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Mittwoch, Mai 1, 2024
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    Wundertüte Heizkostenabrechnung: Wie Staat und Unternehmen die Mieter:innen über den Tisch ziehen

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    Viele Mieter:innen erhalten weiterhin Betriebskostenabrechnungen mit hohen Heizkostennachforderungen. Die Gründe dafür sind verschieden: Ersatzversorgung, Abrechnungsfehler, Wärme-Contracting. Der Wärmepreis wird anders als bei Gas und Strom immer erst im Nachhinein festgelegt. Das sorgt für Unmut besonders unter Arbeiter:innen.

    Die Heizkostenabrechnung ist eine reine Wundertüte. Das mussten in den vergangenen Monaten viele Mieter:innen in der BRD feststellen. Sie erhielten Betriebskostenabrechnungen mit teils sehr hohen Nachforderungen und Neufestsetzung der monatlichen Abschlagszahlungen für die Heizkosten. Die böse Überraschung, wenn man davon erfährt, mag sich vielleicht ähneln – die  Gründe für den enormen Anstieg der Nachzahlung sind jedoch unterschiedlich.

    Ersatzversorgung statt Grundversorgung

    Evi Gstaiger aus München sollte für das Jahr 2022 eine Summe von 3.000 Euro nachzahlen. Hier kamen die extremen Kosten durch die Ersatzversorgung zustande. Sie findet statt, wenn der Strom- oder Gasverbrauch eines Haushalts nicht einem Vertrag oder Anbieter zugeordnet werden kann. In diesem Fall kam es dazu, weil der alte Anbieter insolvent war.

    Es fand dadurch eine Ersatzversorgung durch die Stadtwerke München statt. Dies ist in der Regel jedoch nur eine Notlösung für etwa drei Monate. Der Vermieter sorgte im Anschluss aber nicht für den Wechsel in einen günstigeren Tarif. Dieser wäre sogar beim gleichen Anbieter, den Stadtwerken, in Form der Grundversorgung zu haben gewesen.

    Abrechnungsfehler erst durch Mieter:inneninitiative aufgedeckt

    In Berlin kam es beim Unternehmen Deutsche Wohnen (Vonovia) zu Nachforderungen bis zu 9.000 Euro. Das Unternehmen gab im Nachhinein zu, dass es einen Fehler in der Abrechnung gegeben hätte. Schuld daran habe der Energielieferant G+E GETEC Holding GmbH, welcher für die Wärmeversorgung in den Häusern der 1.500 betroffenen Wohnungen zuständig sei. Der Fehler wurde nur entdeckt, weil eine Vielzahl von Mieter:innen dagegen aktiv wurde.

    Wärme-Contracting führt zu Kostensteigerung

    In der Bernhard-Kellermann-Straße in Magdeburg kam es zu einem Anstieg der Heizkosten um 250 %. Die Mieter:innen sollen bei gesunkenem Verbrauch Tausende von Euro nachzahlen. Dazu kam es durch eine besondere Art des Wärmeliefervertrages, welche der Vermieter mit der G+E GETEC Holding GmbH abschloss: das sogenannte Wärme-Contracting.

    Beim Contracting tritt der Vermieter als Auftraggeber auf und der Beauftragte (hier G+E GETEC Holding GmbH) übernimmt alle notwendigen Instandhaltungsarbeiten an der Heizanlage. Die Kosten hierfür muss er nicht selbst übernehmen, sondern sie werden mit dem Wärmepreis auf die Mieter:innen abgewälzt. Der Vermieter profitiert darüber hinaus noch dadurch, dass er 10.000 Euro Pacht für den Kellerraum erhält, in welchem sich die Heizanlage befindet.

    Ein weiterer Grund für den Kostenanstieg besteht darin, dass durch das Wärme-Contracting die Gasheizung im Haus rechtlich zu einer Fernwärmeversorgung wird. Daher zahlen die Mieter:innen keinen Gaspreis, sondern einen sog. Wärmepreis, welcher sich aus Grundpreis und Arbeitspreis zusammensetzt. Der Arbeitspreis war im vierten Quartal mit 62 Cent pro Kilowattstunde vergleichsweise hoch. Dieser Preis ergibt sich jedoch nicht direkt aus den erforderlichen Beschaffungskosten, sondern wird in einem intransparenten Verfahren festgelegt.

    Preise stehen erst im Nachhinein fest

    Neben diesen einzelnen Fällen gibt es aber noch ein viel grundlegenderes Problem bei der Abrechnung der Wärmeversorgung in der BRD. Anders als bei Strom oder Gas gibt es für die Wärmeversorgung keinen im Voraus für die Vertragslaufzeit festgelegten Preis.

    Die Preisberechnung geschieht auf der Grundlage von Preisänderungsklauseln. Die Nebenkostenabrechnung erfolgt mit erheblichem zeitlichem Versatz. Zwischen der Preisbildung und der Nebenkostenabrechnung liegt oft mehr als ein Jahr. So zahlen die Mieter:innen einen monatlichen Abschlag auf die Heizkosten, ohne vorher abschätzen zu können (also unabhängig vom Verbrauch), wie hoch am Ende der tatsächliche Wärmepreis sein wird.

    Somit kann die Betriebskostenabrechnung horrende Nachforderungen für die Heizkosten bereithalten, was sich angesichts der hohen Energie- und Gaspreise sowie der gestiegenen Inflation derzeit besonders hart auf die Arbeiter:innenklasse auswirkt. Gegen unverhältnismäßig hohe Gebühren lohnt es daher, als Mieter:innen aktiv zu werden.

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