`
Montag, September 9, 2024
More

    Institut warnt vor 2,5 Millionen Hungertoten im Sudan

    Teilen

    Die Lage im Sudan spitzt sich weiter zu. Eine niederländische Denkfabrik warnt in einem Bericht vor einer dramatischen Zahl an Hungertoten im Sudan. Demnach könnten im Land bis September etwa 2,5 Millionen Menschen verhungern. Laut den Vereinten Nationen herrscht dort die schlimmste Vertreibungskrise weltweit.

    Verringerte Ernten, sinkende Importe und steigende Preise führen zu einer kritischen Versorgungslage im Sudan, das verrät ein Bericht der niederländischen Denkfabrik „Clingendael Institute”.

    Das Institut hat für seine Analyse Daten zu Ernten und Vorräten, Haushaltsvorräten, Weizenimporten und humanitärer Hilfe gesammelt und ausgewertet. Bei Anhalten der aktuellen Versorgungssituation prognostiziert das Institut darauf basierend eine Übersterblichkeitsrate – also Todeszahlen, die über der durchschnittlichen Sterblichkeitsrate des Landes liegen – von 2,5 Millionen Menschen.

    Die Prognose basiert auf einem im Februar veröffentlichten „Policy Brief”, der die Auswirkung des Bürgerkriegs auf das Nahrungsmittelsystem des Landes aufzeigt. Er errechnet die Hungertoten anhand eines Szenarios, bei dem die Mechanismen zur Lebensmittelverteilung ohne Unterstützung fortgesetzt werden. Die Verfasser:innen des Berichts schlussfolgern, dass es zur Entschärfung der Lage dringend eine Steigerung der. landwirtschaftlichen Produktion sowie eine starke Erhöhung der Nahrungsmittelhilfe für das Land benötige.

    Dem Bericht nach ist bereits jetzt ein großer Teil der Sudanes:innen auf Initiativen zur Verteilung von Nahrungsmitteln auf Gemeindeebene angewiesen. Bei den Prognosen zur Übersterblichkeitsrate geht es nicht nur um das Ausmaß des Hungers, sondern auch um die Dauer der Lebensmittelkrise: „Man kann nicht lange mit einem Notnahrungsmittelkonsum überleben“, warnt der Bericht. Es sei wahrscheinlich, dass Teile des Landes bereits einen Wendepunkt erreicht haben, an dem der verbreitete Hunger in ein Massensterben mündet.

    Über ein Jahr Bürgerkrieg: die Katastrophe im Sudan

    Laut dem Bericht werden sich 90 Prozent der übermäßigen Sterblichkeit auf 10 Prozent der Gesamtbevölkerung konzentrieren. Das bedeutet, dass nicht die gesamte Bevölkerung einem höheren Sterberisiko ausgesetzt ist, sondern vor allem die Bevölkerung bestimmter Regionen, die es dafür dann um so härter trifft. 15 Prozent der Bevölkerung leben in den Regionen Darfur und Kordofan, sie werden wahrscheinlich am stärksten betroffen sein.

    Der Sudan ist flächenmäßig das drittgrößte Land Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohner:innen. Er ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, doch die meisten Menschen dort leben in Armut. Laut offiziellen Zahlen leiden etwa 18 Millionen Sudanes:innen, also circa ein Drittel der Bevölkerung, an Hunger. Im April diesen Jahres meldete das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF, dass derzeit rund 8,9 Millionen Kinder unter akuter Nahrungsmittelknappheit leiden. 4,9 Millionen hätten inzwischen das Notstandsniveau erreicht. Vier Millionen Kinder unter fünf Jahren werden laut UNICEF dieses Jahr voraussichtlich an akuter Unterernährung leiden.

    Fluchtzahlen nirgendwo so hoch wie im Sudan

    Nirgendwo auf der Welt sind zurzeit so viele Menschen auf der Flucht wie im Sudan. Im Land gibt es circa 10 Millionen Binnenflüchtlinge. Hinzukommen 2 Millionen weitere Menschen, die bereits das Land verlassen haben. Es befindet sich also circa ein Viertel der Bevölkerung des Landes auf der Flucht.

    Laut dem „Armed Conflict Location & Event Data Project” gab es im Sudan während eines Kriegsjahrs mehr als 15.550 „gemeldete Todesfälle“. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte jedoch weit höher liegen.

    Was passiert im Sudan?

    Durch einen Volksaufstand und die Anfänge einer demokratischen Revolution konnte 2019 die Herrschaft Umar al-Bashirs gestürzt werden. 2021 gingen jedoch die „Sudanesischen Streitkräfte (SAF)” – das offizielle sudanesische Militär – und die von al-Bashir vor seinem Sturz gegründete paramilitärische Miliz „Rapid Support Forces (RSF)” in einer gemeinsamen Aktion brutal gegen die demokratische Bewegung der sudanesischen Bevölkerung vor und schlugen den Volksaufstand nieder.

    Im April letzten Jahres eskalierte dann der seit langem schwelende Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Seitdem befinden sich die sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in einer offenen militärischen Auseinandersetzung untereinander.

    Die RSF sind eine paramilitärische Miliz, ihr Anführer ist Mohammed Hamdan Daglo. Daglo ist zugleich der ehemalige Vize des Militärgenerals und de facto-Staatsoberhaupts Abdel Fattah Abdelrahman Burhan. Im April startete er einen Putschversuch gegen die Militärregierung im Sudan.

    Die Versorgungslage im Land spitzt sich immer weiter zu. Konfliktbedingte Logistikstörungen, Ernteausfälle, sinkende Importe und steigende Lebensmittelpreise sorgen dafür, dass sich die Lebensmittelversorgung rapide verschlechtert. Zwischen Oktober 2023 und Februar 2024 erlebte das Land den schlimmsten Hunger, der jemals während einer Ernteperiode verzeichnet wurde.

    USA wollen „vermitteln”

    Vor einigen Tagen, am 24.7., kündigten nun die USA Gespräche über eine Waffenruhe im Sudan an. Die sudanesische Armee, so wie die RSF-Miliz seien zu Friedensgesprächen eingeladen worden, so der US-Außenminister Antony Blinken. In den Gesprächen, die am 14. August in der Schweiz beginnen sollen, wollen die Vereinigten Staaten als Vermittler auftreten. Die Teilnahme der RSF wurde bereits durch ihren Anführer Mohamed Hamdan Dagalo bestätigt.

    Neben den USA soll sich nach Angaben aus Washington auch Saudi-Arabien an den Gesprächen beteiligen. Die Afrikanische Union (AU), Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Vereinten Nationen werden als Beobachter teilnehmen.

    Bisherige Verhandlungen, unter anderem in Saudi-Arabien, führten nicht zu einem Ende der Kämpfe. Bei darauf folgenden Vermittlungsversuchen durch die Afrikanische Union gelang es gar nicht erst, die Teilnahme beider Konfliktparteien zu organisieren.

    Die USA agieren dabei nicht ohne Eigeninteresse. Der Sudan verfügt nicht nur über strategisch wichtige Energieressourcen. Einfluss im Sudan könnte den USA auch einen Zugang zum Roten Meer sichern, welches das Mittelmeer mit Asien verbindet und mit dem Suez-Kanal eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt ist.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News