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Samstag, Juli 27, 2024
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    Wie der Kapitalismus uns krank macht

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    Die Zahl der Drogentoten ist erneut gestiegen. Warum nehmen Menschen überhaupt Drogen und was hat das mit dem Kapitalismus zu tun? – Ein Kommentar von Alex Lehmann

    Die Zahl der Drogentoten ist so hoch wie noch nie. Wieder einmal. Schon 10 Jahre lang steigt die Zahl der Drogentoten in Deutschland. 2.227 Fälle waren es im vergangenen Jahr, 1.990 im Jahr davor.

    101 Menschen starben wegen des Konsums von Heroin oder Morphin, 111 durch Opiate, 68 durch Kokain oder Crack und 56 durch Amphetamine. In den meisten Fällen verstarben die Opfer aber nicht durch den Konsum einer, sondern mehrerer Drogen. Das Durchschnittsalter der Toten liegt bei knapp über 40 Jahren. Aber auch unter Jugendlichen steigen die Zahlen der Drogentoten. Eine Recherche des Reportagemagazins STRG_F (NDR) aus dem Jahr 2022 ergab, dass sich die Zahl junger Menschen, die jährlich an Drogenkonsum sterben, mehr als verdoppelt hat.

    Alkohol und Nikotin: Kulturgut oder Ruhigsteller?

    Außen vor stehen bei diesen Studien und auch bei den neuesten Zahlen zum Jahr 2023 ironischerweise die tatsächlich tödlichsten Drogen. Immer wenn es um Sucht- und Drogenpolitik geht, scheint vergessen zu werden, dass in Deutschland jährlich etwa 150.000 Menschen an den Folgen von Alkohol- und Nikotinkonsum sterben.

    Schließlich gehören diese Drogen quasi zum Alltag in Deutschland. Wer hat schon etwas gegen die schnelle Raucherpause in der stressigen Schicht oder das wohlverdiente Feierabendbier? Und auch sonst scheinen Alkohol und Nikotin einfach zum Leben dazu zu gehören. Anders natürlich die „illegalen Drogen“. – Eine Trennung, die auf den ersten Blick normal erscheint, aber eigentlich keinen Sinn ergibt. Warum sollte die eine Droge anders behandelt werden als die andere, wenn beide ein hohes Suchtpotential haben und ihr Konsum zum Tod führen kann?

    Zum einen liegt das an der Macht der Konzerne, die ihr Geschäft mit Alkohol und Nikotin machen. Allein durch den Verkauf von Zigaretten wurden in Deutschland rund 22,5 Milliarden erlöst. Der Umsatz mit Alkohol lag sogar bei 46 Milliarden Euro. Und im Kapitalismus bedeutet viel Umsatz eben auch viel Macht.

    Das zeigt zum Beispiel der 40-seitige Tabaklobby-Index, der unter anderem vom „Deutschen Krebsforschungszentrum” (DKFZ) herausgegeben wird. Darin beklagen verschiedene Gesundheits- und zivilgesellschaftliche Organisationen zum Beispiel, dass mindestens 90 Lobbyist:innen der Tabakindustrie mit einem Budget von 6 Millionen Euro Einfluss auf die deutsche Politik nehmen.

    Woher kommt der Drang, sich zu betäuben?

    Hinzu kommt, dass Drogen im Kapitalismus eine ganz bestimmte Funktion erfüllen: Mit ihnen kann man den bedrückenden Zuständen scheinbar entkommen. Alltagsstress und Leistungsdruck? Lassen sich mit einem Bier und einer Zigarette besser ertragen. Völkermord und Klimakrise? Sind dir nach einem Joint oder einer Flasche Wein wieder egal. Zumindest für den Moment.

    Auf diese Weise nutzen die Kapitalist:innen Drogen nicht nur um Profit zu machen, sondern auch um ihre Herrschaft zu sichern. Denn sich zu betäuben und nicht mehr an Ausbeutung und Unterdrückung denken zu müssen, ist einfacher als dagegen aktiv zu werden.

    Dabei ist der Konsum von Drogen besonders tückisch. Er bietet eben keinen Ausweg aus dem Kapitalismus, sondern macht uns handlungsunfähig, süchtig und krank. Und früher oder später bringt er uns vielleicht sogar um. Ein wirklich besseres Leben, ein Leben, in dem es keine Gründe mehr dafür gibt, sich selbst zu betäuben, können wir nur gemeinsam und gegen den Widerstand der Kapitalist:innen erkämpfen. Und Drogen werden uns dabei sicher nicht weiterhelfen.

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