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Oury Jalloh war kein Einzelfall: Gibt es jetzt Aufklärung im Fall Hans-Jürgen Rose?

Hans-Jürgen Rose stirbt am 8. Dezember 1997 als erster von drei Männern innerhalb von acht Jahren, nachdem er von der Dessauer Polizei in Gewahrsam genommen wurde. Seine Angehörigen fordern immer noch Aufklärung.

Am 7. Dezember 1997 wird der Familienvater Hans-Jürgen Rose mit schwersten Verletzungen und nur mit einem T-Shirt bekleidet in Dessau auf der Straße liegend in den frühen Morgenstunden von einem Anwohner gefunden, der die Polizei verständigt.

Nur: Ein Teil der eintreffenden Polizisten hatte den schwerverletzten Mann den Aufzeichnungen in der Polizeiwache zufolge wenige Stunden zuvor gesund entlassen, nachdem ein Blutalkoholtest vorgenommen worden war. Am nächsten Tag wird er im Krankenhaus versterben.

Es handelt sich um den Anfang eines weiteren Polizeigewaltskandals um die Dessauer Polizeiwache, der bis heute nicht aufgeklärt ist. Er steht in einer Reihe mit dem Tod von Mario Bichtermann (†29.10.2002) und Oury Jalloh († 07.01.2005). Mario Bichtermann wurde mit einem Schädelbasisbruch tot auf dem Zellenboden aufgefunden, Oury Jalloh verbrannte wenige Jahre danach in der gleichen Zelle.

Gerade der letztgenannte Fall ruft bis heute jährlich zum Todestag öffentliche Proteste vor, was insbesondere auch einer Initiative von Freund:innen, Angehörigen und antirassistischen Aktivist:innen zu verdanken ist, die immer wieder mit hohem Einsatz und Aufwand eine Aufklärung des Todes im Polizeigewahrsam fordert.

Es drängt sich somit auch im Fall Hans-Jürgen Rose die Frage auf, ob nicht die Polizisten selbst Hans-Jürgen Rose getötet haben. Mit Unterstützung der Organisation „Recherche-Zentrum“, die sich gegen Polizeigewalt engagiert, fordern die Witwe von Hans-Jürgen Rose, Iris Rose, seine Kinder und seine Mutter noch immer Aufklärung auch in seinem Fall.

Für einen Mord durch die Polizei gibt es einige Indizien: So hatte die damalige Gerichtsmedizinerin, Dr. Uta Romanowski, beim Tod von Hans-Jürgen Rose bereits festgestellt, dass die schweren durch Schläge hervorgerufenen Verletzungen darauf hindeuten, dass der Tote mit Stöcken, zum Beispiel Polizeischlagstöcken malträtiert worden war.

Auch belastete ein anderer Dessauer Polizist, der zum Sterbenden gerufen worden war, seine beiden anwesenden Kollegen aus der Nachtschicht indirekt, indem er zu Protokoll gab, dass diese sehr nervös wirkten und auf seine Nachfrage hin verneinten, den Hans-Jürgen Rose zu kennen, obwohl ausgerechnet sie ihn vorher in der Nacht für einen Blutalkoholtest ins Präsidium gebracht hatten.

Nicht zuletzt stellte der britische Gutachter John Welch mehrere Hinweise darauf fest, dass der polizeiliche Lagefilm im Nachhinein manipuliert worden sein könnte. Insbesondere die Angaben zur Entlassung von Hans-Jürgen Rose aus dem Polizeigewahrsam seien betroffen und überdies trotzdem nicht stimmig.

Die Witwe des Verstorbenen gibt im Interview an, dass sie vor allem von dem Gedanken motiviert wird, möglicherweise anderen Betroffenen von Polizeigewalt aus Dessau mit ihrem Kampf um Aufklärung zu helfen.

Nach einer Beschwerde der Angehörigen prüft momentan die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe, ob im Fall Hans-Jürgen Rose erneut ermittelt werden soll. Derartige Ermittlungsverfahren waren kurz nach dem Todesfall und fast zwanzig Jahre später im Rahmen der Ermittlungen zu Oury Jallohs Tod von der zuständigen Staatsanwaltschaft wieder eingestellt worden – viel zu früh, wie neben anderen der Kriminologe Thomas Feltes im Interview mit dem ARD-Rechercheformat „Kontraste” kritisiert.

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