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Donnerstag, September 5, 2024
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    31-jähriger Chemnitzer soll nach 30 Jahren in Deutschland abgeschoben werden

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    Der Chemnitzer Robert A. (31) wurde vor wenigen Tagen bei einem Behördengang verhaftet und sollte abgeschoben werden. Proteste dagegen führten zur einstweiligen Pausierung der Abschiebung.

    Der in Chemnitz aufgewachsene Robert A. lebt nun schon seit 30 Jahren in der sächsischen Stadt. Seine Eltern stammen aus Jugoslawien. Er wurde auf der Flucht vor dem jugoslawischen Bürgerkrieg in den Niederlanden geboren. Seine Eltern zogen mit ihm nach Chemnitz, als er ein Jahr alt war. Dort wuchs er auf, ging zur Schule und absolvierte später eine Berufsausbildung. Noch immer fehlt ihm die Arbeitserlaubnis.

    Sowohl Serbien, die Niederlande als auch Deutschland verweigern ihm die Staatsbürgerschaft. Somit ist er bis heute staatenlos. Dieser sehr prekäre Rechtsstatus verhindert u.a., dass er eine Arbeitserlaubnis erhält. Nun sollten ihm Staatenlosigkeit und die fehlende Arbeitserlaubnis zum Verhängnis werden. Nach Angaben der Chemnitzer Grünen-Chefin, Coretta Storz, wurde Robert A. am vergangenen Freitag bei einem Termin in der Ausländerbehörde Chemnitz festgenommen und scheinbar in Handschellen abgeführt. Die Familie erfährt über den Prozess der Abschiebung nach Serbien über einen Anruf aus der Abschiebehaft.

    Die Zivilgesellschaft kann im Einzelfall helfen, Problem bleibt das System

    In Chemnitz und Dresden wurden daraufhin Demonstrationen gegen die geplante Abschiebung veranstaltet. Diese wurden maßgeblich durch zivilgesellschaftliche Akteur:innen und die Grünen bestimmt, bei denen Robert Mitglied ist. Diese starteten eine Petition mit inzwischen 42.000 Unterschriften und reichten Anträge beim Ausländeramt ein, um die Abschiebung zu stoppen. Die dadurch geschaffene Aufmerksamkeit und die rechtlichen Druckmittel konnten die Abschiebung vorübergehend aussetzen.

    Die queere Aktivist:in Luna Möbius und andere Teile der Kampagne „Robert bleibt“ stellen dabei jedoch auch fest, dass dies „kein Einzelfall“ sei und das Problem „im System“ liege. Sie räumen auch ein, dass der Flieger, in dem Robert abgeschoben werden sollte, auch ohne Robert „mit sehr vielen Menschen“ nach Serbien abhob. Besonders Rom:nja seien betroffen, soll Robert selbst berichtet haben.

    Aktuelle Zahlen zeigen, dass seit Beginn des Jahres 4.791 Personen aus Deutschland abgeschoben wurden – das sind rund 30 Prozent mehr Abschiebungen als im selben Zeitraum des Vorjahres 2023. Obwohl das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ erst seit kurzer Zeit wirksam ist, zeigen sich schon jetzt die ersten Folgen der seit Monaten vorbereiteten Abschiebeoffensive. Bereits im Jahr 2023 gab es 27 Prozent mehr Abschiebungen als im Jahr davor, während die Zahlen von vertriebenen und flüchtenden Menschen weltweit steigen.

    Deutschland wärmt sich im Abschieben auf

    Durch eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes vor knapp einem Monat ermöglichte die Regierung den Ausländerbehörden zusätzlich, Menschen leichter abzuschieben. Als Grund reicht dem Kabinettsbeschluss der Regierung nach inzwischen bereits ein „Gefällt mir“-Klick oder Likes im Internet, um Menschen mit ungesichertem Aufenthalt abzuschieben.

    Gesellschaftlicher Widerstand zeigt Wirkung

    Der Fall werde jetzt geprüft, so die Behörden. Die sächsische „Härtefallkommission“ hat den Fall übernommen. Der stellvertretende Vorsitzende Karlheinz Petersen sagte auf Anfrage von MDR Sachsen, bis eine Entscheidung gefallen sei, gelte für den 31-Jährigen eine Abschiebesperre. Die Kommission habe jetzt vier Monate Zeit, um den Fall zu bearbeiten.

    Im letzten Jahr machte bereits ein „spektakulärer“ Fall von Abschiebung in Sachsen von sich reden, als der seit Jahrzehnten hier wohnende Pham Phi Son nach Vietnam abgeschoben werden sollte. In Hamburg sollte vorletzte Woche der 18-jährige Abiturient Joel abgeschoben werden. Auch hier formierte sich gesellschaftlicher Widerstand. Als Resultat konnte auch diese Abschiebung verhindert werden.

    Erst vergangene Woche sollten zwei zuvor geflohene kurdische Frauen von Berlin über die Türkei in den Iran abgeschoben werden. Durch zahlreiche spontane Proteste konnte dies ebenfalls verhindert werden. Livia Haas kommentierte auf Perspektive-Online, dass der deutsche Staat seine Solidarität mit den kämpfenden Frauen im Iran und die sogenannte „feministische Außenpolitik“ nichts weiter seien als „heuchlerische Lippenbekenntnisse“.

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