Eine Reform des Wahlrechts von Neukaledonien durch die französische Kolonialmacht hat zu Protesten der indigenen Bevölkerung geführt. Mehrere Demostrierende wurden bereits getötet.
In der zu Frankreich gehörenden Inselgruppe Neukaledonien im Südpazifik kommt es seit Montag zu heftigen Protesten und Unruhen. Besonders die indigene Bevölkerung wehrt sich gegen eine Änderung des Wahlrechts aufgrund eines möglichen Übereinkommens zwischen der französischen Nationalversammlung und dem neukaledonischem Provinzparlament. Die indigene Bevölkerung befürchtet ein Schwinden ihres politischen Einflusses, indem immigrierten Personen schneller ein Wahlrecht für die Provinzparlamente zugestanden wird. Die Abstimmung des neukaledonischen Provinzparlaments ist für Juni vorgesehen.
Neukaledonien wurde 1853 unter Kaiser Napoleon III. eine französische Kolonie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zu einem Überseegebiet Frankreichs und hält seitdem einen Sonderstatus, der ihm einräumt, nicht Teil des Schengen-Raums zu sein. Auf der Inselgruppe sind die „Kanaken” mit 41 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe. Die „Caldoches”, Nachkommen der weißen Kolonialsiedler, sind mit 21 Prozent die zweitgrößte. Die Kanaken wurden in der kolonialen Geschichte durch ein Apartheid-System entrechtet und ausgebeutet. Auch heute noch leben sie größtenteils in Armut.
In Neukaledonien gibt nach wie vor eine starke Unabhängigkeitsbewegung. Die Frage der „Unabhängigkeit” von Frankreich wird in regelmäßigen Abständen wieder in großem Maßstab aufgeworfen: Es gab die letzten Unabhängigkeitsreferenden in den Jahren 2018, 2020 und 2021, wobei jeweils mehrheitlich für einen Verbleib als Teil von Frankreich gestimmt wurde. Die letzte Abstimmung wurde allerdings von einem Boykott der neukaledonischen Unabhängigkeitsbewegung begleitet.
Die Bedeutung für Frankreich
Vor dem Hintergrund steigender Auseinandersetzungen und territorialer Konflikte mit China und anderen Ländern ist Neukaledonien ein noch wichtigerer Stützpunkt für Frankreich. Die französische Armee unterhält einige Militärbasen auf den Inseln. Riesige Nickel-Lagerstätten machen es außerdem wirtschaftlich zu einem wichtigen Exporteur des begehrten Metalls, das zur Produktion zahlreicher Industriegüter, unter anderem von Akkus, benötigt wird.
Frankreich hat in den vergangenen Jahren immens an Einfluss in Afrika, genauer der Sahel-Zone verloren. Militärbasen und ebenso der Zugriff auf günstige und strategisch wichtige Rohstoffvorkommen wurden im Zuge der Militärputsche in Mali und Niger deutlich beschnitten. Umso wichtiger ist der Einfluss in den verbliebenen Kolonien und abhängigen Ländern.
Während Frankreich zum Notstand in Neukaledonien aufruft und seine Militärpräsenz in der Hauptstadt Nouméa mit weiteren 1.000 Einsatzkräften verstärkt, ist es bei den Straßenkämpfen zum sechsten Todesfall innerhalb einer Woche gekommen. Ein Mann, der mit seinem Sohn eine Straßensperre passieren wollte, wurde erschossen.