Die Debatte um den umstrittenen Paragrafen zu Schwangerschaftsabbrüchen dauert seit Jahren an. Zur Klärung der Frage setzte die Regierung eine Kommission ein. Diese kam zu dem Schluss, dass die Aufrechterhaltung des Paragrafen 218 nicht nur wenig sinnvoll, sondern auch rechtswidrig wäre. Die Ampelregierung möchte das Gesetz nun trotzdem so lassen, wie es ist. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.
Vor wenigen Tagen hat die von der Ampelkoalition eingesetzte Kommission zu Schwangerschaftsabbrüchen ihre Arbeit abgeschlossen. Sie kommt in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass die bisherige Illegalisierung von Abbrüchen rechtlich nicht haltbar ist und schlägt eine Überarbeitung des Rechts vor. Der Schwangerschaftsabbruch soll in den ersten zwölf Wochen legal sein. Außerdem soll sich das Recht für Eizell-Spenden verändern – sie sind bisher verboten – und neu über das Konzept der Leihmutterschaft debattiert werden.
Verschiedene Politiker:innen der Koalition, Lisa Paus (Grüne), Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP) gaben nun in einer Pressekonferenz am Montag bekannt, dass sie trotzdem nicht planen, das Recht zu überarbeiten. Da die Empfehlungen der bisher eingesetzten Kommission aus Wissenschaftler:innen keinerlei Rechtsbindung haben, sind sie dazu auch nicht verpflichtet.
Frauenrechte dürfen keine Verhandlungssache sein
Die jetzige Regelung – also dass Schwangerschaftsabbrüche zwar verboten sind, unter bestimmten Bedingungen in den ersten 3 Schwangerschaftsmonaten jedoch straffrei – wird dabei als eine Art „Kompromiss“ zwischen Gegener:innen und Befürworter:innen von Abbrüchen verkauft. Von einem Kompromiss zu reden, ist allerdings mehr als unpassend, wenn die eigentlich Betroffenen bei der Entscheidungsfindung keinerlei entscheidendes Mitspracherecht haben. Mal abgesehen davon, dass grundlegende demokratische Rechte für alle Menschen keine Verhandlungsfrage sein sollten.
Frauen, aber auch denjenigen Transpersonen, die schwanger werden können, wird bei diesem „Kompromiss“ faktisch das Recht auf Selbstbestimmung aberkannt. Dieses Recht, das durch die kapitalistische Gesellschaft auch ansonsten eingeschränkt wird – schließlich können arme Menschen sich auch nicht frei entfalten – , wird Frauen und Transpersonen so nicht einmal auf dem Papier zugestanden.
Demokratie – aber für wen?
In der Debatte wird aber nicht nur das grundsätzliche Recht auf Selbstbestimmung infrage gestellt, zusätzlich zeigt sich in ihr auch das wahre Gesicht der deutschen Demokratie: Politiker:innen stellen sie gerne als Optimum dar, als das Beste, was demokratisch möglich sei. In der Realität wird allerdings regelmäßig über den Willen des Volkes hinweg, bzw. direkt gegen seinen Willen gearbeitet.
Das zeigt sich in der Entscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen mehr als deutlich. So gibt es unter anderem eine Bevölkerungsumfrage, die im Auftrag des Bundesfrauenministeriums erstellt wurde und belegt, dass sich die Mehrheit der Deutschen für ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausspricht: Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Außerdem denken 75 Prozent, dass es falsch ist, Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch zu regeln.
Rechtsstaat, aber nicht für Frauen und Transpersonen
Spannend ist an dieser Stelle natürlich auch, dass sich gerade von der Politik immer wieder auf den sogenannten „Rechtsstaat“ bezogen wird. Abgesehen davon, dass man sich – wenn man der obigen Darlegung folgt – sicher fragen muss, inwiefern dieser Rechtsstaat uns tatsächlich alle vertritt, muss man sich jetzt zusätzlich fragen, warum es kein rechtliches Problem zu sein scheint, dass der Paragraf 218 aktiv gegen das Grundrecht auf Selbstbestimmung verstößt.
Denn dass er das tut, ist offensichtlich: schließlich dürfen Schwangere nicht mehr vollständig selbst über ihren Körper bestimmen, werden also gezwungen, Schwangerschaften auszutragen – jetzt von der Expert:innenkommission bestätigt.
Das alles scheint für die Regierung aber eher zweitrangig zu sein. Im Kontext der aktuellen Abschiebungsdebatten zeigt sich, dass unser „Rechtsstaat“ nur dann von Bedeutung ist, wenn er Staat und Kapital nützt. Und dass Grundgesetze eben auch mal verletzt werden können, wenn die Debatte zu „emotional“ und „komplex“ ist, wie Lisa Paus (Grüne) in der Pressekonferenz so schön sagte.