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Montag, April 29, 2024
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    Kriegstreiberei im Namen unserer Freiheit? – Warum wir nichts von der Aufrüstung haben

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    Deutschland schickt sich an, ein schlagkräftiges Militär aufzubauen und so die Vormacht in Europa zu sichern. Wieder und wieder behaupten Politiker:innen wie Olaf Scholz, dass diese Aufrüstung zur Sicherung unserer Freiheit und unseres Wohlstands geschehe. Doch gleichzeitig bezahlen die Arbeiter:innen in Deutschland die Milliardenausgaben für das Militär schon jetzt mit einem gesunkenen Lebensstandard. – Der Kommentar zum Antikriegstag von Mohannad Lammes.

    Im Februar 2022, kurz vor dem Einmarsch der russischen Soldat:innen in die Ukraine, schickte Deutschland 5.000 Stahlhelme als Unterstützung nach Kiew. Die damalige Verteidigungsministerin Lambrecht erklärte, dies sei ein „ganz deutliches Zeichen“ dafür, dass Deutschland fest an der Seite der Ukrainer:innen stehe.

    Heute kann man sich das kaum noch vorstellen: Deutschland ist längst zum größten Waffenlieferanten der Ukraine nach den USA geworden: Ob Panzer und Gefechtsfahrzeuge, Luftverteidigungssysteme, Raketenwerfer, Material und Geräte für die Kampfmittelbeseitigung, Schutz- und Spezialausrüstungen – nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und der von Olaf Scholz erklärten „Zeitenwende“ sandte Deutschland bereits unzähliges Kriegsmaterial an die Ukraine.

    Um diese Lieferungen sowie den Ersatz des gelieferten Materials für die eigenen Beständen zu bezahlen, stellte die Regierung allein in den Jahren 2022 und 2023 sage und schreibe 7,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die nächsten Jahre wurden bereits Lieferungen im Wert von über 10 Milliarden Euro versprochen.

    Massive Ausgaben für die deutsche Aufrüstung

    Die Lieferungen an die Ukraine sind nur ein kleiner Teil der größeren deutschen Rüstungsoffensive. Unter dem neuen Verteidigungsminister Pistorius soll auch das deutsche Militär selbst flott gemacht werden, um in Kriegen Erfolge und Siege erzielen zu können.

    Auch wenn es unmittelbar nach Kriegsausbruch in der Ukraine noch einige Startschwierigkeiten gab, ist Deutschland mittlerweile im Begriff, auch militärisch wieder eine Macht in Europa zu werden. Mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr und dem festen Vorsatz, das NATO-Rüstungsziel von mindestens 2% des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr — das entspräche derzeit jährlich ca. 80 Milliarden Euro — für das eigene Militär aufzuwenden, sind die Weichen eindeutig gestellt.

    Annette Lehnigk-Emden, die Chefin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr sagte im August voller Stolz: “Die Gewehre schießen, die Flugzeuge fliegen.”

    Mit den Geldern werden nicht nur Lücken gestopft und veraltete Materialien erneuert. Deutschland investiert auch in hochmoderne und leistungsfähige Waffen, wie zum Beispiel das israelische Raktetenabwehrsystem Arrow 3. Mit dem 4 Milliarden Euro teuren System sollen sowohl Deutschland selbst als auch baltische und osteuropäische Staaten vor feindlichen Lang- und Mittelstreckenraketen geschützt werden.

    Als Grund für die massive Aufrüstung nennen Regierungspolitiker:innen immer wieder die Verteidigung unserer “Freiheit”, unserer “Demokratie” und unseres “Wohlstands”. Deutschlands militärische Stärke, so die Erklärung, solle unser aller “gutes Leben” vor den Angriffen der “Feinde” aus Russland und überall auf der Welt schützen. Wir alle, so möchten es uns Scholz, Baerbock, Pistorius und Co. einreden, haben also einen “Vorteil” davon, wenn Deutschlands Militär auf Kriege vorbereitet und in Kriege geschickt wird. Doch das ist nur Augenwischerei.

    Darum ist der Ukraine-Krieg ein imperialistischer Stellvertreterkrieg

    Wer sich im kapitalistischen Konkurrenzkampf durchsetzen will, muss Kriege führen

    Tatsächlich hat mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine neue Phase im Kampf zwischen den imperialistischen Mächten begonnen. Was Olaf Scholz immer wieder als “Zeitenwende” bezeichnet, meint in diesem Zusammenhang vor allem die Entscheidung Deutschlands, Großmächten wie den USA, Russland, China oder Frankreich nicht einfach das Feld und die Handlungshoheit auf der Welt zu überlassen. Deutschland betreibt deswegen eine eigene neue militärische Großmachtspolitik. Diese Politik entspricht den Interessen der deutschen Kapitalist:innen und Unternehmensverbände, die im Wettstreit um Profite nicht gegen amerikanische oder chinesische Kapitalist:innen zurückstecken wollen.

    Die deutschen Aufrüstungsbemühungen folgen also einer im kapitalistischen Produktionsverhältnis angelegten Alles-oder-Nichts-Logik. Im Kapitalismus, der sich heute zum Imperialismus weiterentwickelt hat, streben die Unternehmensverbände danach, ganze Industriezweige und ganze Länder und ihre Märkte zu beherrschen. Den großen deutschen Monopolen ordnet sich der deutsche Staat unter und vertritt dementsprechend die Interessen der deutschen Kapitalist:innen.

    Die Konkurrenz der deutschen Kapitalist:innen mit anderen Monopolen wird deshalb auch in Form von internationalen Konflikten ausgetragen. Kapitalist:innen kämpfen so ständig um Rohstoffe, Absatzmärkte, billige Arbeitskräfte und Einflussgebiete. Für deutsche Kapitalist:innen ist so vor allem die Hoheit über Osteuropa von großer geostrategischer Bedeutung. Dort lassen sich durch die günstige Produktion und die Ausbeutung osteuropäischer Arbeiter:innen zudem hohe Extraprofite erzielen.

    Deutschland wird im zwischenimperialistischen Ringen mitmischen

    Bis 2022 bestand die Strategie Deutschlands vor allem darin, mit wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu den verschiedenen imperialistischen Mächten die Interessen der eigenen Kapitalist:innen zu gewährleisten und nur begrenzt das eigene Militär einzusetzen.

    Die Weltwirtschaftskrise ab 2019 und die Corona-Pandemie ab 2020 haben den Konkurrenzkampf um Marktanteile, Extraprofite und Einflusssphären zwischen den imperialistischen Ländern weiter verschärft. Von den imperialistischen Ländern wird der Kampf daher nun noch vehementer geführt.

    Durch die sich so immer mehr verstärkenden Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten und den offenen Krieg in der Ukraine ist die deutsche Herangehensweise, im Windschatten anderer Imperialisten die eigenen Interessen durchzusetzen, nun unmöglich geworden. Deutschland kann und wird sich aus den zwischenimperialistischen kriegerischen Auseinandersetzungen nicht mehr heraushalten.

    Der Krieg in der Ukraine ist nur einer von vielen Konfliktherden, an denen sich die verstärkten Gegensätze zwischen den imperialistischen Kräften immer bedrohlicher zuspitzen: Haben sich in der Ukraine die Spannungen zwischen der durch die USA angeführten NATO und Russland bereits zu einem Krieg verdichtet, so stehen sich im westlichen Pazifik rund um die Insel Taiwan der chinesische und der amerikanische Imperialismus gegenüber.Die Frage dort ist weniger, ob ein Krieg ausbrechen wird, sondern eher wann.

    Das Ringen der imperialistischen Mächte um Einflussgebiete können wir derzeit auch auf dem afrikanischen Kontinent beobachten. Vor allem in der sogenannten Sahelzone südlich der Sahara-Wüste gewinnen chinesische und russische Kapitalist:innen immer mehr an Einfluss und fechten die brüchig gewordene Vormacht der westeuropäischen Mächte an.

    Jede weitere Eskalation dieser Spannungen wird auch das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Mächten verändern. Deutschlands militärisches Aufrüsten und die Großmacht-Ambitionen sind dementsprechend keine Produkte der Launen der aktuell regierenden Politiker:innen. Nein, das kapitalistische Deutschland ist angetreten, um sich selbst zwischen den anderen imperialistischen Mächten zu behaupten, die eigenen Einflussgebiete vor allem in Osteuropa eigenständig zu sichern und die Schwächen der anderen Imperialisten so auszunutzen. Es geht darum, dass die eigenen Kapitalist:innen ihre Profite vergrößern können.

    Statt der Interessen der Kapitalist:innen die Interessen der Arbeiter:innen verteidigen

    Wessen “Freiheit”, wessen “Demokratie” und wessen “Wohlstand” ist es also, die durch Deutschlands militärische Stärke gesichert werden soll? Es sind zuvorderst die Kapitalist:innen, die durch eine deutsche Großmachtspolitik und die deutsche Aufrüstungsoffensive profitieren und ihren Reichtum vergrößern werden.

    Alleine können die Kapitalist:innen aber keinen Krieg gewinnen. Die Kapitalist:innen benötigen die Arbeiter:innenklasse, um die Waffen und Materialien für die zukünftigen Kriege herstellen zu können. Und sie schicken die Arbeiter:innen in das Militär, um sie mit den hergestellten Kriegsgeräten auf dem Schlachtfeld gegen die Arbeiter:innen anderer Länder kämpfen zu lassen. Am Ende sind es also die Arbeiter:innen selbst, die die Profite der Kapitalist:innen erarbeiten und erkämpfen sollen.

    Aus diesem Grund dürfen wir auf die Lügen der Politiker:innen nicht hereinfallen: Aufrüstung und Krieg sichern nicht unsere Freiheit und unseren Wohlstand, sondern führen dazu, dass wir nur noch stärker unter die Räder kommen werden. Schon heute ist ersichtlich, wie die Vorbereitung des deutschen Imperialismus auf Angriffe gegen seine imperialistischen Konkurrenten auch zu Angriffen im Inneren auf die Arbeiter:innen führt.

    Während die Ausgaben für das Militär steigen und Rüstungskonzerne wie Rheinmetall Rekordgewinne einstreichen, kürzt die Regierung soziale Ausgaben – laut ihrer Aussage im Interesse von Arbeiter:innen, Rentner:innen, Student:innen, Jugendlichen und Arbeitslosen. Das ist jedoch nur der Anfang. Da der deutsche Staat auf die Folgen von Wirtschaftskrise und Corona-Pandemie mit Aufrüstung reagiert, wird eine langfristige Verarmung der Arbeiter:innen nicht verhindert werden können.

    Wollen wir unsere wirkliche Freiheit erkämpfen und über den durch unsere Arbeit geschaffenen tatsächlichen Wohlstand selbst bestimmen, so sind die deutsche Aufrüstung und militärische Stärke keine Hilfen, sondern Hindernisse. Frieden und Sicherheit wird uns keine hochgerüstete imperialistische Armee schenken – weder die deutsche noch eine andere.

    Es gilt stattdessen, den kapitalistischen Kreislauf aus Krisen und Kriegen zu beenden. Das geht nur durch den revolutionären Sturz des Kapitalismus, die Enteignung der Kapitalist:innenklasse und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, die auf dem Gemeineigentum an Produktionsmitteln basiert und in der die Arbeiter:innen die Macht haben.

    Nur wenn wir uns zusammentun und gemeinsam gegen Ausbeuter:innen und Kriegstreiber:innen im eigenen Land kämpfen, können wir Arbeiter:innen den Kapitalist:innen Einhalt gebieten und eine solche friedliche Gesellschaftsordnung erkämpfen.

    • Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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