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Samstag, Juli 27, 2024
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    Der Schlächter von Teheran ist tot!

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    Im Iran sind Präsident und Außenminister des Landes bei einem Hubschrauberabsturz getötet worden. Warum wir ihnen keine Träne nachweinen sollten. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Am Pfingstsonntag, 19. Mai, ist der iranische Präsident Ebrahim Raisi, gemeinsam mit dem Außenminister des Landes Hossein Amir-Abdollahian, bei einem Hubschrauberabsturz in der Grenzregion zwischen dem Iran und Aserbaidschan ums Leben gekommen. Dort hatte er zuvor einen neuen Staudamm eingeweiht.

    Wer war Ebrahim Raisi?

    Ebrahim Raisi war im Jahr 2021 nach Hassan Rohani zum Präsidenten des Landes gewählt worden. Da die Opposition gegen das in Teheran herrschende Regime seit über 40 Jahren brutal unterdrückt wird, kann entsprechend von keiner demokratischen Wahl die Rede sein.

    Zuvor hatte Raisi über Jahrzehnte Karriere im Staatsapparat – genauer gesagt in den Justizbehörden des Landes – gemacht. Als Vizestaatsanwalt zählt er zu den Hauptverantwortlichen für die öffentlichen Massenhinrichtungen von über 4.000 Regime-Gegner:innen im Jahr 1988.

    Ideologisch gilt er als reaktionärer Hardliner, der für eine strenge Geschlechtertrennung und den Terror gegen alle ernsthaften Oppositionskräfte aus seiner eigenen Bevölkerung steht. Als es ein Jahr nach seiner Wahl in Folge des Mords an Jina Amini durch die Sittenpolizei im Iran zu anhaltenden landesweiten und internationalen Protesten kam, antwortete er ebenfalls hauptsächlich mit Gewalt und Repression. Dabei wurden mehr als 200 Protestierende getötet.

    Der Schlächter ist tot, die Gründe zur Freude unterschiedlich

    Mit diesen Taten hat sich Raisi zu Recht den Spitznamen „Schlächter von Teheran“ verdient. Es ist nur verständlich, dass große Teile seines eigenen Volkes erleichtert und freudig auf seinen Tod reagieren und das teilweise auch öffentlich, zum Beispiel in den sozialen oder westlichen Medien, kundtun.

    Unter anderem ist dort die Rede davon, dass in verschiedenen Teilen des Irans sogar Süßigkeiten verteilt wurden oder spontan Feuerwerke organisiert wurden. Das ist kein Wunder: Der Iran steckt seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise, die sich immer wieder in spontanen Protesten der Bevölkerung oder von streikenden Arbeiter:innen Bahn bricht.

    Die Reaktionen auf der internationalen politischen Bühne fallen hingegen deutlich anders aus: Ein Sprecher der US-Regierung bestätigte, dass sein Land Hilfe bei der Suche nach dem abgestürzten Helikopter angeboten habe, wozu es aber aus „technischen Gründen“ nicht gekommen sei.

    Zugleich waren sich sowohl einzelne Stimmen aus dem Iran und den USA einig darin, dass die umfangreichen, von den USA angeführten und teils erzwungenen, Boykottmaßnahmen gegen das Land eine zentrale Ursache für den Hubschrauberabsturz gewesen sein könnten. Der technische Stand der iranischen Luftwaffe sei überaus veraltet gewesen, da das Land keinen Zugriff mehr auf zentrale, für eine moderne Luftwaffe notwendige Technologien erhalten habe.

    Sowohl die Europäische Union als auch die USA drückten der Regierung im Iran offiziell ihr Beileid aus. Der Gedanke, dass ein Mann wie Raisi wegen seiner Verbrechen an der eigenen Bevölkerung kein Mitleid verdient hat, spielte dort erwatungsgemäß keine Rolle. Das wäre ja auch komisch, schließlich unterhalten die größten europäischen Regierungen florierende Kontakte mit Ländern wie Israel, der Türkei oder Saudi-Arabien, die allesamt Raisi in Sachen Brutalität, Repression und massenhaften Morden in nichts nachstehen.

    Eine andere Bewertung des Todes im Detail findet man hier einzig und allein aus dem Grund, weil der Iran als einer der größten Konkurrenten im Kampf mit den westlichen Großmächten um Einfluss in Westasien gilt.

    Nach ihrer nüchternen Einschätzung der Lage gefragt, jedenfalls sind sich die „Expert:innen“ für Außenpolitik aus Deutschland nicht einig: Zumindest der Außenpolitiker Jürgend Hardt (CDU) scheint auf eine Schwächung des geopolitischen Gegners von Deutschland zu hoffen. Seiner Prognose nach könnte die Führung in Teheran durch den Hubschrauberabsturz etwas beeinträchtigt werden, weil sie Schwierigkeiten habe, schnell einen ähnlich weltweit bekannten Ersatz für Raisi aus dem Hut zu zaubern.

    Am Ende bleibt also die Erkenntnis: Die Freude und Genugtuung über den Tod eines staatlich legitmierten Mörders wie Raisi sind vielerorts groß. Während die unterdrückte Arbeiter:innenklasse und die nationalen Minderheiten im Iran jedoch den Tod ihres Peinigers bejubeln, freut sich die herrschende Klasse in Deutschland vor allem darüber, dass ein Konkurrent im Kampf um Märkte, Ressourcen und Einflusszonen vielleicht geschwächt wurde.

    Iran vs. Israel: Keine gerechte Seite

     

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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