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Montag, April 29, 2024
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    Einzug in unfertigen Neubau – Mieter:innen wehren sich gegen Vonovia

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    Im Mai dieses Jahres zogen dutzende Mieter:innen in einen Neubau der „Prima AG“ (Vonovia) in der Rudolf-Seiffert-Straße in Berlin Lichtenberg. Was sie nicht wussten: Vonovia hatte die Wohnanlage noch gar nicht fertiggestellt, ja nicht einmal postalisch gemeldet. Einige Mieter:innen wurden gegen die zig Mängel aktiv. Wir sprachen mit einigen von ihnen über die Mietkämpfe, die sie seit Monaten mit Vonovia führen. – Ein Bericht

    Die Pärchen, Familien und Alleinstehenden, die man im Neubau in der Rudolf-Seiffert-Straße um die Nr. 81 in Berlin Lichtenberg nahe dem S-Storkower Straße trifft, sind allesamt heilfroh, in Berlin eine Wohnung bekommen zu haben. Klar, die Mieten seien hoch: für knapp über 80 qm zahle man im EG über 1.400 Euro, im 6. Stock bereits 1.800 Euro.

    Hinzu kommt, dass sie alle eine sogenannte “Indexmiete” an Vonovia bezahlen müssen. Das bedeutet, dass die Mieten – nach ein- bis zweijähriger Schutzfrist – bis zu 100% an die dann herrschende Inflation im Land angepasst werden können. Bei den derzeit über 6% Inflation in Deutschland wären das derzeit bis zu 100 Euro mehr pro Monat – von der ellenlangen Nebenkostenabrechnung einmal abgesehen.

    Doch gerade die Familien, die angehenden Familien und Arbeiter:innen im Homeoffice brauchen den Platz einer 3-4 Zimmerwohnung. Und die findet man in Berlin seit Jahren nur noch mit Kontakten, Geld oder Zeit. Das wissen natürlich auch die Wohnungskonzerne und ziehen mit kapitalistischen Maßnahmen finanzielle Vorteile aus der prekären Situation der Beschäftigten.

    Alles Prima AG?

    Der Neubau gehört zur sogenannten „Prima AG“. Doch dass diese zu 100% (sogenanntem „Kapitalanteil“) der Vonovia gehört, dem größte Wohnungskonzern Berlins und Europas, verschweigt das Unternehmen. Mehr noch, es scheint Kalkül dahinter zu stecken, den Mieter:innen gegenüber diesen Sachverhalt zu verschweigen.

    So bedauert eine Regionalleiterin von Vonovia auf Nachfrage beispielsweise „die Mängel beim Bau“ durch die Prima AG und inszeniert sich selbst lediglich als „Hausverwaltung“. Die Prima AG dient hier ganz offensichtlich als Ablenkungsmanöver, wahrscheinlich weil sie mit ” Prima” erst einmal einen besseren Namen hat als Vonovia.

    Baustopp bei Vonovia: 60.000 Wohnungen betroffen

    Vonovia verzichtete erst kürzlich auf den Bau von 60.000 Wohnungen. Laut eigenen Angaben aufgrund von zu hohen Zinsen als auch Materialkosten. Dies führe dazu, dass sich das Bauen für das Unternehmen nicht mehr rechne. Gleichzeitig konnte der Konzern in den Jahren 2021 und 2022 Gewinne von 1,6 bzw. 2 Milliarden Euro vorweisen.

    Auf die Anfrage einer Mieterin in der Rudolf-Seiffert-Straße meint die zuständige Kontaktperson von Vonovia, für die Fertigstellung der Wohnanlage sei „kein Geld vorhanden“. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.

    Absurde Problemliste

    Dass Vonovia schon seit längerem beim Bauen nur auf den eigenen Profit schaut, ist auch im Neubau in der Rudolf-Seiffert-Straße sichtbar: „Wo sollen wir anfangen“ ist der übereinstimmende O-Ton der Mieter:innen, wenn sie über die Probleme mit Vonovia berichten. Ein Mieter versucht die Probleme und Kämpfe, mit denen er sich im Zusammenhang mit Vonovia herum schlägt, von Mai bis heute nachzuzeichnen.

    Als sie zum 1. Mai einzogen, sei das Wohnhaus nicht einmal postalisch gemeldet gewesen. So konnten natürlich weder Briefe noch Pakete geliefert werden. Außerdem bedeutete dies, die Internet- und Fernseh-Verträge nicht übernehmen zu können. So sahen sich mehrere Mietparteien gezwungen, die von Vonovia angebotenen Verträge zu nehmen, die oftmals schlechter waren, dem Unternehmen jedoch Einnahmen garantierten.

    Dann wurden eben auch die ersten Mängel an der Bausubstanz und Grundeinrichtung sichtbar: erst funktionierten die Rollos vor den Fenstern nicht, dann die Fußbodenheizung nicht, zu guter letzt gab es die ersten Risse an den Wänden.

    Die Wohnungen im Erdgeschoss verfügen statt Balkon über eine kleine Terrasse. Diese sollte laut Mietvertrag mit Zäunen umfriedet sein, die aber bis heute nicht stehen. Vonovia habe ihnen vorgeschlagen, selbst einen Zaun einzusetzen, die Kosten also auf sie abzuwälzen. Einige Mieter:innen spielten gar mit dem Gedanken, dem nachzukommen.

    Eine große Enttäuschung für die bestimmt über hundert Mieter:innen im Wohnblock insgesamt bildet v.a. bis heute die versprochene Grünanlage um den Neubau herum: statt frischem Gras, Bäumen und einem Hochbeet wächst hier, wenn überhaupt, nur Unkraut. Mieter:innen sprachen sich zum Teil ab, wer sich abwechselnd an die Hausverwaltung wendet, um den Druck zu erhöhen. Teilweise wurde selbst Unkraut gejätet.

    In die Garage, in die es – ganz nebenbei – reinregnet und in der es keinen Abfluss gibt, wurde schon mehrmals eingebrochen, weil der Schließmechanismus falsch eingestellt wurde. Die Mieter:innen musste den Zeitmechanismus selbst umstellen, damit das Tor nicht mehr jedes Mal über 40 Sekunden offen steht. Über die Garage komme man zudem leicht ins Wohnhaus – eine Sicherheitslücke, wie die Bewohner:innen finden.

    Vor Monaten habe zudem ein LKW die Latte zur Höhenbegrenzung am Eingang zur Garage umgefahren. Diese liegt seit Wochen einfach neben der Garage, ohne dass sich Vonovia darum gekümmert hätte, sie wegzuräumen und einen Ersatz anzubringen.

    Auch eine Mutter von zwei Kindern berichtet von ihren Problemen mit Vonovia. So sei der Fahrstuhl bereits in den ersten Monaten drei Mal für jeweils vier Tage ausgefallen. Statt sich aber dieser schwerer wiegenden Problematik anzunehmen, klingele die eingesetzte Hausmeisterin bei ihr, um sich über Schuhe vor der Wohnungstür zu beschweren.

    Gemeinsam Forderungen stellen

    Zusammenfassend kann man sagen, dass Vonovia die Mieter:innen hat einziehen lassen, bevor sie den Wohnkomplex überhaupt fertigstellte. Zudem sparte das Unternehmen beim Neubau offensichtlich an allen Ecken und Enden. Beides bringt dem Konzern natürlich ordentlich Profite ein, doch das ist keineswegs im Interesse der Mieter:innen.

    Krach bei “Spar und Bauverein”: Die Bewohner:innen wehren sich

    Auch in Berlin Lichtenberg schlossen sich bereits einige Mieter:innen zusammen und koordinierten ihre Meldungen und Beanstandungen so, dass Vonovia reagieren musste. Inzwischen sind zumindest zwei einfache Arbeiter geschickt worden, um das Unkraut herauszuziehen, das von den Mieter:innen noch nicht eigenhändig entfernt werden konnte. Zudem sah sich Vonovia in Zugzwang und bot Einzelgespräche an.

    In einer Art Schlichtungsgespräch traf sich die Regionalleiterin von Vonovia dazu am Montag persönlich mit einem Mieter, um diesen zu besänftigen. Dabei habe sie vereinzelt Mietminderung in Aussicht gestellt. Statt bei diesem faulen Kompromiss zu verweilen, hätten die Mieter:innen durchaus gutes Recht, gemeinsam die Forderungen nach Mietminderung für die ersten 5 Monate, Anpassung der Verträge für Fernsehen und Internet sowie der sofortigen Umsetzung der versprochenen Projekte in der Wohnanlage aufzustellen.

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