In den Niederlanden könnte der faschistische Wahlsieger Geert Wilders und seine Partei PVV es nach geplatzten Koalitionsverhandlungen doch noch schaffen, eine Regierung zu bilden. Was würde das für die niederländische Arbeiter:innenklasse bedeuten? – Ein Kommentar von Finn Krummbach.
Der Faschist Geert Wilders hatte mit seiner PVV (Partei für die Freiheit) im November 2023 die Parlamentswahlen mit 23,6 Prozent gewonnen. Das bedeutet eine Verdopplung der Stimmen seit der letzten Wahl. Seine Partei warb mit Islamfeindlichkeit und einem grundsätzlichen Migrationsstopp. Sie strebt nach einem rechtsnationalen Kurs der Niederlande, verbunden mit einem Austritt aus der Europäischen Union und einem Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine.
Koalitionsverhandlungen
Seit der Wahl wird eine rechte Regierung aus Geert Wilders PVV und drei weiteren Parteien angestrebt: Die konservative NSC, die liberale VVD und die Bauernpartei BBB. Jedoch scheiterten die Koalitionsverhandlungen vorerst nach dem Rückzug der Partei NSC Anfang Februar. Laut NSC-Parteichef Omzigt liegt das vor Allem an einem Nichtübereinkommen in der Verteilung des niederländischen Haushalts, da die Koalition für seine Partei bedeuten würde, Sozialleistungen senken zu müssen, mit denen sie geworben hatte.
Ohne die NSC hätte die angestrebte Koalition unter Geert Wilders nicht genug Stimmen, um zu regieren. Daraufhin gab Wilders im März bekannt, dass er auf das Amt des Premierministers verzichten wird, weil ihm die Unterstützung von Koalitionspartnern fehlt.
Mittlerweile führen die vier Parteien erneut Koalitionsgespräche miteinander. Eine Möglichkeit ist dabei eine seltene außerparlamentarische Regierung, in der sich die Parteien auf Eckpunkte statt einen Koalitionsvertrag festlegen und Minister:innenposten auch von außerhalb der regierenden Parteien stehenden Personen besetzt werden. Der Ausgang der Verhandlungen ist weiterhin offen. Falls keine Regierung zustande kommt, würde es Neuwahlen geben.
Regierungsbildung mit faschistischen Kräften
Geert Wilders ist kompromissbereit, um mitregieren zu können und scheint einen hohen Preis dafür zu zahlen. Für die Koalitionsgespräche sah er z.B. von seinem geplanten islamfeindlichen Verbot von Moscheen und dem Koran ab. Auch bekannte er sich zur Militärhilfe für die Ukraine, was eine Wendung gegenüber seiner vorherigen Sympathie für den russischen Imperialismus darstellt. Er stellt also momentan die PVV als eine moderatere Partei dar, die sich um das nationale Interesse der Niederländer:innen sorgt. Dies soll die Grundlage für eine rechte Koalition bilden.
Die Bauernpartei BBB hatte schon früh ihren Zuspruch für die geplante Koalition geäußert und den Rassismus der PVV und ihrer Anhänger:innen relativiert. Laut der BBB sind die PVV-Wähler nicht alle Rassisten – man müsse auf die vielen Wähler, die aus Protest die PVV wählen einen Schritt zu machen, um den richtigen Umgang gemeinsam zu finden.
Im Gegenteil bedeutet das keine Abwendung von rechter Politik, sondern eine Einbindung in den Staat. Das ermöglicht der Kapitalist:innenklasse härtere Angriffe auf Arbeiter:innen zu führen und Widerstand zunehmend mit repressiven Maßnahmen zu beantworten. Das wird vielleicht kurzfristig Wilders Partei zu gemäßigteren Positionen zwingen, wie es sich zum Beispiel in den Koalitionsgesprächen zeigt, bedeutet aber langfristig faschistischen Kräften den Weg zu ebnen.
Wilders Wahlsieg wurde von bürgerlichen Medien häufig als überraschend bezeichnet. Er reiht sich aber mit den Koalitionsgesprächen und der grundsätzlichen Bereitschaft mit der faschistischen PVV mitzuregieren in eine Welle des aufkommenden Faschismus in Europa ein, ähnlich wie die der Sieg von Giorgia Meloni in Italien.
Welchen Umgang braucht es mit Geert Wilders?
Auch wenn Geert Wilders mit Grenzen konfrontiert ist, um mitregieren zu können. Die politischen Folgen der aktuelle Wirtschaftskrise zeigen sich auch in den Niederlanden. Schon Anfang 2023 gab es große Bäuer:innenproteste gegen Umweltauflagen, die in der Wirtschaftskrise den Lebensunterhalt die Bäuer:innen senken. Die Landwirtschaft trägt dort mit rund 1,7 Prozent mehr als doppelt so viel zum BIP bei, als das in Deutschland der Fall ist. Gerade in den ländlich geprägten Regionen gewinnen rechte Parteien wie auch die PVV viel Zuspruch.
Aber auch in den Städten ist die Arbeiter:innenklasse durch Krisenerscheinungen wie Preissteigerungen betroffen. Rechte und faschistische Kräfte gewinnen dadurch zunehmend an Einfluss – unter anderem durch Scheinlösungen wie eine rassistische Spaltung der Gesellschaft durch die Begrenzung von Migration.
Ähnlich wie in Deutschland zeigt sich, dass die Faschist:innen nicht die einzigen sind, die eine rechte Politik umsetzen. Auch die konservativen und liberalen Kräfte treiben die Militarisierung voran, setzen rassistische Migrationsgesetze durch und tragen die Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innen. Abwählen lässt sich der Faschismus also nicht, denn viele Forderungen werden auch von anderen Parteien umgesetzt und eine Machtübergabe an die Faschist:innen damit auch ideologisch vorbereitet. Stattdessen braucht es eine eigenständige Organisation der Arbeiter:innen, die den Ursachen all dieser Probleme tatsächlich den Kampf ansagen kann.