Kompliziertere Anträge, kein Geld mehr für Besserverdienende und als Eltern gemeinsam zu Hause zu bleiben – all das wird schwerer: seit Beginn diesen Monats gelten neue Regelungen beim Elterngeld. Was die Änderungen bedeuten und wie Arbeiter:innen hier im großen Stil abgezogen werden. – Ein Kommentar von Herbert Scholle.
Um die Löcher im Haushalt zu stopfen, hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Ministerien – ausgenommen das Verteidigungsministerium – bereits letztes Jahr angewiesen, ihre Ausgaben zu senken. Eine der größten Einsparungen trifft das Familienministerium unter Lisa Paus (Grüne), nämlich die Reform des Elterngelds, die zum 1.April in Kraft getreten ist. Zukünftige Eltern müssen sich also auf eine ganz Reihe von Änderungen einstellen:
Kein Elterngeld für „Besserverdiener“ – alles nur Theater?
Ein Paar, das mehr als 200.000 Euro pro Jahr verdient, erhält kein Elterngeld mehr. Die Einkommensgrenze für den Erhalt von Elterngeld wurde also von 300.000 Euro um rund 30 Prozent gesenkt. Ab April nächsten Jahres sinkt diese Grenze erneut auf 175.000 Euro pro Jahr. Laut einer Umfrage des Familienministeriums kommt diese Änderung bei rund zwei Dritteln der Befragten gut an und wird als richtiger Schritt wahrgenommen – doch was steckt wirklich dahinter?
Die Senkung der Einkommensgrenze wird so dargestellt, dass nun Paare, die das Geld aufgrund ihres hohen Einkommens gar nicht brauchen würden, von Staatshilfen abgeschnitten werden. Die Änderung betrifft aber nur ca. 0,5% aller Paare, die Elterngeld beziehen. Viel gespart wird also nicht.
Eher soll uns das Ganze vor allem Sand in die Augen streuen: Denn während die „besserverdienenden“ Kleinbürger:innen und kleinen Manager nun kein Elterngeld mehr kriegen, hat der Staat anscheinend kein Problem damit, Großunternehmen und Kapitalist:innen mit milliardenschweren Investitionen und Steuergeschenken unter die Arme zu greifen.
Gemeinsame Elternzeit wird schwieriger
Ebenfalls wird der parallele Bezug von Elterngeld von beiden Elternteilen erheblich eingeschränkt. An der Elternzeit selbst – also dem Anspruch auf Freistellung von der Arbeit – ändert sich zwar nichts, Eltern können nun aber nur noch einen Monat gemeinsam zu Hause bleiben, ohne finanzielle Abstriche in Kauf zu nehmen. Es gibt zwar Möglichkeiten diese Zeit zu verlängern, das aber zum Beispiel nur, wenn ein Elternteil „Elterngeld Plus“ bezieht, pro Monat also nur die Hälfte des Elterngelds ausgezahlt bekommt.
Diese Änderungen machen eine gemeinsame und gleichberechtigte Kindererziehung natürlich enorm schwer. Die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, wie das Familienministerium sie immer wieder propagiert, ist hier also ganz offensichtlich nicht das Ziel. Ganz im Gegenteil: in vielen Fällen werden Eltern hier gezwungen, sich die Arbeit und Betreuung zuhause wieder so aufzuteilen, dass ein Elternteil arbeiten geht und das andere sich um die Kinder kümmert. Mit anderen Worten: Das Familienministerium leistet hier einen wichtigen Beitrag zum patriarchalen Status Quo, in dem der Mann (der ja meist mehr verdient) „die Familie versorgt“ und die Frau – wie gehabt – für häusliche Aufgaben und die Kindererziehung zuständig ist.
Darüber hinaus ist auch die Beantragung des Elterngelds alles andere als einfach. Jedes Bundesland hat seine eigenen Regelungen: in manchen kann man es digital beantragen, in anderen nicht. Auch die vielen verschiedenen Elterngeld-Modelle sorgen für große Verwirrung.
Höhere Löhne statt Elterngeld
Man darf nicht vergessen, dass es sich auch beim Elterngeld um Steuergelder handelt, die entweder direkt von uns Arbeiter:innen gezahlt werden, oder aus den Profiten stammen, die wir für die Unternehmen erarbeitet haben. Beim Elterngeld geht es also nicht darum, wie „großzügig” der Staat gegenüber Eltern ist, sondern darum, wie viel von unserem Geld tatsächlich für die Verbesserung unserer Lebensqualität und Geschlechtergerechtigkeit verwendet wird.
Schon allein die Existenz von Elterngeld zeigt die wahren Seiten des Systems auf: Bei ihm handelt es sich ja um nichts anderes als eine Lohn-Subvention. Diese ist aber überhaupt erst nötig, wenn der Lohn so niedrig ist, dass er nicht reicht, um beispielsweise Kinder zu bekommen, zu erziehen und auszubilden. Im Allgemeinen erhalten wir im Kapitalismus natürlich nicht den Wert unserer Arbeit als Lohn – dann könnte es ja keinen Profit geben. Zur Aufrechterhaltung des Systems müssten Arbeiter:innen aber immerhin so viel Lohn bekommen, dass sie ihr Leben finanzieren und auch Kinder großziehen können, die dann später auch arbeiten können.
Unser Lohn wird jedoch so niedrig gehalten, dass es für viele nicht einmal dafür reicht. Da der Staat aber absichern will, dass es auch eine nächste Generation von Arbeiter:innen gibt, plant er Lohn-Subventionen ein, die das ermöglichen sollen. Lasst uns also gemeinsam für bessere Löhne kämpfen, von denen wir tatsächlich leben können, anstatt von Staatsgeldern, die wir selber finanziert haben, abhängig sein zu müssen!