`
Dienstag, April 30, 2024
More

    Intakter Klasseninstinkt: Ampel und CDU verlieren immer mehr an Vertrauen

    Teilen

    Eine jüngst erschienene Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass SPD, CDU, Grüne und FDP einen Großteil der Deutschen nicht mehr repräsentieren. Die Forscher:innen beobachten außerdem eine „neue soziale Konfliktlinie”. Aber ist diese wirklich so neu? – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

    Die Bertelsmann-Stiftung und das SINUS-Institut veröffentlichten vor wenigen Tagen eine Studie, die das Wahlverhalten der Deutschen und ihre Zufriedenheit mit den Ampel-Parteien und der CDU untersucht. Der Befund ist eindeutig: Viele Menschen, die vormals CDU, SPD, Grüne und FDP gewählt und sich von diesen gut vertreten gefühlt haben, sind enttäuscht und wenden sich von diesen Parteien ab.

    Auffällig ist, dass die enttäuschten Wähler:innen nicht, wie vormals, einer anderen Partei aus diesem Spektrum ihre Stimme geben, sondern entweder zu Nichtwähler:innen werden oder sich der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht BSW) zuwenden.

    Soweit ist das keine bahnbrechende Erkenntnis. Erst im Januar zeigte eine Umfrage des Forsa-Instituts beispielsweise, dass lediglich ein Fünftel der Deutschen dem Bundeskanzler und der Regierung vertrauen. Egal ob Bertelsmann oder Forsa – insgesamt zeigen diese Zahlen, dass der Instinkt der Arbeiter:innenklasse intakt ist. Schließlich sind es genau die Regierungsparteien und die CDU, die in den letzten Jahrzehnten einen Großteil der Angriffe der Kapitalist:innen gegen sie umgesetzt haben.

    Sozialforscher:innen entdecken den Klassengegensatz wieder

    Die von der Bertelsmann-Stiftung beauftragte SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH ist vor allem für ihre sogenannten „Milieu-Studien” bekannt. Die Forscher:innen von SINUS selbst hatten nie den Anspruch, die Gesellschaftsstruktur in der BRD unabhängig zu ermitteln. Vielmehr sammeln sie in erster Linie Material für kapitalistische Unternehmer:innen, um ihnen dabei zu helfen, ihre Produkte zielgerichteter verkaufen zu können. Trotzdem wurden die SINUS-Kategorien über deutsche Milieus und Interessengruppen immer wieder wie wissenschaftliche Erkenntnisse von Medien und Politiker:innen aufgegriffen.

    Berühmt geworden sind in diesem Zusammenhang die „Kartoffelgrafiken“, mit der die deutsche Bevölkerung abgebildet wird. Der Begriff spielt dabei auf die verschiedenen Milieus ab, die sich zu einzelnen Knollen verdichten und voneinander abgrenzen. Klasse und sozialer Status spielen in diesen Grafiken und Analysen meist eine sehr untergeordnete Rolle, es gibt kein „oben“ und „unten“ und auch kein „rechts“ und „links“ – vielmehr stehen Identität, Habitus und Wertvorstellungen im Fokus.

    Insofern ist es eine besondere Entwicklung, wenn nun die SINUS-Forscher:innen in ihrer aktuellen Studie „eine neue soziale Konfliktlinie“ in der deutschen Demokratie benennen und offen darüber schreiben, dass ärmere Menschen sich von CDU, SPD, Grünen und FDP weniger repräsentiert fühlen als reichere. Auch das ist natürlich keine neue Erkenntnis – doch neu ist, dass sogar diejenigen, die jahrzehntelang halfen, den Klassengegensatz in Deutschland wegzureden und zu verschleiern, mittlerweile nicht mehr darum herum kommen, wieder über Arme und Reiche zu sprechen.

    Auch eine Lösung haben die SINUS-Leute gleich parat: Ampel-Regierung und CDU-Opposition müssten nun deutlicher zusammenrücken, gemeinsame Projekte angehen und die gesellschaftliche „Mitte“ erhalten. Ansonsten, so die Forscher:innen, brösele das Fundament der deutschen Demokratie unaufhörlich weg.

    Das wiederum sollte sich in den Ohren von allen, die sich von eben dieser Demokratie nicht repräsentiert fühlen, eigentlich ganz gut anhören. Denn das der Gegensatz zwischen Ausbeuter:innen und Ausgebeuteten in unserer Gesellschaft immer mehr zu Tage tritt, mag für die Ausbeuter:innen schlecht sein – für uns Arbeiter:innen heißt es aber, dass immer mehr Menschen bereit sein werden, etwas an dieser Gesellschaft zu ändern.

    • Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News