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Samstag, Juli 27, 2024
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    Über die „Zeitenwende“ im Fußball zur Militarisierung der Gesellschaft

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    Erstmalig wird ein Waffenlieferant zum Sponsor eines Fußball-Bundesligisten: Das Sponsoring des BVB durch den Waffenkonzern Rheinmetall ist ein weiterer Vorstoß zur Militarisierung der deutschen Gesellschaft. – Ein Kommentar von Michael Koberstein.

    Kurz vor dem Champions League Finale kündigte Borussia Dortmund an, wer den Verein für die kommenden drei Jahre sponsern wird. Es ist niemand Geringerer als der größte deutsche Waffenkonzern Rheinmetall. Das Sponsoring ist relativ weitgefasst: von Werbeflächen über Vermarktungsrechte bis hin zu exklusiven Angeboten im Stadion und auf dem Vereinsgelände. Nur das Logo aufs Trikot zu pressen, wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. Das Siegel des Waffenherstellers werde dafür aber pünktlich zum Finale der Champions League sichtbar sein, beteuert der BVB.

    Das Sponsoring soll pro Jahr ein finanzielles Volumen von einem „hohen einstelligen Millionenbetrag“ haben. Geld hat Rheinmetall genug. Vor allem seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs streicht der Waffenproduzent durch Aufträge im Zuge des 100 Milliarden schweren Sondervermögens und der Erhöhung des Bundeswehretats jährlich astronomische Profite ein. Im vergangenen Jahr lag der Gewinn vor Steuern und Zinsen bei 918 Millionen Euro. Der Waffenproduzent gehört über Waffenlieferungen an die Ukraine zu den Säulen der deutschen Beteiligung am Krieg mit Russland.

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    Die neue Normalität

    Die Entscheidung wird vom Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wie folgt begründet: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie.“ Deshalb müsse man sich „sehr intensiv“ damit beschäftigen, wie man diese „Eckpfeiler“ schützen könne. Gerade heute erlebe man jeden Tag, wie „Freiheit in Europa verteidigt werden muss“. Mit dieser „neuen Normalität“ gelte es, sich konsequent auseinandersetzen.

    Diese Auseinandersetzung bedeutet für den Chef des kommerziellen Fußball-Giganten Borussia Dortmund der Militarisierung Vorschub zu leisten. Und das alles nur, um mit mehr Geld die anderen Vereine auf Abstand zu halten und die Position seines Vereins – und damit seine eigene Machtbasis – zu bewahren.

    Diese „neue Normalität“ wird von Regierungsvertretern und Kapitalfraktionen verteidigt. Wirtschaftsminister Habeck sagte in einem Pressestatement, dass es zwar „ungewöhnlich“ sei, aber zeige, „dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt“ angekommen seien. Darum würde das Sponsoring ein Stück weit die „Realität der Zeitenwende“ widerspiegeln. Die „Zurückhaltung“ gegenüber der Rüstungsindustrie sei „nicht mehr haltbar“, so der deutsche Wirtschaftsminister.

    Laut dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, vermittle das Sponsoring „einer breiten Schicht der Bevölkerung das Gefühl“, Waffen seien für die Erhaltung unserer Sicherheit und unseres Friedens notwendig. Sie seien „nichts Unappetitliches“, sondern gehörten „eben ganz normal“ zu unserer gesellschaftlichen Realität – „wenn wir in Freiheit leben wollen“.

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    Fan-Gemeinschaft überwiegend dagegen

    Anders als die Bourgeoisie reagierte die mehrheitlich proletarische Fanbasis des BVB mit deutlicher Ablehnung auf den Deal. Der Westfälische Anzeiger stellt bei einer Recherche fest: Wohin man in einschlägigen Foren auch schaut: Überall sind schwarz-gelbe Panzer zu sehen und Wortspiele mit „schießen“ und „Angriff“.

    „Das war ein eindeutiges Eigentor! Da werden wir viele Sympathien verlieren!“, heißt es in einem Kommentar unter den News auf dem beliebten BVB-Fanmagazin schwatzgelb.de. Ein anderer schreibt in Bezug auf die unter BVB-Fans beliebte Kritik an RB Leipzig und anderen Retortenclubs: „Lieber Brause als sowas.“ Die Stimmen derer, die zu einer pragmatischen Sichtweise raten, sind in der Unterzahl.

    Unter dem Verkündungspost des BVB auf X zeigen sich Anhänger des Klubs enttäuscht und sauer. „Abartig“, heißt es da zum Beispiel, „Schämt euch“ oder „Ekelhaft“. An anderer Stelle auf X schreibt eine Userin „Das war‘s dann“ über einem Screenshot der Mail mit der Kündigung ihrer Mitgliedschaft. Ein anderer Nutzer verpackt seine Kritik in einer Fotomontage: Auf einem Banner, das BVB-Profis halten, steht nicht mehr „Stop War“, sondern „Bitte macht mit dem Krieg nun doch weiter, denn wir verdienen in Zukunft daran kräftig mit. Liebe Grüße und fröhliches Abknallen. HEJA BVB.“ Die Deutsche Friedensgesellschaft rief zur Kundgebung vor der Geschäftsstelle des BVB an der B1 auf.

     

    • Perspektive-Autor seit 2023 und Kommunist aus dem Südwesten. Interessiert sich für soziale Kämpfe und imperialistische Außenpolitik

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