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Freitag, Mai 3, 2024
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    Effektive Streiks tun weh!

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    Mit Zuspitzung der Krisen und Spardiktaten der Bundesregierung sehen wir auch eine Zunahme an Protesten und Arbeitskämpfen. Die Kapitalist:innen fürchten sich vor dem Mega-Streik“ und vor einem Super Streikjahr. Zu Recht, denn das stärkste Mittel unserer Klasse, um unsere Forderungen durchzusetzen, ist und bleibt der Streik. – Ein Kommentar von Joleen Haupt

    Im Februar fanden bundesweit Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) statt. In 14 Bundesländern werden derzeit von ver.di neue Tarifverträge verhandelt. Diese Streiks wurden unterstützt von Fridays for Future (FFF), die unter dem Motto Wir fahren zusammen“ zum Aktionstag aufriefen.

    Das gemeinsame Bündnis von ver.di und FFF fordert Mobilität für alle und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im ÖPNV. Nach dem gemeinsamen Streikauftakt folgten weitere lokale Streiks der einzelnen Verkehrsunternehmen. Unbefristete Streiks könnten sich anschließen.

    Minijobber:innen als Streikbrecher:innen

    Auch die aktuelle Tarifrunde im Einzelhandel dauert bereits seit mehr als neun Monaten an, mindestens 2,50€ mehr Stundenlohn bei einer Laufzeit von einem Jahr fordert ver.di. Im Mittelpunkt der Streiks stand vor allem der Konzern Edeka. Was wir bisher nicht erlebt haben, sind geschlossene Supermärkte.

    Eigentlich ging an den Streiktagen fast alles seinen gewohnten Gang. Das liegt an der geringen Streikbeteiligung. So haben in Berlin und Brandenburg am 16.02. etwa 1.600 Beschäftigte gestreikt. Woran liegt das?

    Im Einzelhandel sind viele Kolleg:innen atypisch beschäftigt, z.B. in Form von Minijobs, und sie wissen nicht, dass sie mitstreiken dürfen. Diese Kolleg:innen sowie Scheinselbständige, die über Plattformen angeheuert sind, werden häufig als Streikbrecher:innen eingesetzt. Außerdem werden die Informationen zu den Streiks von der Gewerkschaft kaum an diese Kolleg:innen im Betrieb getragen. Effektiver laufen dabei die Streiks im Großhandel, wo sie in den Zentrallagern örtlich zu leeren Regalen führten.

    Wenn Betreiber streiken

    In Berlin ereignete sich eine andere Form des Arbeitskampfes. Die AWO als Arbeitgeber schloss r zwei Tage selber seine Kitas und andere Einrichtungen wie Jugendclubs, um Druck auf den Senat für die „Hauptstadtzulage” zu machen. Diese wurde im Herbst noch allen Kolleg:innen versprochen, was dann als Kommunikationsfehler“ abgetan und zurückgezogen wurde.

    Die Kolleg:innen der Freien Träger, die bereits vorher weniger als tariflich im öffentlichen Dienst verdienten, sind entsprechen sauer. Die freien Träger sehen sich nun im Kampf um die wenigen Fachkräfte gezwungen, selbst Maßnahmen zu ergreifen, um die Hauptstadtzulage zu erwirken.

    Angriffe auf das Streikrecht

    Seit November 2023 kämpften die Kolleg:innen der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) für einen neuen Tarifabschluss. Ihre Forderungen Inflationsausgleich und Einführung einer 35-Stunde Woche innerhalb der nächsten fünf Jahre für Schichtarbeitende. Diese Forderungen sind weder absurd noch überzogen, trotzdem mauerte die Deutsche Bahn. Um die Forderungen durchzusetzen, rief die GDL mehrfach dieses Jahr zum Streik auf, erst fünf Tage im Januar, dann 35 Stunden Anfang März und nochmals 24 Stunden Warnstreik im März.

    Der Streik der Lokführer:innen wurde begleitet von einer öffentlichen und medialen Diffamierungskampagne. In den Fernsehnachrichten sahen wir Interviews mit genervten Passagier:innen, die sagen, dass das Maß jetzt voll sei, in Zeitungen prangten die Titel wie: „Dieser Arbeitskampf richtet sich gegen jeden einzelnen von uns“ (Welt, 11.03.2024). Zumeist richtet sich die Wut gegen die streikenden Kolleg:innen oder GDL-Chef Weselsky, nicht gegen die Deutsche Bahn, welche die legitimen Forderungen nach Inflationsausgleich und die Einführung einer 35-Stunden-Woche im Schichtdienst ablehnte.

    Wir müssen die Attacken gegen die streikenden Lokführer:innen und die GDL sehr ernst nehmen. Anhand dieses Streiks wird derzeit versucht, das in der BRD schon begrenzte Streikrecht noch weiter zu beschneiden. Mehrfach ging die Deutsche Bahn vor Gericht gegen die Streiks vor – zuletzt, um die sogenannte „Wellenstreiktaktik” anzugreifen. Vor Gericht wurde der Eilantrag abgelehnt, jedoch sagte Richter Horcher in diesem Zusammenhang, dass die Gesetzgebung “ja ein Gesetz erlassen [kann], mit dem man Streiks in Betrieben der Daseinsvorsorge begrenzt, indem man zum Beispiel eine Ankündigungsfrist von vier Tagen einführt.” Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert eine Einschränkung des Streikrechts.

    Immer wieder wird dabei von der Verhältnismäßigkeit von Streiks gesprochen. Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass der Konzern, die Deutsche Bahn, auch einfach die Forderungen der Gewerkschaft annehmen könnte. Dass die GDL eine besonders streikfreudige Gewerkschaft ist, liegt keineswegs daran, dass Weselsky fortschrittlicher ist als andere Gewerkschaftsbosse, sondern daran, dass die GDL ihre Existenz sichern muss. Sie steht in Konkurrenz zur viel größeren EVG und nur durch die Sicherung der Mehrzahl an Lokführer:innen bleibt sie bestehen.

    Effektive Streiks tun weh

    Wir merken, dass die Streiks immer dann besonders schnell angegriffen werden, wenn sie dem Kapital weh tun. Der Güterverkehr, der von den Lokführer:innen abhängt, kann nicht einfach auf LKW verlegt werden. Ein längerer Streik der Kolleg:innen bedroht die Profite der deutschen Kapitalist:innen. Zudem ist die Organisierung der Gewerkschaft und damit auch die Streikbeteiligung bei den Lokführer:innen viel höher als beispielsweise im Einzelhandel, sodass die Streiks auch effektiver sind. Der Aufschrei von Politik und Presse bei Streiks im Öffentlichen Dienst oder an Krankenhäusern ist nicht annähernd so laut. Das liegt eben daran, dass hier nicht direkt wichtige Wirtschaftszweige bestreikt werden, die Produktionsmacht der Kolleg:innen also geringer ist.

    r uns Arbeiter:innen ist die logische Konsequenz, unsere Kämpfe zusammenzuführen, solidarisch mit allen Streikenden zu sein, Streiks und politische Kämpfe, wie die gegen Kürzungen oder Klimawandel, zu verbinden. Was wir gerade zu spüren bekommen, ist eine Abwälzung der Kosten von Wirtschaftskrise und Aufrüstung auf unsere Rücken – und genau dagegen müssen wir uns wehren! Dafür ist der Streik unsere stärkste Waffe.

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