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Samstag, Juli 27, 2024
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    Studie der Bertelsmann Stiftung: Der Tellerwäscher wird nicht Millionär

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    Eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des Startup-Verbands bestätigt erneut, dass der Traum vom sozialen Aufstieg in die Kapitalist:innenklasse genau dies ist: nämlich ein Traum. Während dieser immer noch als Teil unserer Arbeitsmoral wirken soll, wird er selbst von bürgerlichen Forschungsinstitutionen widerlegt. – Ein Kommentar von Janosch Weiß

    In der Studie wurden 1.800 Unternehmer:innen von jungen Unternehmen, die vor allem auf Wachstum oder Innovation setzen (Startups), zu ihrem Bildungs- und Herkunftshintergrund gefragt. 85 Prozent der Befragten haben einen akademischen Abschluss, bei zwei von drei der Befragten haben beide Eltern Abitur. Dies überrascht nicht. Während die Studie davon ausgeht, dass es insbesondere die tagtägliche Konfrontation mit den unternehmerischen Gedanken der Eltern ist, legen die Daten andere Schlüsse nahe.

    Schon früh werden im deutschen Bildungssystem die jeweiligen Wege der Schüler:innen geebnet. Es wird bereits in der vierten Klasse geteilt in einerseits Gymnasium oder andererseits Real-, Haupt- oder Sonderschule. Trotz vergleichsweise niedriger Studiengebühren bleibt Studieren damit in Deutschland für viele Familien ein Privileg. So ist es auch wenig verwunderlich, dass laut der Studie die Startup-Gründer:innen selbst Kinder von Akademiker:innen, Kleinbürger:innen oder gar Kapitalist:innen sind.

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    „Vom Tellerwäscher zum Millionär“

    Die Legende, die insbesondere in den Vereinigten Staaten, aber auch in Deutschland so populär ist, soll ausdrücken, dass auch ein Millionär irgendwann „klein“ angefangen hat. Allein mit der richtigen Arbeitsmoral und ihrer Umsetzung in Form von unbezahlten Überstunden würde der Aufstieg schon gelingen.

    Beispielhaft werden in diesen Erzählungen Personen wie Larry Page (Google) oder Bill Gates (Microsoft) angeführt, die beide mit ihren mittlerweile millionenschweren Unternehmen in der elterlichen Garage angefangen haben. Dabei wird gerne vergessen, dass beispielsweise der Vater von Larry Page drei Jahre nach der Gründung von Google den damaligen E-Mail-Listing-Dienst „eGroups” für 400 Millionen US-Dollar an Yahoo verkaufte: An Kapital hat es also nicht gemangelt. Der Vater von Bill Gates wiederum war wohlhabender Partner einer Kanzlei.

    Doch warum wird trotzdem immer noch so heftig an dieser Mär festgehalten? Es handelt sich dabei um eine Form des Klassenkampfes von oben: Der Arbeiter:innenklasse soll vermittelt werden, dass ein sozialer Aufstieg möglich sei. Dadurch soll der Klassenfrieden gesichert werden. Dabei ist ein solcher Aufstieg gerade nicht möglich. Daran kann auch ein in der Studie angepriesenes „Gründer-Mindset“ nichts ändern: In einem kapitalistischen Wirtschaftssystem werden Arbeiter:innen niemals „frei” arbeiten können.

    Patriarchal bestimmtes Verhalten auch bei der Startup-Gründung

    Laut der Studie ist nur eine von fünf Gründer:innen eine Frau. Dies liegt mitnichten daran, dass Frauen in irgendeiner Weise weniger mutig sind. Vielmehr werden bestimmte Verhaltensweisen durch das Patriarchat schon seit Kindertagen anerzogen: Während Mädchen Zurückhaltung antrainiert bekommen, wird Jungen beigebracht, sich durchzusetzen und ihren eigenen Willen zielstrebig zu verfolgen. Dieses Muster schlägt sich auch in der Studie nieder.

    Aufstieg nein, Abstieg ja

    Während ein sozialer Aufstieg nicht möglich ist, sehen wir im spätkapitalistischen Zeitalter dagegen immer häufiger das Gegenteil: Monopole zehren kleine Unternehmen auf oder schlucken diese gänzlich. Innerhalb dieses Prozesses werden die ehemaligen Kleinkapitalist:innen vor allem zu kleinbürgerlichen Unternehmer:innen.

    Die „Schere zwischen Arm und Reich“ wird dabei immer größer: Die Armen werden ärmer und die Reichen reicher. Diese Entwicklung wird durch Förderprogramme, Fonds und ähnliches für Startup-Gründer:innen nicht aufgehalten werden – wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Reiche! Es liegt an uns, das System, das diese Verhältnisse ständig reproduziert, infrage zu stellen und zu überwinden.

    • Autor bei Perspektive seit 2022. Jurist. Beschäftigt sich mit (Un-)Recht im deutschen Staat und deutscher Wirtschaft. Schreibt aus dem Rhein-Main-Gebiet.

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