden.

    „Versammlungsfreiheit”?

    Wenn man etwas gegen die Politik, gegen die Regierung, den deutschen Staat sagen möchte, dann kann man in Deutschland eine Versammlung anmelden und auf der Straße die eigene Meinung kund tun – zumindest dem Anschein nach. Denn grundsätzlich kann man solche Versammlungen zwar anmelden, aber ob dann tatsächlich auch Meinungsfreiheit auf der Straße gewährt wird, oder die Aktionen durch Auflagen und Verbote unmöglich gemacht werden, ist eine andere Frage.

    In den letzten Jahren wurde in vielen Bundesländern wie in NRW und Berlin durch die neuen Polizei- und Versammlungsgesetze genau diese Versammlungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. In Sachsen soll das bald ebenfalls passieren. Zusätzlich wurde auch ganz konkret auf der Straße immer mehr eingegriffen – durch wahllose Angriffe der Polizei und danach durch lange und teure Gerichtsprozesse.

    Bis heute werden z.B. die Gerichtsprozesse aus dem Jahr 2021 in Wuppertal geführt. Damals veranstaltete das Engels-Bündnis eine Gedenkdemonstration für Friedrich Engels. Plötzlich wurde diese ohne Begründung von der Polizei aufgelöst: die Demonstrierenden wurden eingekesselt, von allen Teilnehmenden wurden Personalien und Fotos gefordert, und anschließend griffen Polizist:innen zu Pfefferspray und Schlagstöcken und verletzten mehrere Personen schwer. Bis heute ziehen sich mehrere Prozesse, während das Verwaltungsgericht noch immer entscheiden muss, ob der Polizeieinsatz überhaupt gerechtfertigt war. Ein ähnliches Verhalten konnte auch bei einem brutalen Angriff der Polizei auf eine Demonstration am Rande des G20-Gipfel 2017 in Hamburg gesehen werden. Auch dieser endete für eine Reihe von Demonstrant:innen im Krankenhaus oder in Untersuchungshaft – auch diese Prozesse ziehen sich bis heute hin. Eine konkrete Straftat konnte bisher keiner:m der Demonstrant:innen nachgewiesen werden.

    Bei einer anderen Gedenkdemonstration im Januar diesen Jahres in Berlin, der „Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration” („LLL-Demo”), griff die Polizei ebenfalls den Demonstrationszug brutal an. Dabei ging es um die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“. Die Polizei prügelte auch hier mit Schlagstöcken auf die Demonstrierenden ein. Kiefer- und Knochenbrüche, Platzwunden, Bewusstlosigkeit und sogar innere Blutungen trugen manche der Protestteilnehmer:innen davon. Dazu wurden mehrere Personen von der Polizei mitgenommen und erst Tage später wieder freigelassen.

    Einschüchterung durch brutale Hausdurchsuchungen

    Aber nicht nur die Eingriffe des deutschen Staats auf der Straße haben zugenommen: Ende letzten Jahres durchsuchte die Berliner Polizei Wohnungen von Mitgliedern der antikapitalistischen Frauenorganisation Zora. Anlass für die Durchsuchungen war das Verteilen eines Flugblatts, auf dem die Popular Front for the Liberation of Palestine positiv erwähnt wurde. Das ist eine palästinensische Organisation, die ebenfalls an den Kämpfen gegen den israelischen Staat beteiligt ist.

    Einschüchtern ließen sich die jungen Frauen von den Razzien nicht – am nächsten Tag bereits wurde eine Demonstration in Solidarität mit Zora veranstaltet, an der sich Betroffene sowie zahlreiche politische Gruppen beteiligten.

    Doch damit nicht genug: Als öffentlich politische Antwort hielt die Frauenorganisation am 10. Februar eine Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen ab. Dabei erklärte ihr Rechtsanwalt die gesamten Hausdurchsuchungen für unrechtmäßig. Weil die im Flyer genannten Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, basierten die Durchsuchungen ihm zufolge auf keiner rechtlichen Grundlage.

    Weiter erklärte der Anwalt, dass der Vorfall politisch so einzuordnen sei, dass Einschränkungen von linken Kräften verstärkt zunähmen. Juristisch werde durch Aktionen wie diese der Rahmen geöffnet, um politische Freiheit einzuschränken. Der verwendete Strafrechtsparagraph werde selten verwendet und diene als Vorstoß, um den juristischen Handlungsspielraum gegenüber revolutionären Kräften zu erweitern.

    Die Hetzjagd der Medien

    Nicht zuletzt sind es auch die Medien, die an einer Ausweitung der Repressionen fleißig mitarbeiten: Im September letzten Jahres unterstützten zahlreiche Zeitungen wie die WELT, der Spiegel, MDR und die BILD eine bundesweite Fahndung nach dem Partner der Antifaschistin Lina E. Mit einem Foto von seinem Gesicht und weiteren Hinweisen zu seinem Aussehen gaben sie der Repression eine öffentliche Plattform und verschärften sie damit immens. Wozu das führen kann, konnten wir letzten Monat in Wuppertal sehen: Ein ganzer Bahnhof wurde vom Spezial-Einsatz-Kommando (SEK) der Polizei mit Maschinengewehren gestürmt. Und das alles nur, weil jemand ein ehemaliges Mitglied der Rote Armee Fraktion (RAF) erkannt haben wollte. Die wurden kürzlich nämlich auch wieder auf Tausenden von Bildschirmen abgebildet, wie sie denn jetzt, 25 Jahre nach ihrem Untertauchen, aussehen könnten. Der festgenommene Mann war auf jeden Fall kein ehemaliges Mitglied der RAF, musste die Polizei dann zugeben.

    Auch die Letzte Generation (LG) stand im vergangenen Jahr oft im Fokus vieler Zeitschriften und Fernsehsender. Mit Überschriften wie: „Klimakleber nervt lieber, als zu arbeiten“ heizten die BILD und andere den Hass auf die LG aktiv an. Damit wurden dann Maßnahmen wie das „129a-Verfahren” gerechtfertigt, mit dem alles abgehört und mitgeschnitten werden kann, was Mitglieder der Organisation von sich geben. Ebenso wurde „Präventivhaft“ in Bayern verteidigt, mit der Dutzende Mitglieder – bevor sie auch nur irgendetwas machen konnten oder gar wollten – für mehrere Wochen in Haft kamen.

    Der Spielraum für das, was in Deutschland noch gesagt und getan werden kann, scheint immer kleiner zu werden – befeuert durch die unsägliche Verbindung von neuen einschränkenden Gesetzen, gerichtlichen Verfahren und dem zunehmend offensiven Eingreifen von Polizei und Geheimdiensten.

    Deutsche Repressionsmethoden in der Türkei

    Deutsche Repressionsmethoden finden auch international Anklang: In der Türkei wurden ab dem Jahr 2000 die sogenannten „F- und S-Typ-Gefängnisse“ nach deutschem Vorbild eingeführt. Es handelt sich dabei um Hochsicherheitsgefängnisse, in denen vor allem politische Gefangene unter Isolationshaft eingesperrt sind. In der Türkei finden deshalb immer wieder Hungerstreiks gegen diese Isolationshaft statt. So verweigern z.B. seit November 2023 in der Türkei und Nordkurdistan mehrere Revolutionär:innen im Hungerstreik, um gegen die Isolationshaft in diesen Gefängnissen zu protestieren. Das Europäische Anti-Folter-Komitee (CPT) beschreibt die isolierte Unterbringung als unmenschliche und entwürdigende Behandlung. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Humans Rights Watch berichten darüber hinaus von willkürlichen Disziplinarstrafen und Misshandlungen in den Gefängnissen.

    Politische Gefangene gibt es auch in Deutschland

    Egal ob in Griechenland, den USA, Irland, Brasilien, Sri Lanka, Kurdistan, dem Iran, der Türkei oder Palästina – überall dort, wo sich Menschen gegen Ausbeutung und Unterdrückung auflehnen, werden Aktivist:innen und Revolutionär:innen von den Herrschenden weggesperrt.

    Auch in Deutschland gibt es politische Gefangene: So zum Beispiel die Antifaschist:innen Jo, Dy, Findus und Lina, zahlreiche Kämpfer:innen der türkischen und kurdischen Organisationen, Aktivist:innen der Klima-Bewegung und viele mehr. Der 18. März wird in vielen Länder dazu genutzt, um Solidarität mit den politischen Gefangenen zu demonstrieren. Informiert euch bei rote-hilfe.de oder perspektive-online.net über Demonstrationen in eurer Nähe und nutzt den 18. März, um auf der Straße eure Solidarität mit den Gefangenen zu zeigen!

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